Keine weitere Kostenerstattung durch Versicherung: Ex-Wire­card-Chef kann Ver­tei­diger nicht mehr bezahlen

05.06.2024

Markus Braun, Hauptangeklagter im Wirecard-Prozess, hat kein Geld mehr für seine Wahlverteidiger. Das Mandat wird – aus rein wirtschaftlichen Erwägungen – beendet.

Im Wirecard-Prozess haben die Wahlverteidiger von Markus Braun am Mittwoch ihr Mandat niedergelegt. Ihre Bezahlung sei nicht mehr gewährleistet, teilten Alfred Dierlamm und seine Kollegin Elena-Sabella Meier (beide Dierlamm Rechtsanwälte) am Mittwoch vor Beginn der Verhandlung am Landgericht München I mit. Die Management-Versicherung des früheren Wirecard-Vorstandschefs Braun erstatte seine Anwaltskosten nicht mehr. Der Beendigung des Mandats lägen ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen zugrunde und keine Gründe in der Sache selbst.

Für den weiteren Prozess stellte das Gericht Braun umgehend neue Pflichtverteidiger zur Seite. Die bereits seit Prozessbeginn als Pflichtverteidigerin eingebundene Theres Kraußlach von Kalweit & Kraußlach wird die Verteidigung ab sofort koordinieren. Neu bestellt wurde ihre Kanzlei-Partnerin Katrin Kalweit. Nach Informationen der Zeit soll auch der bisherige Wahlverteidiger Nico Werning Braun künftig als Pflichtverteidiger zur Seite stehen.

Mitangeklagter liebäugelt mit Geständnis

Der zusammen mit Braun und dem ehemaligen Wirecard-Manager Oliver Bellenhaus wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrugs angeklagte Chefbuchhalter Stephan von Erffa hat am Mittwoch indes erneut ein Geständnis in Aussicht gestellt. Der Vorsitzende Richter Markus Födisch sagte nach einem Gespräch mit den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft, Erffa könne bei einem zeitnahen und umfassenden Geständnis auf Grundlage der Anklagevorwürfe mit einer Strafe zwischen sechs und acht Jahren Gefängnis rechnen. 

Ein Beitrag zur Aufklärung allein reiche nicht, sagte der Vorsitzende Richter. Erffa könne aber einiges zu Vorgängen in der Konzernzentrale in Aschheim bei München aussagen, in die Bellenhaus von seinem Dienstort in Dubai aus keine Einsicht gehabt habe. Als Beispiele nannte der Richter Umbuchungen innerhalb des Konzerns, die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsprüfer EY, Gespräche im Vorfeld und die Haltung des Vorstandschefs Braun. 

Braun bleibt standhaft

Der Zahlungsdienstleister Wirecard war im Juni 2020 insolvent gegangen, weil auf Treuhandkonten verbuchte 1,9 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar waren. Die Anklage wirft den drei Angeklagten sowie dem abgetauchten früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek und weiteren Komplizen vor, Umsätze in Milliardenhöhe schlicht erfunden zu haben, um den eigentlich defizitären Dax-Konzern über Wasser zu halten. In dem seit Dezember 2022 geführten Prozess hat Erffa bisher geschwiegen.

Braun hat alle Vorwürfe bestritten, der geständige Bellenhaus tritt als Kronzeuge auf und beschuldigt die beiden Mitangeklagten. Braun wünscht auch weiterhin kein Rechtsgespräch über eine mögliche Verständigung, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Anders als seine beiden Mitangeklagten sitzt der Ex-Vorstandschef und einstige Milliardär weiter in Untersuchungshaft – seit bald vier Jahren.

dpa/sts/LTO-Redaktion

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Keine weitere Kostenerstattung durch Versicherung: Ex-Wirecard-Chef kann Verteidiger nicht mehr bezahlen . In: Legal Tribune Online, 05.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54708/ (abgerufen am: 17.07.2024 )

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