Kanzleien als Start-Ups: "Wir pro­bieren uns gern aus und machen ein­fach"

von Désirée Balthasar

20.04.2017

2/2: Start-Up-Feeling und Kunstgalerie

Der Gemeinschaftsgedanke ist auch bei der Kanzlei KTR in Leipzig stark ausgeprägt. So sehr, dass die beiden Gründer Kilian Springer und Tim Schneidewind sogar ihre Schreibtische räumen und ihr Kanzleibüro Künstlern überlassen, die dort ihre Werke ausstellen. "Freitags und samstags wird unsere Kanzlei zur Galerie", erklärt Springer das Konzept. "Dann bespielen die Künstler unsere Räume." Die beiden Anwalts-Schreibtische fallen kaum auf, Akten lagern in abschließbaren Räumen außer Sichtweite. "So begegnen wir unseren Mandanten auf Augenhöhe. Wenn diese unsere Kanzlei betreten, stehen sie nicht vor einem Empfangstresen, sondern mitten im offenen Ausstellungs- und Büroraum."

Ein anwaltliches Start-Up, das war ihre Vision. Ein Industrieloft mit zwei Schreibtischen und einer Playstation, sonst nichts. Doch das kam ihnen zu kahl vor, also entstand die Idee von Bildern, von wechselnden Bildern, also von Ausstellungen - und schließlich der Galerie. Und da Springer in früheren Jahren in der Kulturszene unterwegs war, spezialisierte er sich auf Kunst- und Urheberrecht. Gründungskollege Schneidewind blieb seinem Bereich Arbeitsrecht treu und ist zusätzlich im Kunst- und Medienrecht aktiv.

"Die Bank hat zuerst abgewunken. Wer eine Kanzlei gründen möchte, hat normalerweise keine Chance auf einen Kredit", erinnert sich Springer an die Anfangsphase. "Unser Business-Plan war vollgestopft mit neuen Ideen zum Online- und Offline-Marketing als Vertriebsweg. Der Schwerpunkt liegt auf Social Media und der Kunstgalerie als zentraler Ort für unser Netzwerk." Darüber hinaus hatte die Spezialisierung auf das Kunstrecht die Kreditgeber überzeugt.

Authentisches, spontanes Marketing

Mit dem Geldvorschuss in der Tasche konnten die beiden Anwälte ihr Galerie-Kanzlei-Konzept umsetzen. Die Mandatsakquise per Social Media läuft, sie filmen Live-Videos auf Facebook, sind auf Youtube, Tumblr und anderen Online-Kanälen vertreten. "Wir probieren uns gern aus und machen einfach. Manches funktioniert gut, anderes nicht. Dann lassen wir es wieder", sagt Gründungspartner Schneidewind. Unverbissen, authentisch und im direkten Dialog mit Interessenten ist das, was ihr Marketing von den ausgeklügelten Strategien etablierter Einheiten unterscheidet.

"Wir sprechen damit nicht nur junge Menschen an - erstaunlicherweise", fügt Schneidewind hinzu. "Auch ältere Mandanten, die eine andere Art der Rechtsberatung suchen, kommen zu uns." Die Freiheit, über die Arbeitsstrukturen allein zu entscheiden, nutzen die Kanzleipartner auch für die eigene Familienfreundlichkeit aus. Beide sind Väter und bringen ihre Kinder öfters mit ins Büro und richten sich flexibel nach den Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen. Sie möchten nicht, dass die Arbeitszeit ihren Tagesablauf bestimmt. Für sie ist es eben nur ein Faktor neben Familie und Freizeit.

Ein anderer Vorteil ist die berufliche Entscheidungsfähigkeit. "In einer kleinen Spezialeinheit wie der unseren setzen wir neue Ideen relativ rasch um. Als Angestellter in einer großen, behäbigen Kanzlei ist das nicht möglich", so Schneidewind. Für beide Anwälte steht die Freiheit im Vordergrund, für sie ein ursprünglicher Wesenszug, der freiberufliche Anwälte auszeichne. So ganz verstehen sie daher nicht, warum viele ihrer Altersgenossen in Angestelltenverhältnisse flüchten.

"Die Zukunft wird anders aussehen"

Momentan arbeiten Schneidewind und Springer daran, neben dem Kunstrecht das Thema Arbeiten 4.0 als Fokus herauszuarbeiten. Sie laden zu Talkrunden in ihre Kanzleiräume ein, organisieren Diskussionspanel mit Leipziger Coworking-Anbietern und bloggen dazu auf ihrer Webseite.

Die Zukunft der Anwaltschaft ist für Springer noch völlig offen: "Heute versucht man mit Legal Tech, die Anwälte überflüssig zu machen. Doch ich denke, dass die Zukunft anders aussehen wird." Er möchte auf Augenhöhe mit seinen Mandanten gemeinsam an einer Sache arbeiten und die Beratung wieder in den Mittelpunkt stellen. "Aktuell kann Legal Tech kaum mehr, als für einen einfacheren Zugang der Anwälte zu ihren Mandanten zu sorgen. Wir nutzen lieber Chatsysteme wie Slack mit unseren Mandanten oder richten diesen eigene Cloud-Zugänge ein." Für Springer und die anderen Gründer ist die Zukunft in jedem Fall digital, aber nicht gesichtslos.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Kanzleien als Start-Ups: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22681 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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