Inhouse-Juristinnen: "Frauen müssen aus ihrer Kom­fort­zone raus"

Interview von Désirée Balthasar

26.01.2017

3/3 "Karriere geht auch von rechts nach links"

LTO: Wie motivieren Sie diejenigen, denen Sie keine Führungsposition anbieten können?

Nett: Ich würde meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufzeigen, welche Wege sie außerdem nehmen könnten. Beispielsweise könnten Juristen außerhalb des Legal Departments Erfahrungen sammeln, etwa im operativen Business. Dieser Schritt wäre möglicherweise zunächst ein seitlicher, nicht einer, der direkt nach oben führt. Und dennoch befähigt er dazu, später eventuell eine Führungsposition zu übernehmen, beispielsweise im General Management.

Dahlbender: Karriere bedeutet eben nicht nur, sich von unten nach oben zu arbeiten. Karriere geht auch von nach rechts und links. Man könnte die Abteilung wechseln, in andere Länder gehen oder neue Verantwortlichkeiten übernehmen. Die eigene Karriere soll vor allem zum eigenen Leben passen. Dafür ist es wichtig, zu hinterfragen, ob das, was ich gerade mache, so interessant ist, dass es mich die nächsten Jahre noch motiviert.

Der Chefposten per Kusshand?

LTO: Frau Nett, was wäre passiert, hätten Sie damals die Stelle der Rechtsabteilungsleiterin abgelehnt?

Nett: Ich hätte wohl über kurz oder lang versucht, meinen Horizont auf andere Weise zu erweitern. Vielleicht wäre ich in den Vertrieb oder das Risikomanagement gewechselt. Der eigene Antrieb ist wichtig. Ich versuche auch, Möglichkeiten zu nutzen, den richtigen Leuten meine Fähigkeiten zu zeigen. Im Dornröschenschlaf zu verweilen, bis mir per Kusshand der Chefposten überreicht wird – das ist einfach unrealistisch.

Dahlbender: Inhouse-Counsel sind ja oft sehr treu. Auch ich bin in meinem vorherigen Unternehmen groß geworden und fühlte mich sehr wohl. Aber das Angebot eines Headhunters war doch so attraktiv, dass ich mich entschlossen habe, diesen Weg zu gehen – und habe es auch nicht bereut! Klar, war ich etwas nervös.

Obwohl die inhaltliche und fachliche Arbeit kein Problem darstellte, galt es doch, sich auf neue Menschen und eine andere Unternehmenskultur einzulassen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es mich enorm weitergebracht hat und mich flexibler gemacht hat. Daher rate ich jedem: Geht raus und wechselt auch mal das Unternehmen!

Die Leistung sollte zählen, nicht das Geschlecht

LTO: Wie sähe das ideale Arbeitsumfeld aus, in dem Frauen und Männer dieselben Chancen auf Aufstieg haben?

Nett: In wirklich meritokratischen Unternehmen, wo allein die Leistung zählt, hat das Geschlecht eine untergeordnete Bedeutung. Daher ist es wichtig, dass gute Leistung honoriert und schlechte Leistung in gewissem Maße sanktioniert wird. So dass es sich wieder lohnt, sich anzustrengen. Außerdem sollte man den Mitarbeitern die Möglichkeiten geben, sich weiterzuentwickeln und die eigene Karriere in die Hand zu nehmen. Auch eine vernünftige Fehlerkultur ist wichtig. Nur so können Menschen Eigeninitiative entwickeln und sich trauen, Neues auszuprobieren.

Dahlbender: Natürlich sollten Unternehmen für Transparenz sorgen oder Trainings und Coachings anbieten. Das Problem ist jedoch, dass sich die meisten Menschen zu wenig zutrauen. Die eigene Einstellung ist dabei sehr wichtig. Mein Appell an alle wäre, mehr Spaß daran zu haben, sich beruflich weiterzuentwickeln. Mehr Mut zur Veränderung, mehr Mut zum Unbekannten!

Christiane Dahlbender (47), Associate General Counsel der Mars GmbH. Zuständig für Europa, Deutschland und die Niederlande. Zuvor baute sie für Sara Lee die Rechtsabteilung auf und arbeitete dort knapp 14 Jahre lang.

Dr. Cornelia Nett (42), General Counsel der TARGO Commercial Finance AG. Nett leitet ein Team von zehn Mitarbeitenden und war zuvor rund zehn Jahre bei GE Capital. Sie gründete den Mentoring-Verein Power of Two gemeinsam mit Kolleginnen aus anderen Unternehmen.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Inhouse-Juristinnen: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21898 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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