Ein Untersagungsvotum mit weitreichenden Folgen: Wirt­schafts­mi­nis­te­rium greift bei aus­län­di­schen Inves­toren durch

Gastbeitrag von Dr. jur. Dimitri Slobodenjuk, LL.M.

14.08.2018

Ein chinesischer Investor darf den Werkzeugmaschinenhersteller Leifeld nicht übernehmen, entschied die Bundesregierung. Und sie will die Investitionsregeln offenbar noch verschärfen. Dimitri Slobodenjuk über den Fall Leifeld und seine Folgen.

Die Bundesregierung hat erstmals ein Untersagungsvotum ausgesprochen: Der chinesische Investor Yantai Taihai Corporation darf das westfälische Unternehmen Leifeld Metal Spinning nicht übernehmen. Zu diesem Ergebnis kam die Bundesregierung Anfang August nach intensiver Prüfung. Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist die Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Nach dieser Verordnung muss der Erwerb von bestimmten deutschen Unternehmen durch "Unionsfremde" dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gemeldet werden.

Das BMWi als das federführende Ministerium kann solche Erwerbe untersagen, wenn sie die "öffentliche Ordnung oder Sicherheit" der Bundesrepublik gefährden. Eine solche Gefährdung soll insbesondere dann vorliegen, wenn das deutsche Zielunternehmen Betreiber einer sogenannten kritischen Infrastruktur ist. Die Untersagungsvoraussetzungen lagen aus Sicht der Bundesregierung vor: Leifeld stellt besonders feste Materialien her, die nicht nur in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen, sondern auch im Nuklearbereich verwendet werden können.

Ein Signal der Bundesregierung?

Das Votum ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil Yantai Taihai kurz vor der zu erwartenden Untersagung die Kaufabsicht ohnehin aufgegeben hatte. Die Untersagung war also im Ergebnis nicht erforderlich, um die Übernahme von Leifeld zu verhindern. Dennoch wollte die Bundesregierung anscheinend ein Zeichen setzen, indem sie das erste Untersagungsvotum auf Grundlage der AWV beschloss.

Auch wenn es sich formal um eine juristische Entscheidung handelt, dürften auch politische Erwägungen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Schließlich hat sich das BMWi in der Vergangenheit oft recht kritisch zu chinesischen Investoren geäußert. Jüngstes Beispiel ist der geplante Erwerb einer Minderheitsbeteiligung am deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz durch den chinesischen Staatskonzern SGCC, der an Maßnahmen der Bundesregierung gescheitert ist.

AWV soll weiter verschärft werden

Die Bundesregierung will es bei dieser Signalsetzung offenbar nicht belassen. Der zuständige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat nun sogar angekündigt, dass die AWV weiter verschärft werden soll. Derzeit kann die Bundesregierung eingreifen, wenn mindestens 25 Prozent der Stimmrechte an deutschen Unternehmen erworben werden. Diese Eingreifschwelle soll nun offenbar auf 15 Prozent herabgesenkt werden, "um in sensiblen Wirtschaftsbereichen mehr Erwerbsfälle überprüfen zu können", sagte Minister Altmaier der Tageszeitung Die Welt. Dies soll zumindest für verteidigungsrelevante Unternehmen, kritische Infrastrukturen sowie für den Bereich anderer ziviler sicherheitsrelevanter Technologien gelten.

Die Verschärfung könnte noch dieses Jahr in Kraft treten, und diese Zeitvorgabe scheint nicht unrealistisch zu sein. Schließlich handelt es sich bei der AWV um eine Verordnung, die vom Bundeskabinett ohne Beteiligung des Parlaments geändert werden kann. 

Spagat zwischen Sicherheitsinteressen und gutem Investitionsklima

Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen ist das Untersagungsvotum wenig überraschend. Die letzte Verschärfung der AWV wurde erst im Sommer 2017 beschlossen. Dadurch wurden der Anwendungsbereich der Verordnung deutlich ausgeweitet und die Prüfungsfristen erheblich verlängert. Dies führte wiederum dazu, dass deutlich mehr Transaktionen beim BMWi gemeldet werden mussten.

Das Untersagungsvotum stellt auch keinen Paradigmenwechsel dar. Es verdeutlicht nur, dass die Bundesregierung künftig auch vor formellen Schritten nicht zurückscheuen wird, um das durchzusetzen, was sie wirtschaftspolitisch für richtig halten mag.

Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, da es schließlich zu den Kernaufgaben der Bundesregierung gehört, die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik zu wahren. Man sollte jedoch bedenken, welche Signale ein solches Untersagungsvotum und die geplante Verschärfung der AWV im Hinblick auf das gesamte Investitionsklima in Deutschland senden. Es ist nicht auszuschließen, dass sie abschreckend wirkt, was für den Investitionsstandort Deutschland negative Folgen hätte.

Verfahren ist intransparent und langwierig

Diese mögliche Abschreckungswirkung ist wohl auch der Bundesregierung bewusst. So sah sich Minister Altmaier veranlasst klarzustellen, dass Unternehmen trotz der Verschärfung der AWV weiterhin in Deutschland investieren sollen.

Wenn dies jedoch weiterhin die Intention der Bundesregierung sein soll, bedarf es einer entsprechenden Anpassung der Prüfungsmechanismen. In der Praxis werden immer mehr Verfahren erst nach einer vertieften und vor allem zeitaufwändigen Prüfung durch das BMWi freigegeben. Dabei ist es für Käufer und Verkäufer oft nicht einmal erkennbar, worin die Bedenken der Bundesregierung überhaupt bestehen. Das Verfahren ist daher insgesamt mehr als intransparent und im Hinblick auf seine Dauer schwer vorhersehbar.

Ferner verlangt das Wirtschaftsministerium in immer mehr Fällen vor der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bestimmte Zusagen von den Parteien; in der Regel werden dazu öffentlich-rechtliche Verträge abgeschlossen. Diese müssen jedoch oft langwierig mit der Bundesregierung verhandelt werden, was die Prüfungsdauer zusätzlich verlängert. Dabei besteht in der Praxis allerdings - jedenfalls aus Sicht von Erwerber und Veräußerer -  ein erhöhtes Bedürfnis nach einem schnellen Verfahrensabschluss, vor allem vor dem Hintergrund einer etwaigen Finanzierung des Kaufpreises. Daher stehen die Parteien in solchen Verhandlungen mit der Bundesregierung in der Regel unter einem erheblichen Druck, die geforderten Zusagen ohne größeren Widerstand abzugeben.

Auch die EU plant eine AWV

Diese Problematik stellt kein rein deutsches Phänomen dar. Ähnliche Investitionskontrollregimes existieren auch in vielen anderen Ländern, etwa in Frankreich, im Vereinigten Königreich oder in den USA. Auch auf EU-Ebene gibt es mittlerweile einen Entwurf für eine "Europäische AWV". Dabei ist jedoch unklar, wann die entsprechende EU-Verordnung in Kraft treten wird.

Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die Bundesregierung im Rahmen der Anwendung der AWV einschlagen wird. Sollte es tatsächlich zu einer weiteren Verschärfung der Verordnung kommen, werden noch mehr Transaktionen in den Anwendungsbereich der Investitionsprüfung fallen. Vieles wird jedoch auch von der Ermessensausübung der Bundesregierung abhängen. Hier wären Verwaltungsvorschriften wünschenswert, um den Prüfungsprozess für die Parteien transparenter zu gestalten.

Für die Praxis bedeuten die jüngsten Entwicklungen jedenfalls bis auf Weiteres, dass die Risiken im Zusammenhang mit der deutschen Investitionskontrolle – ähnlich wie etwaige fusionskontrollrechtliche Anmeldepflichten – in einem recht frühen Stadium der Transaktionsplanung geprüft und, soweit möglich, vertraglich abgebildet werden müssen. Dies gilt nicht nur für den Zeitplan der Transaktion, sondern auch für etwaige Untersagungs- und Auflagenrisiken. 

Der Autor Dr. Dimitri Slobodenjuk, LL.M., ist Counsel in der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance in Düsseldorf. Er berät Unternehmen zu außenwirtschaftsrechtlichen Fragestellungen sowie zu allen Fragen des deutschen und europäischen Kartellrechts.

Zitiervorschlag

Dimitri Slobodenjuk, LL.M., Ein Untersagungsvotum mit weitreichenden Folgen: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30311 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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