In Unternehmen stellen Juristinnen lediglich 13 Prozent der General Counsel. LTO sprach mit zwei Rechtsabteilungsleiterinnen darüber, warum viele Frauen den nächsten Skiurlaub besser planen als ihre Karriere. Und was dagegen helfen könnte.
LTO: In Kanzleien stagniert der Anteil der Frauen unter den Vollpartnern bei zehn Prozent. Viele Anwältinnen gehen deshalb in Rechtsabteilungen, weil sie auf bessere Bedingungen hoffen. Sind die Karrierechancen in Unternehmen tatsächlich besser?
Christiane Dahlbender: Sicherlich steht hinter einem solchen Schritt oft der Wunsch, flexibler zu arbeiten. Doch ehrlich gesagt: Schneller Karriere macht man in einem Unternehmen nicht unbedingt. Nicht alle Rechtsabteilungen bestehen aus zehn Karrierestufen, die Spitzenpositionen sind überschaubar.
Dr. Cornelia Nett: In Rechtsabteilungen gibt es mehr Freiheiten, bezogen auf die Arbeitsgestaltung. Doch man macht auf andere Art Karriere. In einer Kanzlei reicht harte Arbeit, dort ist der Leistungsgedanke stärker ausgeprägt. Im Gegensatz dazu kommt in Unternehmen nur voran, wer auch die Politik versteht. Man muss die Organisationsstruktur kennen und nutzen können. Die reine Arbeitsleistung ist hier nur eine Komponente auf dem Karriereweg.
Das Unternehmen und seine Spielregeln kennenlernen
Dahlbender: Unternehmen funktionieren tatsächlich vielschichtiger. Da gilt es, Tendenzen mitzubekommen und die richtigen Kontakte zu knüpfen. Außerdem ist ein derartiges System weniger kalkulierbar, denn wenn Positionen neu besetzt werden, muss man sich neu orientieren.
LTO: Wenn man die Führungsebene der Rechtsabteilungen betrachtet, sitzen dort auf 87 von 100 Chefposten Männer. Haben sie einfach die besseren Kontakte und netzwerken effektiver?
Nett: Frauen sind einfach nicht geübt darin und machen es nicht gern. Es liegt uns fern, auf persönlicher Ebene Verbindungen zu knüpfen, die nichts mit Arbeit zu tun haben. Selbst wenn wir zum Golfen oder abends in die Bar gehen – dann mit Freunden, nicht mit Kollegen. Doch je höher man in der Hierarchie kommt, desto wichtiger wird es.
Dahlbender: Ein Unternehmen ist wie ein Organismus. Dort entstehen ständig neue Situationen, auf die man sich einstellen muss. Frauen scheuen sich häufig, außerhalb der Arbeit Zeit in ihre Karriere zu investieren. Sie fordern diese Zeit nicht ein. Die ist allerdings Voraussetzung dafür, den Organismus und seine Spielregeln kennenzulernen.
Die Kinderfrage bleibt wichtig
LTO: Warum ist es bei Frauen immer noch relevant, ob sie Kinder haben? Bei Männern scheint es für die Karriere keine Rolle zu spielen.
Nett: Das ist tatsächlich ein großes Problem. Wenn Männer Kinder haben, wirkt sich das bei ihnen kaum aus. Sie haben weniger Einschränkungen, was die Reisetätigkeit oder außerarbeitszeitliche Aktivitäten wie Veranstaltungen oder gesellschaftliche Anlässe angeht. Sie machen das einfach. Frauen hingegen arbeiten tagsüber und haben das Gefühl, sich abends um die Kinder kümmern zu müssen.
LTO: Ist das eine Generationenfrage?
Dahlbender: Ja, Jüngere denken anders. Nicht nur, was die Rollenverteilung angeht, sondern sie haben auch eine andere Vorstellung vom Berufsleben. Frauen möchten das Wissen einsetzen, das sie erlernt haben. Männer möchten sich verstärkt um ihre Familie kümmern. Wenn diese Bedürfnisse gemischt werden, kann jeder tun, was er oder sie möchte. Das beobachte ich zumindest in meinem Umfeld, in der Lebensmittelbranche.
LTO: Gilt dies auch für die Finanzwelt, Frau Nett?
Nett: Nicht im gleichen Maße. Ich beobachte zwar zarte Anzeichen der Veränderung, mehr aber nicht. Für Männer ist es schon schwierig genug, überhaupt einen Monat Elternzeit zu verhandeln. Viele wollen zwar mehr Familienleben, aber gleichzeitig lasten historische Erwartungshaltungen auf den Männern. Damit kämpfen sie so wie wir Frauen, die als gleichberechtigte Arbeitspartnerinnen wahrgenommen werden wollen.
Désirée Balthasar, Inhouse-Juristinnen: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21898 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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