Es sind hervorragende Zeiten für M&A-Anwälte. Seit Monaten gibt es Transaktionen wie am Fließband, und die Deal-Volumina erreichen Rekordstände. Dennoch fragen sich einige Marktkenner, ob nicht bald die Trendwende kommt.
Von Sommerloch konnte keine Rede sein, im Gegenteil. Der internationale M&A-Markt brach im Sommer 2016 alle Rekorde. Das Volumen der Mega-Deals hat das bisherige Rekord-Hoch der New Economy-Phase Mitte der 1990-er Jahre ebenso übertroffen wie die Werte, die während des M&A-Booms Mitte des letzten Jahrzehnts erzielt wurden.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland. Im dritten Quartal wurde in allen Marktsegmenten hierzulande viel ge- und verkauft. Insgesamt erreichten die M&A-Aktivitäten in dem Zeitraum ein Transaktionsvolumen von rund 53 Milliarden Euro, heißt es in der Marktstudie M&A-Insight von Allen & Overy.
Dr. Michael J. Ulmer, Corporate-Partner der Kanzlei, erklärt das damit, dass viele Unternehmen nach der Finanzkrise, die durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 hervorgerufen wurde, große Positionen liquider Mittel aufgebaut haben. Diese müssten jetzt auf Drängen der Investoren ausgeschüttet oder investiert werden – dieses Umfeld sei Treiber der internationalen Mega-Deals. Die niedrigen Zinsen ermöglichten weiterhin eine günstige Finanzierung.
Zudem sei in vielen Branchen Umsatzwachstum mittlerweile fast nur noch über sogenannte transformatorische Transaktionen, also Transaktionen, die auf den Erwerber wesentlichen Einfluss haben, etwa weil sie sehr groß sind, das Geschäftsmodell ergänzen oder ändern oder den Wettbewerb weit hinter sich lassen.
Kaufpreise erreichen Schmerzgrenze
Eine Kehrseite der großen Nachfrage nach potenziellen Übernahmekandidaten sind allerdings die steigenden Kaufpreise. Wie aus dem M&A Panel 2015 III von CMS und dem Wirtschaftsmagazin Finance hervorgeht, sind die Preise für Unternehmenszukäufe in den vergangenen Monaten stark gestiegen und haben in einigen Branchen "ein Niveau erreicht, das die Schmerzgrenze potentieller Käufer übersteigt". Für das M&A Panel werden drei Mal jährlich M&A-Chefs deutscher Unternehmen sowie führende Investmentbanker und M&A-Berater anonym zu ihrer Markteinschätzung befragen.
Die M&A-Profis sowohl aus Unternehmen als auch aus Investmentbanken halten die derzeitigen Kaufpreise in vielen Branchen für überhöht. In beiden Gruppen ist die Zustimmung zu der These, dass derzeit zu hohe Preise bezahlt werden, seit dem Sommer stark angestiegen und auf einem so hohen Niveau wie noch nie seit Beginn der Befragung im März 2011. Bei den Unternehmen liegt sie insgesamt noch etwas höher – wohl auch, weil diese den Kaufpreis selbst verbuchen müssen und damit sensibler sein dürften als die Transaktionsbegleiter aus Banken und Beratungen.
Die divergierenden Preisvorstellungen sind aus Sicht der Befragten auch der häufigste Grund für das Scheitern von Transaktionen. Es gibt bereits Anzeichen, dass Unternehmensverantwortliche wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen in kompetitiven Bieterverfahren öfter aussteigen oder gar nicht erst daran teilnehmen. "Nicht alle Corporates lassen sich auf die so genannten 'Rat Races' ein. Gleichwohl sind strategische Investoren nach wie vor bereit, auch hohe Bewertungen aufzurufen und gute Kaufpreise zu bezahlen", beobachtet CMS-Partner Dr. Oliver Wolfgramm.
Kaum noch attraktive Übernahmeziele
Die Befragten positionieren ihre Unternehmen immer noch stark auf der Käuferseite; sie scheinen allerdings mit dem Angebot am Markt nicht mehr zufrieden zu sein. 14 Prozent weniger als noch im Sommer sehen zurzeit strategisch attraktive Übernahmeobjekte auf dem Markt – das ist der niedrigste Wert seit Befragungsbeginn. Auf ebenfalls niedrigstem Level ist die Hoffnung in den Unternehmen, dass sich das Umfeld für M&A-Transaktionen in den kommenden zwölf Monaten verbessern wird.
Die M&A-Beratungshäuser gehen ebenfalls nicht von einer Verbesserung des Deal-Umfelds aus. Allerdings erwarten sie für ihr eigenes Geschäft in den kommenden Monaten durchaus noch positive Effekte. Besonders die Auslastungslage der Beratungshäuser mit Schwerpunkt auf Mid- und Largecap-Transaktionen hat sich deutlich verbessert, wobei das traditionell starke Jahresendgeschäft eine Rolle spielen dürfte. Auch was ihre Auftragsbücher betrifft, zeigen sich die Berater mit Blick auf die kommenden Monate optimistisch.
Dieselgate bremst Autobranche aus
Die aktuelle Abgas-Affäre um Volkswagen scheint in der Automobilbranche erhebliche Auswirkungen zu haben – nach Berechnungen von CMS büßt dieser Sektor als Investitionsziel erheblich an Attraktivität ein und Private-Equity-Manager bewerten Automotive-Targets um 20 Prozent schlechter als noch im Frühjahr.
Allen-Overy-Anwalt Ulmer befürchtet auch Auswirkungen auf den gesamten M&A-Markt: "Die aktuellen Unruhen um Volkswagen stellen eine beachtliche Hürde insbesondere für die großvolumigen Vorhaben dar. Ob der deutsche M&A-Markt insgesamt das hohe Niveau auch im vierten Quartal halten kann, wird wesentlich von den Reaktionen der Marktteilnehmer auf die weiteren Entwicklungen dort abhängen", sagt er.
Anja Hall, M&A-Markt: . In: Legal Tribune Online, 21.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17285 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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