Gründung des Hamburger Vergabeinstituts: Wiederbelebung eines Rechtsgebiets

von Désirée Balthasar

04.05.2015

Die Vergaberecht-Teams in den Wirtschaftskanzleien haben es zunehmend schwer. Baurechtler, Ingenieure und sogar die eigenen Mandanten machen ihnen Konkurrenz, Nachwuchsjuristen begeistern sich nicht unbedingt für die Materie. Um ihr Rechtsgebiet zu retten, geht eine Gruppe Hamburger Vergaberechtler einen ungewöhnlichen Weg: Kanzleiübergreifend gründen sie ein eigenes Institut.

300 Milliarden Euro im Jahr, mindestens. Auf diese Summe beziffert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das Beschaffungsvolumen in Deutschland. 300 Milliarden gibt die Öffentliche Hand im Jahr für neue Büromöbel, IT-Infrastruktur, Architektur- oder Marketingleistungen aus. Vergaberechtler begleiten die Kommunen und Behörden bei den Einkäufen von Gütern und Dienstleistungen, insbesondere wenn das Volumen die Schwellenwerte übersteigt und öffentlich ausgeschrieben werden muss. Doch was jahrelang eine lukrative Einkommensquelle für Kanzleien war, hat sich grundlegend gewandelt.

Denn zunehmend führen die öffentlichen Auftraggeber einfache Ausschreibungsverfahren selbst durch. Mit Commodity-Beratung, also der Durchführung von standardisierten Vorgängen bei öffentlichen Ausschreibungen, lässt sich in Kanzleien heute kaum noch Geld verdienen.

Dabei haben die Vergaberechtler ihre Mandantschaft selbst emanzipiert. Mit Schulungen, Workshops und Infoveranstaltungen professionalisierten sich Behörden und Kommunen so weit, dass sie heute etwa in der Lage sind, Teilnahmewettbewerbe eigenständig durchzuführen. Aus diesem Grund werden Vergaberechtler vermehrt nur noch für komplexe Vorgänge beauftragt, wie etwa bei der jüngsten Herkules-Ausschreibung der Bundeswehr mit einem Volumen von mehr als vier Milliarden Euro.

Konkurrenz von vielen Seiten

Das Commodity-Geschäft brach auch weg, weil neue und günstigere Akteure im Markt auftauchten. Ingenieursgesellschaften übernehmen vermehrt die Betreuung von Vergabeverfahren von Bauprojekten für die Öffentliche Hand - aus Sicht der Kanzleien zu Dumpingpreisen, bei denen sie nicht mithalten können.

Hinzukommen die erstarkten Rechtsberatungsarme der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaften. So verfügen KPMG Law und PwC Legal längst über beste Kontakte zur öffentlichen Hand und gewinnen immer lukrativere Aufträge.

Auch die Baurechtler, die oft Vergabe- und baurechtliche Beratung aus einer Hand anbieten, erweisen sich als hartnäckige Konkurrenten. Letztlich beschäftigt auch der ausbleibende Nachwuchs die Vergaberechtler.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Gründung des Hamburger Vergabeinstituts: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15409 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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