Die Frauenquote im Richteramt ist hoch – jedenfalls bei staatlichen Gerichten. Schiedsgerichte hingegen sind extrem von Männern dominiert. Eine Initiative will das ändern.
Wer in Deutschland vor Gericht zieht, hat gute Chancen, dass sein Fall von einer Richterin statt von einem Richter verhandelt wird: Bei den Amtsgerichten gibt es nahezu gleich viele Frauen wie Männer, und selbst auf Ebene der Bundesgerichte liegt die Frauenquote noch zwischen 27 und 39 Prozent.
Doch viele Streitigkeiten landen bekanntlich nie vor staatlichen Gerichten. Egal, ob in Deutschland, Finnland oder den Niederlanden: Besonders in großen Wirtschaftsverfahren wird oft durch private Schiedsgerichte entschieden, über deren Verfahrensregeln und Besetzung die Parteien selbst bestimmen.
Und wer die freie Wahl über seinen Richter hat, der wählt augenscheinlich lieber einen Mann: Nach einer Untersuchung der Initiative "The Pledge" wurden Frauen im Jahr 2010 nur in etwa zehn Prozent der Verfahren als Schiedsrichterinnen gewählt.
Wer keine Erfahrung hat, kann auch keine sammeln
Dass der gesellschaftliche Sinneswandel gerade in diesem Bereich kaum ins Rollen kommt, mag mit den besonderen Anforderungen der Mandanten zu tun haben: "Schiedsrichter werden üblicherweise anhand ihrer bisherigen Erfahrungen gewählt; wenn man bislang keine hat, kann der Einstieg deshalb besonders schwer sein", sagt Sylvia Noury, Partnerin bei Freshfields und eine der Initiatorinnen von "The Pledge" gegenüber der Global Arbitration Review.
Tatsächlich ist die Ernennung zum Schiedsrichter eine Entscheidung von großer wirtschaftlicher Tragweite, die nach ähnlich rigiden Maßstäben verläuft wie beispielsweise die Wahl in den Aufsichtsrat oder die Ernennung zum Partner einer Kanzlei – zwei Felder, die gleichfalls für ihre notorische Unterrepräsentierung von Frauen bekannt sind.
In den wenigen Fällen, in denen Frauen zu Schiedsrichterinnen ernannt wurden, geschah dies nach der Auswertung denn auch durch eine der etablierten Schiedsinstitutionen wie ICSID oder LCIA, und nicht durch direkte Wahl einer der beiden Parteien.
Selbstverpflichtung für Konzerne, Kanzleien und Institutionen
Um die Quote zu steigern, haben Noury und etliche weitere Mitglieder der Schiedsszene mit "The Pledge" eine Selbstverpflichtung für Anwälte, Schiedsinstitutionen, Unternehmen und andere geschaffen. Sie sollen Frauen in Zukunft stärker berücksichtigen – sowohl bei der Wahl zu Schiedsrichterinnen als auch bei vorgelagerten Entscheidungen, beispielsweise der Besetzung von Expertengremien u.ä., die einen Kandidaten für seine spätere Ernennung empfehlen. Vor ihrem öffentlichen Start hatte die Initiative bereits 260 Unterschriften gesammelt – darunter etwa die Ölkonzerne Shell und BP und die Schiedsinstitution ICC.
Der "Pledge" sieht keine festen Quoten vor und stellt sämtliche enthaltenen Absichtserklärungen – etwa auch zur Veröffentlichung von Statistiken über die Benennung männlicher und weiblicher Schiedsrichter – unter den Vorbehalt eines "wenn immer möglich". Dennoch verspricht Noury sich davon ein Umdenken: "Man kann so ein kritisches Bewusstsein wecken. Ich hoffe, dass es bald überraschend sein wird, ein Schiedstribunal ohne Frau zu sehen, statt umgekehrt."
Constantin Baron van Lijnden, Initiative für Schiedsgerichte: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19426 (abgerufen am: 06.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag