3/3: Vorurteile verhindern Vielfalt
Abseits der Gender-Ebene wabern zahlreiche weitere Vorurteile und Stereotypen durch die Kanzleiflure: Die Generation Y will mehr Work-Life-Balance? Die wollen doch eigentlich gar nicht arbeiten. Jemand verlangt nach flexibler Arbeitszeit? Der bringt sicher keine Leistung mehr, schon gar nicht im Home-Office. Ein Vater möchte seine Elternzeit über die üblichen zwei Monate hinaus verlängern? Da will wohl jemand doch keine Karriere machen.
Eines wird deutlich: Echte Vielfalt verlangt jedem Einzelnen etwas ab. Denn sie setzt voraus, dass man sich auf andere einstellt und die eigenen Vorstellungen nicht als allgemeingültig empfindet. "Vielfalt braucht ein vorurteilsfreies Umfeld, damit sich alle im größtmöglichen Maß wohlfühlen und wertgeschätzt werden", sagt die Ashurst-Personalverantwortliche Manz. Sie ist überzeugt davon, dass unbewusste Denkmuster im Berufsleben hinderlich sind und dass es die Anstrengung lohnt, sich auf Andere einzustellen. Denn die optimale Leistung aller Mitarbeitenden werde dann abgerufen, wenn sie sich in der Kanzlei akzeptiert und verstanden fühlen.
Ökonomische Folgen unbewusster Denkmuster
Diversity definiert sich dadurch, dass man sich mit Menschen umgibt, die einem selbst unähnlich sind und dadurch auch von deren unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen profitiert. Vielfalt bedeutet, über mehr personelle Ressourcen zu verfügen, als nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen, auf die sich auch die Wettbewerber stürzen. Wer auf Vielfalt setzt, entwickelt sich gemeinsam mit seinen Mandanten, denn auch in den Unternehmen verändert sich die personelle Besetzung hin zu jünger, weiblicher, multikultureller.
Wie aber entsteht Vielfalt? "Überlegen Sie, welche Prozesse sich standardisieren lassen, etwa im Recruiting", schlägt die Diversity-Beraterin Gedamu vor. Wie und von wem werden die Interviews geführt? Wie viele Kriterien liegen der Beurteilung zugrunde? Wann werden Bauchentscheidungen getroffen? "Insbesondere in Stresssituationen, also wenn die Zeit zur ausführlichen Analyse fehlt, neigt das Gehirn dazu, auf Stereotype zurückzugreifen. Außerdem hilft der Austausch mit Kollegen, um die eigenen Kriterien zu hinterfragen."
Und spätestens dann, wenn die Teilzeit-Anwältin ihre Kanzlei verlässt und ihre umsatzstarken Stammmandanten mitnimmt, wenn der teuer ausgebildete Associate für eine bessere Work-Life-Balance in den Öffentlichen Dienst wechselt oder sich der homosexuelle Partner in einem Spin-Off mit seinem gesamten Team selbständig macht – spätestens dann werden die ökonomischen Folgen unbewusster Denkmuster und gelebter Vorurteile spürbar.
Désirée Balthasar, Personalentscheidungen mit "unconscious bias": . In: Legal Tribune Online, 21.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20005 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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