Übernahmekrimi um den Lampenhersteller: Geset­zes­lücke im Über­nah­me­recht – dank Osram eilig gestopft?

Gastbeitrag von Dr. Lars-Gerrit Lüßmann und Tobias Kraut

05.12.2019

Der Bieterstreit um Osram beschäftigt inzwischen auch den Gesetzgeber: Wegen eines Redaktionsversehens wird das WpÜG nun eilig ergänzt. Wirklich zweckmäßig ist dieser Schnellschuss aber nicht, meinen Lars-Gerrit Lüßmann und Tobias Kraut.

Seit Monaten tobt ein Bieterkampf um Osram. Sowohl der österreichische Halbleiterkonzern AMS als auch die Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle gaben Übernahmeangebote auf den Lampenhersteller ab.Während das Angebot von Bain Capital und Carlyle die geforderte Mindestannahmequote von 70 Prozent nicht erreichte und deshalb nicht vollzogen wurde, verfehlte ein erstes Übernahmeangebot durch eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der AMS Anfang Oktober ebenfalls die angestrebte Mindestbeteiligung von mindestens 62,5 Prozent der Aktien und scheiterte entsprechend.

Nur wenige Wochen später ließ AMS durch eine eigens zu diesem Zweck gegründete weitere Tochtergesellschaft ein erneutes – nachgebessertes – Übernahmeangebot abgeben. In diesem zweiten Anlauf wurde die Mindestannahmeschwelle auf 55 Prozent der Aktien herabgesetzt; die Angebotsfrist läuft noch bis zum 5. Dezember. Die weitere Annahmefrist, innerhalb der das Angebot ebenfalls noch angenommen werden kann, läuft vorausichtlich vom 11. bis zum 24. Dezember 2019, sofern nicht zuvor eine der Vollzugsbedingungen, insbesondere das Erreichen der Mindestannahmeschwelle, endgültig ausgefallen ist.

Indem AMS für die Übernahmeangebote jeweils andere Töchter als Bietergesellschaft eingesetzt hat, umgeht das Unternehmen die sonst geltende einjährige Sperrfrist nach einem gescheiterten Übernahmeangebot: § 26 Abs. 1 S. 2 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) sieht vor, dass ein Bieter innerhalb eines Jahres kein erneutes Angebot auf die Zielgesellschaft abgeben darf, wenn beim ersten Angebot der Mindestanteil, der zur Bedingung für die Angebotsannahme gemacht wurde, nicht erreicht wurde. 

Zweck dieser Vorschrift ist der Schutz der Zielgesellschaft. Sie soll in ihrer Geschäftstätigkeit nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus durch ein Übernahmeangebot eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung besteht zum einen beispielsweise in der medialen Aufmerksamkeit und der entsprechenden Kursbeeinflussung, zum anderen aber etwa auch darin, dass der Vorstand der Zielgesellschaft gemäß § 33 WpÜG keine Handlungen vornehmen darf, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte.

Die BaFin genehmigt zweites Angebot, OLG Frankfurt muss Frage nicht entscheiden

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestattete dieses zweite Angebot von AMS, indem sie die Zehn-Werktage-Frist zur Gestattung oder Untersagung der Veröffentlichung der Angebotsunterlage, die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) geregelt ist, untätig verstreichen ließ.

Dies ist auf heftige Kritik gestoßen. Der Osram-Betriebsrat hat einstweiligen Rechtsschutz gegen die Gestattung der Angebotsunterlage beantragt. Er macht geltend, dass das Vorgehen von AMS eine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Sperrfrist darstelle. Seiner Ansicht nach erfasst § 26 WpÜG nicht nur das jeweilige Bietervehikel, sondern auch dahinterstehende Rechtssubjekte bzw. gemeinsam mit dem Bieter handelnde Personen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat den Eilantrag des Betriebsrates jedoch abgelehnt (Beschl. v. 13.11.2019, Az. WpÜG 3/19). Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung stellte das Gericht fest, dass die Vorschriften des WpÜG grundsätzlich nicht drittschützend seien und der Betriebsrat nicht aus eigenem Recht etwaige Verletzungen geltend machen könne. Zur Frage der von § 26 WpÜG erfassten Rechtssubjekte musste das Gericht daher nicht Stellung beziehen.

In der Vorschrift wird nur vom "Bieter" gesprochen

Indessen spricht bei einer genauen Betrachtung des § 26 WpÜG vieles dafür, dass der Betriebsrat auch in inhaltlicher Hinsicht mit seinem Vorbringen erfolglos geblieben wäre.

Da in der Vorschrift nur von dem "Bieter" die Rede ist, muss eine wortlautorientierte Auslegung zu dem Ergebnis gelangen, dass es allein dem Bieter verboten ist, innerhalb eines Jahres ein erneutes Erwerbs- oder Übernahmeangebot auf die Zielgesellschaft abzugeben. Angebote anderer Rechtssubjekte unterliegen demnach nicht der Sperrfrist. Für diese Auslegung spricht auch, dass das Gesetz an zahlreichen anderen Stellen  zwischen dem Bieter  (§ 2 Abs. 4 WpÜG), mit ihm gemeinsam handelnden Personen (§ 2 Abs. 5 WpÜG) sowie Tochtergesellschaften (§ 2 Abs. 6 WpÜG) unterscheidet.

Eine Auslegung, die sich am Normzweck, also dem Schutz der Zielgesellschaft, orientiert - etwa in Form einer analogen Anwendung auf gemeinsam mit dem Bieter handelnde Personen -, dürfte nicht nur angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift ausscheiden. Ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 S. 2 WpÜG stellt gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 7 WpÜG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Deshalb schließt bereits das Analogieverbot, das aus dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG folgt, eine derart weite Auslegung aus.

Eilige Reaktion des Gesetzgebers

Die Konsequenz: Die angeordnete Sperrfrist kann nach dem derzeitigen Wortlaut des Gesetzes umgangen werden, wenn verschiedene Bietergesellschaften zum Zweck der Übernahme eingeschaltet werden. Dies hat den Gesetzgeber nunmehr dazu veranlasst, im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie kurzfristig noch eine Neufassung von § 26 WpÜG einzubringen.

Danach soll die Sperrfrist künftig auch Personen erfassen, die zwischen der Veröffentlichung des gescheiterten Angebots und dem Ablauf der Annahmefrist des (erneuten) Angebots gemeinsam mit dem Bieter handelten. Dem Bericht des Finanzausschusses zufolge sei die ausschließliche Erwähnung des "Bieters" in der alten Fassung ein Redaktionsversehen gewesen.

Die Ergänzung erfolgte derart schnell, dass sie noch während des laufenden AMS-Übernahmeangebots vorgenommen wurde. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem Gesetz am 29. November 2019 zugestimmt. Da das Gesetz bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft treten soll, dürfte die Neufassung noch im Dezember dieses Jahres Gesetzeskraft erlangen.

Schießt die neue Fassung über das Ziel hinaus?

Das Handeln des Gesetzgebers wirkt übereilt. Zwar vermag die aktuelle Fassung des § 26 WpÜG in der Tat den Zweck der Vorschrift und die in § 3 Abs. 4 WpÜG zum Ausdruck kommende Zielbestimmung des Gesetzes, die Zielgesellschaft nicht über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit zu behindern, nicht umfänglich umzusetzen.

Zweifelhaft ist jedoch, ob die künftige Fassung des § 26 WpÜG in der vorgesehenen Form sachlich gerechtfertigt ist. Der Tatbestand erscheint zu weit, wenn jegliche Personen erfasst werden, die gemeinsam mit dem Bieter handeln. So würde die Sperrfrist künftig auch Gesellschaften erfassen, die bei einem erfolglosen Angebot Tochtergesellschaften des Bieters waren, nun aber selbstständig agieren. Ebenso könnten Investmentbanken, die beim ursprünglichen Angebot gemeinsam mit dem Bieter gehandelt haben, künftig unter den Tatbestand fallen.

Sachgerechter erschiene es gegebenenfalls, den Anwendungsbereich lediglich auf solche Personen auszudehnen, auf die das Angebot wirtschaftlich zurückzuführen ist bzw. die ein anderes Rechtssubjekt zur Abgabe eines Angebots bestimmen können.

Gründliche Auseinandersetzung mit der Norm wünschenswert

Übermäßig weit erscheint der neue wie auch bereits der alte Tatbestand zudem im Hinblick darauf, dass nicht nur erneute Übernahmeangebote der Sperrfrist unterfallen, sondern auch bloße Erwerbsangebote, die innerhalb der Jahresfrist abgegeben werden. Solche Angebote unterhalb der Kontrollschwelle beeinträchtigen die Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft in deutlich geringerem Maße. Deshalb erscheint die Zielgesellschaft nicht im selben Maße schutzbedürftig und eine Sperrfrist für Erwerbsangebote nicht geboten.

So begrüßenswert es ist, dass der Gesetzgeber den § 26 WpÜG anpasst, so wünschenswert wäre eine gründliche Auseinandersetzung mit offenen Fragen im Zusammenhang mit der Vorschrift gewesen. Möglicherweise hätte diese nicht eine schnellstmögliche – im Zweifel überzogene – Erweiterung der Norm nach sich gezogen, sondern eine sorgfältige Überprüfung und behutsamere Anpassung.

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist Rechtsanwalt und Partner, Tobias Kraut ist Rechtsanwalt bei Taylor Wessing in Frankfurt. Sie sind im Bereich Corporate/Capital Markets tätig und auf öffentliche Übernahmen spezialisiert.

Kanzlei der Autoren

Zitiervorschlag

Übernahmekrimi um den Lampenhersteller: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39089 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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