Flexible Arbeitsstrukturen: Fünf Mythen der Teil­zeit­part­ner­schaft

von Désirée Balthasar

23.03.2017

Mythos 4: In Teilzeit kann man weder akquirieren noch verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen.

Dieses Vorurteil äußert sich oft subtil. Viele Teilzeit-Anwältinnen berichten davon, dass sie nach dem Wiedereinstieg auf bessere Sachbearbeiterinnen-Stellen abgeschoben werden und ihnen keine verantwortungsvollen Mandate mehr übertragen werden.

Die JBB-Partner hatten mit Böcker andere Pläne. Denn sie war nach wie vor auf Partnertrack, wenn auch mit reduzierter Stundenzahl. "Ich war nie ganz weg. Selbst in den ersten Wochen nach der Geburt las ich weiterhin Emails und mir war schnell klar, ich wollte zügig zurückkommen", sagt Böcker. "Das hatte zu kleineren Teilen finanzielle Gründe, aber vor allem hatte ich viel Spaß an meinem Job und wollte nicht komplett aussteigen. Ich wollte ja weiterhin Partnerin werden."

Die IT-Rechtlerin stieg nach sechs Monaten wieder mit 15 Stunden ein und steigerte kontinuierlich ihre Arbeitszeit. Heute liegt diese bei 80 Prozent. Meistens verbringt sie den Nachmittag mit ihrer Tochter und setzt sich abends erneut an den Schreibtisch.

Sowohl die Akquise als auch normale Mandatsbearbeitung verlaufe nicht anders als bei einer Vollzeitposition. Sie hält weiterhin Vorträge, nimmt an Diskussionsrunden teil oder wird empfohlen. "Die wenigsten zahlungskräftigen Mandanten findet man nachts an der Bar", fügt Böcker augenzwinkernd hinzu. "Doch eine Sache hat sich natürlich geändert: Seitdem ich Partnerin bin, fühle ich mich noch mehr für die Kanzlei verantwortlich."

Mythos 5: Die Anwaltschaft ist ein konservativer Berufsstand mit großer Wertschätzung für Traditionen. Teilzeit passt einfach nicht dazu.

Der Konservativismus ihrer Branche, der offen vor sich hergetragen wird, lässt Böcker relativ ratlos zurück. Eine klassische Henne-Ei-Situation: "Entweder Menschen mit einem konservativen Charakterzug suchen sich den Anwaltsberuf aus, oder wir werden im Studium und in den ersten Berufsjahren dorthin getrimmt", denkt sie laut nach. "Doch es gibt viele Ausnahmen, wenn man genauer hinschaut."

Solche Ausnahmen scheinen sich bei JBB zu häufen. Denn Böckers männliche Partnerkollegen bezeichnen sich stolz als Feministen. "Und zwar positiv, im besten Sinne des Wortes. Für sie bedeutet es, dass sie Gleichberechtigung unterstützen, auch für Männer." Es werde nicht nach dem Geschlecht unterschieden, sondern danach, ob eine Person das eigene Kind um 16 Uhr von der Kita abholen muss. Egal, ob Vater oder Mutter.

In einer solchen Konstellation liegt ein große Potenzial, nämlich dass auch Männer und Väter von der gelebten Gleichberechtigung profitieren. Denn der Trend zu längerer Elternzeit für Väter und echter Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft alle Branchen - und somit auch Kanzleien. Für Böcker ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dann verwirklicht, wenn die klassische Arbeit-Freizeit-Grenze verschwimmt und sie selbst entscheiden kann, wann und wo sie arbeitet.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Flexible Arbeitsstrukturen: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22455 (abgerufen am: 12.11.2024 )

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