Im nunmehr zweiten Jahr müssen britische Kanzleien mit mehr als 250 Mitarbeitenden offenlegen, wie hoch das Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern ist. Das soll Transparenz in Sachen Equal Pay bringen – ist aber nicht unumstritten.
Am Montag ist Equal Pay Day – der Aktionstag will auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen aufmerksam machen. Er findet in diesem Jahr am 18. März statt, weil das der Tag ist, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Die Veranstalter gehen dabei von einer Lohnlücke von 21 Prozent aus, wie es das Statistische Bundesamt berechnet hat. In den großen britischen Wirtschaftskanzleien könnte man auch leicht berechnen, wann der Equal Pay Day ist – vermutlich irgendwann im Herbst.
Seit dem vergangenem Jahr müssen in Großbritannien alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden einen "Gender Pay Gap Report" veröffentlichen, in dem sie die Gehaltslücke zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden offenlegen. Und dies trifft auch eine ganze Reihe von internationalen Wirtschaftskanzleien, die oft in London ihren Hauptsitz haben.
2018 hat noch jede einzelne Veröffentlichung eines solchen Berichts einen immensen Wirbel in den britischen Branchenmedien verursacht. Inzwischen haben die ersten Sozietäten die zweite Auflage der Reports eher geräuschlos veröffentlicht. Wobei "veröffentlichen" das falsche Wort ist, denn die Berichte sind sehr gut auf den Websites der Kanzleien versteckt und teils nur mühsam zu finden.
Gehaltsgefälle von über 60 Prozent…
Als eine der ersten Kanzleien des Magic Circle – der fünf umsatzstärksten Kanzleien in London – hat Allen & Overy die Zahlen für 2018 bereits publiziert. Die Kanzlei weist eine Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen von durchschnittlich 61,2 Prozent aus - bezieht man alle Equity-Partner und alle Angestellten ein, also von der Anwältin bis zum Sekretär.
Im Klartext: Männer verdienen bei Allen & Overy im Schnitt satte 61,2 Prozent mehr als Frauen. Im Vorjahr lag der "Pay Gap" sogar bei 65 Prozent. Der Mittelwert liegt bei 39 Prozent (Vorjahr: 42,1 Prozent). Der Durchschnitt bzw. arithmetische Mittelwert bezeichnet die Summe aller Gehälter geteilt durch die Anzahl aller Mitarbeitenden. Um den Mittelwert oder Median zu bestimmen, werden die Gehälter der Größe nach sortiert. Der Mittelwert ist in der Liste dann derjenige Wert, der genau in der Mitte steht. Er gilt bei Gehaltsstatistiken als aussagekräftiger als der Durchschnitt, weil Ausreißer nicht so stark ins Gewicht fallen.
Doch ob 61,2 oder 39 Prozent - solche Zahlen lassen jeden Gleichstellungsbeauftragten vor Schreck vom Stuhl fallen. Tatsächlich zeigt sich aber hier exemplarisch eine statistische Unschärfe, die sich in den Angaben zu dem Gehaltsgefälle verbirgt.
… aber nur auf den ersten Blick
Allen & Overy schlüsselt die Daten weiter auf. Und werden die Partner nicht in die Berechnung einbezogen, ergibt sich ein völlig anderes Bild: Bei den angestellten Anwälten – Allen & Overy unterteilt sie in "Senior Lawyers" und "Lawyers" – haben die Männer im vergangenen Jahr im Durchschnitt 2,6 bzw. 0,9 Prozent mehr verdient als die Frauen. Im Mittelwert waren es 5,8 bzw. 0,0 Prozent. Das Geschlechterverhältnis in diesen Gruppen ist in etwa ausgewogen.
Der "Pay Gap" bei den Partnern liegt dagegen bei 15,9 Prozent im Durchschnitt und 23,5 Prozent im Mittelwert (Vorjahr: 19,7 Prozent bzw. 20,0 Prozent) zugunsten der Männer. Dies liege daran, dass überdurchschnittlich viele Männer Partner seien und zudem innerhalb der Partnerschaft auf höheren Hierarchiestufen stünden, begründet Allen & Overy. Daher sei - statistisch betrachtet - die Vergütung der Partnerinnen viel tiefer. Der Männeranteil in der britischen Partnerschaft von Allen & Overy liegt bei 80 Prozent.
Im vergangenen Jahr haben rund 75 Prozent der Männer und fast 80 Prozent der Frauen bei Allen & Overy einen Bonus erhalten. Allerdings haben die Männer im Durchschnitt 45,3 Prozent bzw. im Mittelwert 28 Prozent mehr bekommen als die Frauen. Grund sei, so die Kanzlei, dass mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten und daher der Bonus, der im Verhältnis zur Arbeitszeit bezahlt wird, niedriger ausfällt.2
Bei den Wettbewerbern sieht es nicht besser aus
Die nackten Zahlen sehen für die Frauen bei Allen & Overy nicht gut aus – und bei den Wettbewerbern ist es nicht anders. Auch Linklaters hat den Gender Pay Gap Report für 2018 schon veröffentlicht. Hier liegt die Gehaltslücke inklusive der Partner bei 61,1 Prozent im Durchschnitt und bei 37 Prozent im Median (Vorjahr: 60,3 Prozent bzw. 44,2 PRozent). Rechnet man die Partner heraus, verbleibt ein Gefälle von durchschnittlich 20,8 Prozent und im Mittelwert 33,9 Prozent (Vorjahr: 23,2 Prozent und 39,1 Prozent).
Wie auch bei Allen & Overy haben bei Linklaters mehr Frauen einen Bonus erhalten als Männer, jedoch lag die Zahlung bei den Männern im Durchschnitt um 55,3 Prozent höher als bei den Frauen (Mittelwert: 30,8 Prozent).
Die Kanzlei begründet das Gefälle bei Lohn und Bonus mit der Zusammensetzung der Mitarbeitenden. "Wir haben mehr Männer auf den höchsten Hierarchieebenen und einen höheren Anteil an Frauen in Sekretariats- und Junior-Business-Team-Positionen", schreibt die Kanzlei in dem Bericht. Zwar sei die Vergütung im Marktvergleich wettbewerbsfähig, jedoch führe schon allein die Tatsache, dass so viele dieser Positionen von Frauen besetzt seien, dazu, dass die Durchschnittsgehälter und Boni von Frauen in der Kanzlei tiefer seien als die der Männer.
Die anderen Kanzleien des Magic Circle – Freshfields Bruckhaus Deringer, Clifford Chance und Slaughter and May – haben bislang noch keine Gender Pay Gap Reports für 2018 veröffentlicht; der Stichtag ist Anfang April.
Überdurchschnittlich viele Männer in den Chefetagen
Im Vorjahr hatte Freshfields eine Gehaltslücke aller Mitarbeitenden von durchschnittlich 14 Prozent zugunsten der Männer gemeldet. Anwältinnen dagegen haben im Durchschnitt sechs Prozent weniger als die Anwälte verdient. Der Bonus Gap lag im Durchschnitt bei 41 Prozent und im Mittelwert bei 33,3 Prozent. Rund 65 Prozent der Frauen erhielten einen Bonus, aber nur knapp 60 Prozent der Männer. Warum mehr Frauen als Männer die Bonuszahlung bekommen, ist den Gender Pay Gap Reports von Freshfields, Linklaters und Allen & Overy nicht zu entnehmen.
Clifford Chance publizierte für 2017 eine Gehaltslücke zwischen den weiblichen und männlichen Associates von knapp vier Prozent (Median: 5 Prozent). Die männlichen Clifford-Partner verdienten im Durchschnitt 27 Prozent mehr als die weiblichen, der Median lag sogar bei 46 Prozent. Insgesamt ergibt sich ein Lohngefälle von durchschnittlich 66,3 Prozent und 43,6 Prozent im Mittelwert.
Slaughter and May, einzige Kanzlei des britischen Magic Circle, die keinen deutschen Standort hat, gab einen "Pay Gap" inklusive der Partner von durchschnittlich 61,8 Prozent bzw. 41,6 Prozent im Mittelwert an. Exklusive der Partner beträgt das Gehaltsgefälle dagegen 14,3 Prozent, im Mittelwert dagegen 38,5 Prozent. Bezieht man nur die Associates ein, zeigt sich, dass bei Slaughters die angestellten Anwältinnen sogar etwas mehr verdienen als die Männer: im Durchschnitt 2,1 Prozent bzw. 0,8 Prozent im Mittelwert.
Sowohl Freshfields als auch Clifford und Slaughters begründen das Gefälle damit, dass vorwiegend Frauen in den Sekretariaten arbeiten, während Männer in den oberen Hierarchieebenen besonders stark vertreten seien. So betonte Slaughters, dass es seine Partner nach den Jahren der Zugehörigkeit zur Partnerschaft vergüte - und derzeit gebe es viele ältere männliche Partner. Der Frauenanteil in der britischen Partnerschaft der Kanzlei liegt bei 24 Prozent. Dagegen ist das Sekretariat der Top-Kanzlei zu hundert Prozent weiblich.
Frauenjob Sekretariat
Als die großen britischen Unternehmen ihre Gender Pay Gap Reports im vergangenen Jahr erstmals veröffentlichen mussten, gab es viel Kritik an der Regelung. Insbesondere wurde bemängelt, dass die Daten nicht zwischen den einzelnen Berufen und Qualifikationen unterscheiden.
Tatsächlich muss in den Berichten nicht differenziert werden, ob es sich bei den Angestellten um langjährigen Partner, junge Associates oder um Mitarbeitende in den Sekretariaten bzw. den Business-Services-Abteilungen handelt. Auch muss nicht zwischen Voll- und Teilzeitkräften unterschieden werden, was die Datenlage weiter verzerrt. Somit würden die Daten eben genau nicht offenlegen, ob Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit ein niedrigeres Gehalt haben als Männer, lautete die Kritik.
Allerdings haben die meisten Kanzleien ihre Daten auf Vollzeitäquivalente (FTE, Full Time Equivalents) umgerechnet, und sie haben sich auch dazu entschlossen, die Pay Gaps in den einzelnen Berufsgruppen aufzuschlüsseln - wohl schon aus eigenem Interesse, denn ein Pay Gap von 60 Prozent und mehr dürfte auf Bewerberinnen nicht sehr attraktiv wirken.
Die Gender Pay Gap Reports legen nur begrenzt offen, was sie eigentlich sollen, nämlich die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. Eines zeigen sie aber mehr als deutlich: Die Männer haben in den Kanzleien die bestbezahlten Jobs. Arbeitet eine Frau in einer Sozietät, ist es am wahrscheinlichsten, dass sie Sekretärin ist – und nicht etwa Managing Partnerin. Wollen die Kanzleien also etwas unternehmen, um die Gehaltslücke zu schließen, müssen sie vor allem eines tun: Den Anteil der Frauen in Spitzenpositionen erhöhen.
Kanzleien in Großbritannien: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34427 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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