Im Steuerskandal um Cum-Ex-Aktiendeals startet ein neuer Prozess: Kai-Uwe Steck, früherer Kanzleipartner von Hanno Berger und späterer Kronzeuge, steht in Bonn vor Gericht.
Vor dem Bonner Landgericht begann am Donnerstag der Strafprozess gegen einen weiteren zentralen Akteur im Cum-Ex-Steuerskandal: Den deutschen Anwalt Kai-Uwe Steck. Steck, inzwischen für die Kanzlei Pontinova Law in der Schweiz tätig, werden acht Taten der besonders schweren Steuerhinterziehung im Zeitraum von 2007 bis 2015 vorgeworfen (Az. 62 KLs 1/24). Dadurch soll der Fiskus und damit die Allgemeinheit laut Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft um insgesamt 428 Millionen Euro betrogen worden sein. Das Gericht hat bis zum 14. Februar 2025 insgesamt 24 Verhandlungstage terminiert.
Steck, der auf den Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate setzt, ist neben dem Steueranwalt Hanno Berger eine der Schlüsselfiguren im größten Steuerskandal der Bundesrepublik. Die beiden arbeiteten lange Zeit zusammen – zunächst bei Shearman & Sterling und Dewey & LeBoeuf, später dann in ihrer eigenen Kanzlei Berger Steck & Kollegen in Frankfurt.
Bei den Cum-Ex-Deals ließen sich Banken und Investoren nie gezahlte Kapitalertragssteuern erstatten und prellten den Staat so geschätzt um mindestens zehn Milliarden Euro. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter nicht gezahlte Steuern.
Im Jahr 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen. 2021 entschied dann der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind (Urt. v. 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20). Später erteilte auch der Bundesfinanzhof dem Geschäftsmodell Cum-Ex eine Absage (Urt. v. 02.02.2022, Az. I R 22/20).
Persönliche Bereicherung zulasten des Fiskus
“Der jüngere Dr. Steck schloss sich dem älteren Dr. Berger an, um in dessen Fahrwasser Karriere zu machen”, sagte Staatsanwalt Schletz zum Prozessauftakt. Spätestens 2006 hätten die beiden beschlossen, mit anderen Personen Cum-Ex-Geschäfte arbeitsteilig durchzuführen, “um Dritte und vor allem sich selbst zulasten des Fiskus zu bereichern”. Dafür sei eine komplexe Offshore-Gesellschaftskonstruktion erschaffen worden.
Berger wurde, jeweils wegen Steuerhinterziehung, im Dezember 2022 vom Landgericht Bonn zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren (Urt. v. 13.12.2022, Az. 62 KLs 2/20) und im Mai 2023 vom Landgericht Wiesbaden zu acht Jahren und drei Monaten Haft verurteilt (Urt. v. 30.05.2023, Az. 6 KLs – 1111 Js 18753/21).
“Zentrales Motiv des Angeklagten Dr. Steck war seine persönliche Bereicherung”, so Schletz weiter. Der 53-jährige Steck hat durch die Cum-Ex-Geschäfte der Anklage zufolge einen persönlichen Profit von 28,6 Millionen Euro gemacht. 17,6 Millionen Euro soll er noch in die Staatskasse zahlen, 11 Millionen wurden laut Anklage bereits gezahlt.
Verteidigung attackiert die Staatsanwaltschaft
Steck teilte ab dem Jahr 2016 sein Wissen und wurde zum Kronzeugen der Staatsanwaltschaft. Seine umfassende Aussage floss in zahlreiche Anklageschriften gegen andere Beschuldigte ein, Steck fungierte jahrelang als Kronzeuge und trat in mehreren Gerichtsverfahren auf. Seine Kooperation mit den Strafverfolgern dürfte sich strafmildernd auswirken. Nach Angaben der Verteidigung führten seine bisher gemachten Aussagen dazu, dass bisher 853 Millionen Euro zurück in die Staatskasse flossen.
“All das, was ihm hier vorgeworfen wurde, beruht zu wesentlichen Teilen auf seinen eigenen Angaben”, erklärte Gerhard Strate und setzt darauf, dass sein Mandant ohne Schuldspruch davonkommt. Die Verteidigung beantragte die Einstellung des Verfahrens, da gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen worden sei.
Strate berief sich dabei unter anderem auf ein Schreiben der damals zuständigen Staatsanwältin von 2017, dem zufolge Stecks Aussagen in zahlreichen Vernehmungen als "umfassendes Geständnis" gewertet worden seien. Schon damals hätte Anklage erhoben werden können, sagt Strate. Dass dies erst sieben Jahre später erfolgte, wertet der Verteidiger als Verstoß gegen das in der Europäischen Grundrechtscharta garantierte Recht auf ein faires Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist.
Nach Darstellung der Verteidigung wurde Steck die Einstellung des 2013 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens in Aussicht gestellt. Dann habe man ihn aber jahrelang zappeln lassen. Er sei “zum Spielball taktischer Überlegungen der Anklagebehörde” geworden, indem er ein ums andere Mal als Zeuge in andere Gerichtsverfahren geschickt worden sei. “Das Verhalten der Staatsanwaltschaft ist schäbig”, sagte Strate und warf der Kölner Behörde weitere schwere Fehler vor, etwa bei der Protokollierung von Stecks Vernehmungen. Während der Ausführungen seines Anwalts saß Steck in sich gesunken da.
sts/LTO-Redaktion mit Material der dpa (aktualisiert am 21.11.2024 um 17.54 Uhr)
Steuerschaden in Höhe von 428 Millionen Euro?: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55918 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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