Legal Analytics: Wissen ist Macht

von Nico Kuhlmann

23.12.2016

Wer öffentlich vorhandene Daten gründlich auswertet, kann präzise Vorhersagen erstellen. Legal Analytics wird auch Rechtsanwälten einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen, meint Nico Kuhlmann.

In vielen Branchen werden bereits große Datenmengen ausgewertet, um darauf aufbauend vorhersagende Analysen, sogenannte Predictive Analytics, zu erstellen. Der Rechtsmarkt hat sich diesen Möglichkeiten bislang weitestgehend verschlossen. Das wird aber nicht so bleiben.

Durch die systematische Auswertung vorhandener und größtenteils öffentlich verfügbarer Daten werden Kanzleien oder entsprechende Dienstleister in Zukunft Analysen generieren, die in der täglichen Mandatsarbeit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen können. Beispielsweise können sie Entscheidungsmuster von Richtern und anderen staatlichen Stellen offenlegen. Mit dem Wissen über diese Zusammenhänge können Anwälte dann Entscheidungen über die erfolgversprechendste Vorgehensweise auf erweiterter Informationsgrundlage treffen.

Ich sehe was, was du nicht siehst

Online-Vermittler von Fahrtdiensten wissen heute bereits bis zu einem gewissen Grad durch die Auswertung vergangener Fahrten, wohin der Fahrgast möchte, noch bevor dieser in das Auto eingestiegen ist. Und Grippewellen kann man präziser und schneller vorhersagen als jede Statistik der öffentlichen Hand, wenn man die eingegebenen Suchbegriffe bei Internetsuchmaschinen analysiert.

Ziel der Datenanalyse ist es, durch statistische Auswertung entsprechende Muster zu erkennen. Aufbauend auf diesen Mustern kann dann eine Vorhersage in Form einer Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Diese Wahrscheinlichkeit beschreibt eine Korrelation zwischen zwei Ereignissen. Dabei bedeutet Korrelation nicht Kausalität. Die Auswertung der Daten zeigt nur, ob – und nicht warum – bestimmte Zusammenhänge bestehen.

In ihrem internationalen Bestseller Big Data – A Revolution That Will Transform How We Live, Work and Think zeichnen die beiden Autoren Professor Viktor Mayer-Schönberger (Universität Oxford) und Kenneth Cukier (Data Editor beim Economist) das Bild einer Gesellschaft, in der viele Entscheidungen in fast allen Lebensbereichen auf einer solchen vorhersagenden Analyse von Daten beruhen.

Ist der Rechtsmarkt groß genug für Big Data?

Die Bezeichnung Big Data setzt allerdings riesige Datenmengen voraus. Die vorhandenen Daten innerhalb des Rechtsmarkts erreichen bei weitem nicht diese Größenordnung. Aber nur weil die akkumulierten, rechtlichen Daten nicht die Größe erreichen, um sich das Label "Big Data" zu verdienen, bedeutet dies nicht, dass nicht trotzdem aussagekräftige Analysen durchgeführt werden können. Voraussetzung ist nur, dass ein gewisser Mindestumfang an Daten zur Verfügung steht.

Die Daten müssen demnach einerseits in irgendeiner Weise zugänglich und anderseits muss ein ausreichender Umfang vergleichbarer Daten verfügbar sein, um die Möglichkeit zu haben, darin ein belastbares Muster zu erkennen. Bei vielen Rechtsgebieten liegt mindestens eine dieser Voraussetzungen nicht vor.

Ein Rechtsgebiet, in dem beide Voraussetzungen für eine aussagekräftige Analyse vorliegen, ist der Grüne Bereich, welcher aus den gewerblichen Schutzrechten – Markenrecht, Patentrecht, etc. – und dem Urheberrecht besteht. Die einzelnen Gerichte erlassen wöchentlich mehrere Dutzend einstweiliger Verfügungen sowie eine Vielzahl von Urteilen, und die Registerämter, bei denen die eingetragenen Schutzrechte geprüft werden, entscheiden täglich über zahlreiche Anträge. Viele dieser gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen werden, abhängig von den nationalen Vorgaben, vollständig oder nur geringfügig geschwärzt veröffentlicht.

Patentprüfer sind auch nur Menschen

Vor diesem Hintergrund hat sich das Unternehmen Juristat auf die Analyse von Entscheidungen des US-amerikanischen Patent- und Markenamtes (USPTO) spezialisiert. Es kann nicht nur mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussagen, auf welchem Schreibtisch innerhalb der Behörde eine konkrete Anmeldung für ein Patent landen wird, sondern die Patentanwälte werden anschließend mit Analysen des Eintragungsverhaltens des konkreten Patentprüfers versorgt.

Mit diesem Wissen kann dann die Anmeldestrategie individuell angepasst werden. Nach eigenen Angaben verbessert sich die Wahrscheinlichkeit, das beantragte Patent zu erhalten, von durchschnittlich 68 Prozent auf über 78 Prozent, wenn der Anmelder den Analysebericht zur Optimierung der Anmeldung verwendet hat.

Zitiervorschlag

Nico Kuhlmann, Legal Analytics: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21568 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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