EU-Parlament beschließt Restrukturierungsrahmen: Ein Mei­len­stein für die vor­in­sol­venz­liche Sanie­rung

Gastbeitrag von Dr. Alexandra Schluck-Amend

29.03.2019

Am Donnerstag hat das EU-Parlament die Richtlinie für Präventive Restrukturierungsrahmen verabschiedet. Das Reformvorhaben wird erhebliche Auswirkungen für die Sanierung von Unternehmen haben, meint Alexandra Schluck-Amend.

Mit der Verabschiedung der Richtlinie für Präventive Restrukturierungsrahmen durch das EU-Parlament ist ein weiterer Meilenstein für das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren genommen. Nun haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. In Ausnahmefällen kann die Frist auf Antrag um ein Jahr verlängert werden.

Aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz war jedoch schon vor längerer Zeit zu vernehmen, dass man diese Umsetzungsfrist möglichst nicht voll ausschöpfen wolle und bereits an einer Umsetzung arbeite. Diese soll zugleich mit den Ergebnissen der ESUG Evaluation vom Oktober 2018 in Einklang gebracht werden.

Man darf also davon ausgehen, dass es in Deutschland spätestens bis 2022 einen Präventiven Restrukturierungsrahmen - teilweise auch "vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren" genannt - geben wird. Dabei kann es sich um ein oder mehrere Verfahren oder auch isolierte Maßnahmen handeln.

Große Chancen, große Herausforderungen

Die Auswirkungen, die das Reformvorhaben mit sich bringen wird, werden umfangreich sein und lassen sich zum jetzigen Stand nur erahnen. Erstmals wird außerhalb des Insolvenzverfahrens ein Rechtsrahmen zur Verfügung stehen, um Maßnahmen für die Sanierung von Unternehmen unter schützenden Bedingungen in einheitlicher Weise mit den Beteiligten abzustimmen und umzusetzen - ohne dass dabei ein Konsens hergestellt werden muss und einzelne Beteiligte das Vorhaben blockieren können.

Es wird Fallgestaltungen geben, in denen die neuen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden müssen. Zugleich sind Varianten denkbar, in denen bereits das Vorhandensein der neuen Regelungen den Beteiligten zu einer einvernehmlichen Lösung verhilft.

Es werden sich Fragen stellen, inwiefern gesellschaftsrechtliche Gestaltungen innerhalb von Restrukturierungsplänen möglich sind. Auch für Banken, Lieferanten oder Warenkreditversicherer werden sich neue Abläufe im Umgang mit Sanierungssituationen herausbilden. Anders als im Insolvenzverfahren, können die Gestaltungen und Maßnahmen dabei künftig sehr individuell und präzise ausfallen. Im Idealfall wird nur soweit in die Rechte und Interessen von Beteiligten eingegriffen, wie es zur Ermöglichung des Sanierungserfolgs erforderlich ist.

Kernelement: Der Restrukturierungsplan

Wesentliches Instrument der neuen Regelungen soll der Restrukturierungsplan werden, in dem sämtliche Maßnahmen festgelegt werden und über den die Beteiligten anschließend nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen können. Ähnlich wie bei Insolvenzplänen soll die Abstimmung dabei in Gruppen bzw. Klassen erfolgen, die den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten Rechnung tragen sollen.

Werden dabei Beteiligte überstimmt, soll eine gerichtliche Bestätigung erforderlich werden. Das Gericht prüft dann insbesondere, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind und niemand unangemessen benachteiligt wird. Nur dann und nur soweit die Beteiligten entsprechend einbezogen worden sind, entfaltet der Restrukturierungsplan bindende Wirkung.

Gericht kann Moratorium anordnen

Um den laufenden Geschäftsbetrieb während der Erstellung und Aushandlung eines Restrukturierungsplans davor zu schützen, dass dieser durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger gestört wird oder betriebsnotwendige Vertragsverhältnisse wegfallen, soll das zuständige Gericht ein sogenanntes Moratorium anordnen können.

Ähnlich wie in einem vorläufigen Insolvenzverfahren besteht dann ein gewisses Maß an Schutz für den Schuldner. Dabei dürfen die Interessen der Gläubiger nicht unangemessen beeinträchtigt werden. Deshalb sind strenge Anforderungen an Anordnung und Aufhebung dieser Moratorien vorgesehen. Auch soll die Laufzeit auf zunächst vier, höchstens jedoch zwölf Monate begrenzt werden.

Ferner soll geregelt werden, dass neue Finanzierungen, die innerhalb einer Präventiven Restrukturierung gewährt werden, im Fall einer späteren Insolvenz vor Anfechtungen geschützt werden. Auch die Haftung für Geschäftsführer in solchen Situationen soll einfacher und interessengerecht gestaltet werden.

Scheitern soll kein Stigma mehr sein

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Richtlinie sind die Vorgaben zu Mindeststandards im Umgang mit natürlichen Personen, die als Unternehmer womöglich persönlich hohe Verbindlichkeiten aus der Krise oder Insolvenz ihres Unternehmens davongetragen haben.

Um die Folgen und die stigmatisierende Wirkung eines unternehmerischen Scheiterns zu lindern, soll redlichen Unternehmern die Möglichkeit eingeräumt werden, innerhalb von drei Jahren Restschuldbefreiung zu erlangen und neu starten zu können. Damit will man zugleich ein besseres Klima für Unternehmensgründungen schaffen. Gründer sollen die unternehmerischen Risiken besser einschätzen können und sich nicht von den möglichen Folgen eines Fehlschlags abschrecken lassen.

Zuletzt enthält die Richtlinie Vorgaben für eine bessere Verfahrenseffizienz. Diese reichen von elektronischer Kommunikation über die Organisation und Qualifikation der zuständigen Gerichte bis hin zur Ausbildung und Überwachung von Restrukturierungsverwaltern oder Beratern. Ziel ist, dass Verfahren insgesamt schneller und kostengünstiger werden und dadurch für die Beteiligten bessere Ergebnisse erzielt werden.

Das Ziel: eine bessere Sanierungskultur

Diese neue Palette an Instrumenten bietet große Chancen. Sie stellt die Beteiligten aber auch vor große Herausforderungen, etwa wenn es darum geht, die jeweilige Situation und den Ausgleich der Interessen im Einzelfall einzuschätzen und zu beurteilen.

Da die Richtlinie für alle Mitgliedstaaten gilt, erhofft sich die EU, dass die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in Europa insgesamt erleichtert wird und dadurch Insolvenzen vermieden werden können. Auch Handels- und Investitionshemmnisse sollen abgebaut werden, da die bislang stark unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten angeglichen würden und die Marktteilnehmer dadurch unternehmerische Risiken besser einschätzen können sollen.

Auch sollen Restrukturierungsmaßnahmen grundsätzlich früher eingeleitet werden, um deren Erfolgsaussichten zu erhöhen. Zudem sollen die Kosten gesenkt werden, damit gerade auch kleine und mittlere Unternehmen leichteren Zugang zu solchen Maßnahmen bekommen.

Große Spielräume bei der Umsetzung

Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten in vielen Detailfragen erheblichen Spielraum bei der Umsetzung in nationales Recht. Es kann gut sein, dass manche Mitgliedstaaten eher leichtgängige Regelungen einführen, bei denen das Schutzniveau der Beteiligteninteressen eher gering ist. Auch kann die Umsetzung eher strikt und mit hohen Verfahrenshürden ausfallen und dafür ein hohes Maß an Schutz der Einzelinteressen beinhalten.

Kurzfristig droht dabei ein Wettbewerb der Rechtsordnungen, da ein gut funktionierender Rechtsrahmen auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Über kurz oder lang wird sich zeigen, welche Konstruktionen sich in der Praxis bewähren. Es wird vermutlich eine Angleichung stattfinden.

Dr. Alexandra Schluck-Amend ist Rechtsanwältin und Partnerin im Stuttgarter Büro bei CMS Deutschland und leitet den Geschäftsbereich Restrukturierung und Insolvenz. Sie berät insbesondere bei Restrukturierungen und Sanierungen innerhalb und außerhalb der Insolvenz.

Zitiervorschlag

EU-Parlament beschließt Restrukturierungsrahmen: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34653 (abgerufen am: 16.11.2024 )

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