Im zuletzt verkäuferfreundlichen M&A-Markt ist eine Trendwende zu beobachten: Käufer können zunehmend Regelungen zur Risikoverteilung durchsetzen, die für sie vorteilhafter sind. Laut einer Studie ist das eine Folge der Coronakrise.
Der europäische M&A-Markt ist im Jahr 2020 wieder käuferfreundlicher geworden. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste "European M&A Study 2021" von CMS Deutschland. Wie Dr. Maximilian Grub, Partner im Bereich Corporate/M&A bei CMS Deutschland, sagt, sei der in den vergangenen Jahren zu beobachtende Trend der immer verkäuferfreundlicheren Regelungen in M&A-Transaktionen im Jahr 2020 gebrochen worden. Auch infolge der Corona-Krise hätten Käufer verstärkt für sie günstigere Regelungen durchsetzen können.
"Dieser Trend in Richtung einer stärkeren käuferfreundlichen Marktpraxis ist angesichts der Coronakrise nachvollziehbar, allerdings hatten wir eine noch stärkere Auswirkung in Richtung eines Käufermarktes erwartet", so Grub. "In diesem Jahr sehen wir wesentlich mehr käuferfreundliche Regelungen, sprich eine ähnliche Risikoverteilung wie in den USA", beobachtet Stefan Brunnschweiler, Leiter der internationalen CMS Corporate/M&A Group.
Die Entwicklung hin zum Käufermarkt machen die Studienautoren an mehreren Anzeichen fest: Die Haftungshöchstgrenzen für Gewährleistungsansprüche seien deutlich gestiegen und Verjährungsfristen länger geworden. Außerdem habe es weniger sogenannte Locked-Box-Transaktionen gegeben, bei denen der Kaufpreis bei Unterzeichnung der Transaktion nicht mehr angepasst wird.
Längere Verjährungsfristen, höhere Haftungsgrenzen
Konkret hätten bei 23 Prozent der Transaktionen die Parteien Verjährungsfristen von 24 Monaten und länger vereinbart, so die Studienautoren. Das sei ein Zuwachs um vier Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2019. Weiter habe man festgestellt, dass es weniger Deals mit einer Haftungshöchstgrenze von unter 50 Prozent des Kaufpreises gab – ein Rückgang auf 49 Prozent gegenüber dem Rekordwert von 60 Prozent im Jahr 2017. Darüber hinaus habe es mehr Deals gegeben, bei denen die Haftungshöchstgrenze dem Kaufpreis entsprach.
Die Transaktionen mit Locked-Box-Regelungen, bei denen der Kaufpreis meist basierend auf den letzten verfügbaren geprüften Jahresabschlüssen festgelegt wird, gingen leicht zurück. Im Jahr 2020 enthielten 51 Prozent der Abschlüsse solche Regelungen. Dieser Wert ist um 5 Prozentpunkte geringer als der des Vorjahres, allerdings halte der allgemeine Aufwärtstrend an, so die Studienautoren. Im Vereinigten Königreich hingegen gab es deutlich weniger Locked-Box-Transaktionen: Waren es im Jahr 2019 noch 61 Prozent, wurden 2020 in nur 30 Prozent der Deals entsprechende Regelungen getroffen.
Schließlich würden de-minimis- und Basket-Regelungen inzwischen bei 74 Prozent bzw. 68 Prozent der Transaktionen angewandt. Das ist ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (73 Prozent bzw. 66 Prozent im Jahr 2019). De-minimis-Bestimmungen regeln, dass der Käufer bei deren Unterschreiten keine Gewährleistungsansprüche geltend machen kann. Basket-Regelungen schützen den Verkäufer über die De-minimis-Schwellen hinaus vor Bagatellansprüchen.
Weniger Kaufpreisanpassungen, weniger W&I-Versicherungen
Kaufpreisanpassungen zwischen Signing und Closing kommen europaweit bei ca. 44 Prozent aller Abschlüsse zur Anwendung, das ist ein Prozentpunkt weniger als noch im Jahr 2019. Dies deutet nach der Studie darauf hin, dass die Vertragspartner in Bezug auf die Kaufpreishöhe bei Unterzeichnung der Transaktionsdokumente größere Sicherheit anstreben. In den USA hingegen passen die Parteien in nahezu allen Transaktionen (95 Prozent) den Kaufpreis nachträglich an.
Die Beliebtheit von Warranty-&-Indemnity (W&I)-Versicherungen sank im Jahr 2020 um zwei Prozentpunkte. Eine solche Versicherung wurde der Studie zufolge bei 17 Prozent aller Abschlüsse eingesetzt. Bei Deals mit einem Volumen von über 100 Millionen Euro liegt der Anteil allerdings nach wie vor bei knapp der Hälfte.
Außerdem bleibt die Anzahl der Transaktionen mit Earn-out-Regelungen konstant. Aufgrund der Coronakrise seien zwar mehr M&A-Deals mit Earn-out-Klauseln erwartet worden, mit 21 Prozent aller Abschlüsse blieb der Anteil jedoch fast unverändert. Diese Quote liege zwar über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre, bleibe aber hinter den Werten in den USA zurück.
Die European M&A Study wird seit dem Jahr 2009 jährlich von CMS herausgegeben. Die Autoren analysieren dabei grundlegende Regelungen, die in M&A-Verträgen getroffen werden. Die Studie basiert auf einer hauseigenen Datenbank, in der seit dem Jahr 2007 mittlerweile mehr als 5.000 Transaktionen erfasst sind, die CMS begleitet hat. Die M&A-Privatverträge beziehen sich auf nicht börsennotierte öffentliche und private Unternehmen in Europa. Von den insgesamt 5.017 von CMS begleiteten Transaktionen, die im Rahmen der Studie ausgewertet wurden, stammen nach Kanzleiangaben 408 aus dem Jahr 2020.
fkr/ah/LTO-Redaktion
M&A-Deals im Jahr 2020: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44613 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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