Gründung des Hamburger Vergabeinstituts: Wiederbelebung eines Rechtsgebiets

von Désirée Balthasar

04.05.2015

2/2: Die Rettung der Zunft?

Das Hamburger Vergabeinstitut (HVI), gegründet im März 2015, trägt also einen großen Berg Hoffnungen auf seinen jungen Schultern. Das eigene Fachpersonal stärken und sich von benachbarten Bereichen wie dem Baurecht abgrenzen, junge Berufseinsteiger mit einem Spezialtitel locken, die Billig-Konkurrenz abwehren, für Mandanten relevant bleiben - die Wunschliste der Initiatoren ist lang.

Die Besonderheit des HVI: Die Gründer haben sich über Kanzleigrenzen hinweg zusammengeschlossen, um für ihre Zunft zu kämpfen. Mit dabei sind Berater, die seit Jahrzehnten im Markt agieren: Prof. Heiko Höfler von Bird & Bird, der langjährige Taylor Wessing-Partner Dr. Klaus Willenbruch sowie Dr. Martin Schellenberg von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Mit dabei ist auch Kristina Wieddekind, ehemals Taylor Wessing-Vergaberechtlerin und heute in eigener Kanzlei in Hamburg tätig. Wieddekind soll HVI-Geschäftsführerin werden.

Der erste Schritt zur Rettung ihres Fachbereichs war die Durchsetzung des Fachanwalt-Titels. Dieser wurde am 16. März dieses Jahres  von der Bundesrechtsanwaltskammer beschlossen, insbesondere Höfler und Schellenberg betrieben dafür seit vielen Monaten Überzeugungsarbeit. Denn unumstritten ist der Fachanwalt für Vergaberecht nicht. So hörte man im Markt des Öfteren ein Stöhnen und die Meinung, dass man "so etwas" nicht brauche. Insbesondere erfahrene Berater erachten den Fachanwaltstitel als nicht notwendig.

Handlungsempfehlungen für die Öffentliche Hand

Doch nun ist er da, der Fachanwalt Vergaberecht, und die HVI-Gründer planen, ab Spätsommer dieses Jahres eine entsprechende Ausbildung anzubieten. Momentan werden geeignete Dozenten gesucht. Der Fachanwaltstitel soll vor allem Berufseinsteigern, jungen Anwälten oder auch Anwälten fernab der großen Wirtschaftszentren zur Profilschärfung dienen. Dass die Initiative aus großen Wirtschaftskanzleien entstanden ist, ist eher den persönlichen Beziehungen der Gründer zuzuschreiben als dass strategische Gründe dahinter stünden.

Doch nicht nur an ihre Anwaltskollegen, auch an die Öffentliche Hand sind die Projekte des HVI adressiert. "Wir planen, gemeinsam mit Wirtschaftsteilnehmern – etwa aus der Verwaltung – Leitlinien zu entwickeln", erzählt Heuking-Partner Schellenberg. "In den Leitlinien sollen die unübersichtlichen Regelwerke in konkrete Handlungsempfehlungen für Vergabeverfahren umgesetzt werden."

Einen Wegfall der anwaltlichen Beratung sieht Schellenberg damit nicht. "Unser Vorbild sind die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Hier sind medizinische Handlungsempfehlungen für Ärzte in Bezug auf einzelnen Krankheitsbilder aufgelistet." Auch potenzielle Mandanten sollen in das Institut gelockt werden. So planen die HVI-Gründer, für Vertreter der Öffentlichen Hand Fortbildungen anzubieten.

Ob die Hamburger Keimzelle es schafft, das Rechtsgebiet deutschlandweit wirklich wiederzubeleben, muss sich zeigen. Ein weiteres Ausbildungsinstitut im Meer der privaten Anbieter jedenfalls ist noch längst keine Revolution. Leitlinien zu formulieren, könnte dem HVI zu Profil verhelfen – aber nur, wenn sie von den Mandanten auch angenommen werden.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Gründung des Hamburger Vergabeinstituts: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15409 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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