Am Dienstag erreichte das erste Cum-Ex-Verfahren den BGH. Er verhandelte über die Revisionen zweier Londoner Börsenhändler gegen die Urteile des LG Bonn. Beide waren im März 2020 zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden.
Am Dienstag verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals zur Strafbarkeit von "Cum-Ex"-Aktiengeschäften (Az. 1 StR 519/20). Es ging um die Revisionen zweier vom Landgericht (LG) Bonn zu Bewährungsstrafen verurteilter Londoner Börsenhändler. Das Urteil soll am 28. Juli 2021 verkündet werden, sagte der Senatsvorsitzende nach der Hauptverhandlung in Karlsruhe.
Mit Cum-Ex-Deals hatten Investoren, Banken und Aktienhändler den deutschen Fiskus über Jahre um etliche Milliarden Euro geprellt. Dabei wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch um den Stichtag hin- und hergeschoben. Für diese undurchsichtigen Transaktionen ließen sich die Beteiligten Kapitalertragssteuer erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Möglich machte das eine Gesetzeslücke, die erst 2012 geschlossen wurde. Die komplexen Vorgänge sind mittlerweile in zahlreichen Verfahren bei Staatsanwaltschaften und Strafgerichten gelandet.
Die Entscheidung des LG Bonn, um die es am Dienstag beim BGH ging, war das erste Strafurteil zu den umstrittenen Aktiendeals (Urt. v. 18.03.2020; Az. 62 KLs 1/19). Das LG Bonn hatte zwei Londoner Börsenhändler zu Bewährungsstrafen verurteilt. Beide hatten für die inzwischen liquidierte Finanzberatung Ballance gearbeitet, die im Cum-Ex-Skandal eine zentrale Rolle spielte.
Angeklagten dachten, sie hätten nichts Strafbares getan
Einer der Angeklagten war damals wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem weiteren Fall zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Zudem muss er rund 14 Millionen Euro an Steuerschulden zurückzahlen. Dagegen hatte er Revision eingelegt.
Der zweite Angeklagte war wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch hier war die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden. Mit seiner Revision wendete er sich gegen die Verurteilung insgesamt.
Beide hatten beteuert, sie hätten nie gedacht, etwas Strafbares zu tun.
Die Bonner Richterinnen und Richter hatten den Angeklagten hoch angerechnet, dass sie den Ermittlern ausführlich die Geschäftspraktiken erläutert und so neue Verfahren angestoßen hatten. Auch die Staatsanwaltschaft hatte keine höheren Strafen gefordert: Denn der "größte Steuerraub der deutschen Geschichte" sei nicht von zwei Menschen, sondern von Hunderten begangen worden.
BGH-Urteil zentral für strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals
Zur Verhandlung am Dienstag erschien keiner der verurteilten Aktienhändler. Die Karlsruher Richterinnen und Richter ließen in der rund zweieinhalbstündigen Verhandlung keine Tendenz erkennen.
Die Bundesanwaltschaft, die am BGH anstelle der ursprünglich anklagenden Staatsanwaltschaft auftritt, hält beide Revisionen im Wesentlichen für unbegründet und strebt nur kleine Korrekturen an. Das Karlsruher Urteil werde zentrale Wegweisungen für die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals liefern, die noch in den Anfängen stecke, sagte ihr Vertreter, Oberstaatsanwalt Thomas Heise.
Warburg-Bank wehrte sich gegen Einziehung von 176 Millionen Euro
Der BGH hat auch darüber zu entscheiden, ob die in den Skandal verwickelte Privatbank M.M. Warburg 176 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen muss. Das hatte das LG Bonn angeordnet. Die Bank hält das für ungerechtfertigt und hatte Revision eingelegt. Sie hat inzwischen die Steuernachforderungen beglichen, geht gegen die Bescheide des Finanzamts und die Einziehungsanordnung aus Bonn aber rechtlich vor.
Ursprünglich war es im Bonner Prozess noch um vier andere Banken gegangen. Infolge der Corona-Pandemie hatte das LG den Komplex allerdings abgespalten.
Warburg-Anwalt Ali Norouzi äußerte nach der Verhandlung, die beiden Angeklagten hätten auf eigene Rechnung gehandelt, "nicht für die Bank", heißt es in einer Mitteilung der dpa. Außerdem seien die Ansprüche aus einem Teil der Geschäfte zwischen 2007 und 2009 steuerrechtlich verjährt. Eine Einziehungsentscheidung komme deshalb nicht in Betracht.
Das sieht die Bundesanwaltschaft anders. Das gesamte Geschäftsmodell von Cum-Ex beruhe auf einem arbeitsteiligen Agieren einer Vielzahl von Marktteilnehmern, sagte Heise gegenüber der dpa, insoweit seien alle Beteiligten an dieser Steuerhinterziehung strafrechtlich relevant beteiligt.
Das letzte Wort wird der BGH am 28. Juli 2021 haben.
dpa/fkr/LTO-Redaktion
Strafverfahren zu Aktiendeals erstmals vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 15.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45215 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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