Reform des französischen Arbeitsrechts: Die Umwäl­zung

von Sandra Hundsdörfer

06.09.2017

2/2: Neue Grenzen des Arbeitsrechts

Die Deckelung des Schadensersatzes gilt in Gewerkschaftskreisen als ein massiver Angriff auf die Errungenschaften des französischen Arbeitsrechts. Als Ausgleich wurde daher die gesetzliche Entlassungsabfindung von bisher 20 Prozent eines Monatsgehalts pro Jahr Betriebszugehörigkeit auf 25 Prozent erhöht.

Ein weiterer Schritt zur Lockerung des Kündigungsschutzes ist die Verkürzung der Klagefrist gegen Entlassungen. Diese wird unabhängig vom Entlassungsgrund auf ein Jahr begrenzt. Bislang galt dies nur für Entlassungen aus betrieblichen Gründen, bei anders begründeten Entlassungen betrug sie zwei Jahre.

Besonders schwer sind betriebsbedingte Entlassungen bisher für Gruppenunternehmen. Zulässig ist eine Kündigung hier bislang überhaupt nur, wenn der Unternehmenssektor der Gruppe insgesamt in Schwierigkeiten ist. Eine regionale Tochter beispielsweise darf für sich allein keine betrieblichen Kündigungsgründe geltend machen, solange es anderen Unternehmenstöchtern desselben Sektors gut geht. Betriebsbedingte Kündigungen sind hier also rechtlich an hohe Anforderungen geknüpft. Dies gilt bislang auch für die Töchter ausländischer Konzerne und bildete ein erhebliches Investitionshindernis.

Das Reformpaket sieht nun vor, den geografischen Bereich zu ändern, in dem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen müssen, und ihn bei internationalen Gruppen auf Frankreich zu beschränken. Diese Änderung soll erhebliche Anreize auch für Investoren aus dem Ausland bieten: Sie könnten sich bei in die Krise geratenen französischen Unternehmen engagieren, ohne sofort auch ihre heimischen Unternehmenszweige in Mitleidenschaft zu ziehen.

Arbeitnehmergremien verschmelzen

Die bislang drei Personalvertretungsgremien -Personalvertreter, Betriebsrat, Hygiene- und Sicherheitsausschuss- werden zu einem sozial-ökonomischen Beirat (comité social et économique) zusammengelegt. Im Wege einer mit Gewerkschaftsvertretern geschlossenen Betriebsvereinbarung erhalten Unternehmen zudem künftig die Möglichkeit, einen conseil d’entreprise einzurichten, also ein Personalvertretungsorgan, mit dem Betriebsvereinbarungen ausgehandelt werden dürfen.

Kleinstunternehmen mit höchstens 20 Mitarbeitern dürfen ihre Betriebsvereinbarungen in Zukunft direkt mit ihrer Belegschaft verhandeln, wenn es keine Gewerkschaftsbeauftragte gibt. In Unternehmen mit 20 bis 50 Mitarbeitern können Betriebsvereinbarungen direkt mit dem comité social et économique geschlossen werden, vorausgesetzt, es gibt keine Gewerkschaftsvertreter im Unternehmen. Bislang war jede Verhandlung Gewerkschaftssache.

Mit der Reform will Macron  die Weichen neu stellen, nicht zuletzt in Richtung der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen. Insbesondere Unternehmen des deutschen Mittelstands sind ja aus Deutschland an flexiblere Regeln und eine offenere Verhandlungskultur im Unternehmen gewöhnt. Sie empfinden die starren Regeln des französischen Arbeitsrechts daher oft als Hindernis, wenn nicht sogar als Investitionshemmnis.

Den Bedürfnissen von kleinen und mittelständischen Unternehmen trägt das französische Arbeitsrecht nur unzureichend Rechnung. Doch gerade im französischen Mittelstand soll die wirtschaftliche Zukunft liegen. Macron sendet mit seiner Reform ein klares Zeichen sowohl an den französischen Mittelstand als auch an ausländische Investoren. Frankreich soll als Investitionsstandort wieder attraktiv werden. Ob dies gelingt, wird sich Ende September zeigen, wenn die Verordnungen noch verschiedene Genehmigungsetappen durchlaufen haben.

Die Autorin Sandra Hundsdörfer ist Partnerin der deutsch-französischen Kanzlei GGV Avocats à la Cour Rechtsanwälte in Paris. Sie berät international tätige Unternehmen im französischen Arbeits- und Handelsrecht.

Zitiervorschlag

Sandra Hundsdörfer, Reform des französischen Arbeitsrechts: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24357 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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