Die politische Großwetterlage lässt auch den Markt für Fusionen und Übernahmen nicht unbeeindruckt. Laut der neuen M&A-Studie von CMS nimmt die Risikobereitschaft der Käufer spürbar ab, während Verkäufer zunehmend unter Verkaufsdruck stehen.
"Die Ergebnisse spiegeln die politische Unsicherheit durch den Brexit und die ungewissen Wahlausgänge in Frankreich, Holland und dem wichtigen Markt Deutschland wider", meint Stefan Brunnschweiler, Leiter der weltweiten Corporate/M&A-Gruppe von CMS. Zwar sei die Anzahl der Transaktionen 2016 sehr hoch geblieben, doch agierten Käufer zunehmend vorsichtiger: Sie nehmen insgesamt weniger Risiken in Kauf. Demgegenüber stünden Verkäufer, die im Rahmen von Nachfolgeregelungen, Reorganisationen oder auch Notsituationen verkaufen müssen.
Mit der Studie, die zum neunten Mal durchgeführt wurde, hat CMS mehr als 3.200 eigene in Europa betreute Transaktionen von nicht börsennotierten öffentlichen und privaten Unternehmen ausgewertet. Der Fokus lag dabei auf 443 Transaktionen aus dem Jahr 2016, welche mit 2.045 Deals aus den Jahren 2010 bis 2015 verglichen wurden. Aus Sicht der Studienautoren zeigen die Ergebnisse, dass ein größeres Restrisiko auf die Verkäufer übergeht. Der seit 2010 zu verzeichnende Trend zugunsten der Verkäufer hat sich damit umgekehrt.
Viele Earn-out-Regelungen
In Anbetracht der ungewissen Zukunftsaussichten einerseits und der hohen Unternehmensbewertungen andererseits waren beispielsweise Earn-out-Regelungen 2016 sehr beliebt, stellten die CMS-Autoren fest. Der Earn-out ist ein Mechanismus, bei dem ein Teil des Kaufpreises von der zukünftigen Entwicklung des Zielunternehmens abhängt. Sowohl die Zukunftschancen als auch das Risiko nach Erwerb des Zielunternehmens werden damit von Verkäufer und Käufer gemeinsam getragen.
Der Anteil der Transaktionen mit einer solchen Komponente erreichte europaweit einen neuen Höchstwert von 22 Prozent. In Deutschland lag der Anteil wie schon im Vorjahr bei 25 Prozent. In Südeuropa, Benelux und im Vereinigten Königreich ist der Anteil der Earn-out-Transaktionen dagegen deutlich gestiegen.
Mit einem Anteil von 76 Prozent im Jahr 2016 gehören De-minimis-Regelungen inzwischen zu den Standardklauseln. Diese Bestimmungen gelten als verkäuferfreundlich, denn sie beziffern im Unternehmenskaufvertrag den Betrag, bei dessen Unterschreiten der Käufer keine Gewährleistungsansprüche geltend machen kann. Es ist jedoch festzustellen, dass die Schwelle allmählich sinkt: Bei einem Drittel der Abschlüsse wird der Schwellenwert auf weniger als 0,1 Prozent des Kaufpreises festgelegt. Im Durchschnitt der sechs Vorjahre war dies nur bei 27 Prozent der Deals der Fall.
"Baskets" kamen 2016 bei 72 Prozent der Transaktionen zur Anwendung. Im Zeitraum 2010 bis 2015 waren es durchschnittlich 64 Prozent. Erstmals seit mehreren Jahren ist 2016 der Anteil der Transaktionen, bei denen die Basket-Schwelle weniger als ein Prozent des Kaufpreises beträgt, gesunken. Gegenüber dem Vorjahr ging er von 59 auf 55 Prozent zurück. Die Basket-Regelung ist eine Vertragsklausel, mit der Bagatellansprüche ausgeschlossen werden: Vertragspartner dürfen Gewährleistungsansprüche nur geltend machen, wenn die Gesamtsumme aller Ansprüche eine bestimmte Grenze überschreitet.
Mehr Deals mit langen Verjährungsfristen
Unabhängig vom Transaktionsvolumen stieg der Anteil der Deals mit langen Verjährungsfristen von mehr als 24 Monaten 2016 gegenüber dem Vorjahr von 15 auf 20 Prozent. Bei einem kleinerem Transaktionsvolumen ist die Wahrscheinlichkeit einer langen Verjährungsfrist größer als bei Deals mit großen Transaktionsvolumina.
Der Anteil der Käufer, die eine Absicherung der Garantieansprüche durchsetzen konnten, ging 2016 im Vergleich zum Vorjahr von 34 auf 29 Prozent zurück. Die Einbehaltung eines Teils des Kaufpreises war offenbar nur schwer durchzusetzen: Eine solche Regelung wurde 2016 bei 22 Prozent der Transaktionen vereinbart, gegenüber 20 Prozent im Vorjahr. Treuhandkonten werden nach wie vor bevorzugt als Sicherungsmittel eingesetzt, und zwar in 60 Prozent der relevanten Fälle.
Insgesamt betrachtet, sank der Wert der europäischen M&A-Transaktionen gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent, die Anzahl der Transaktionen blieb aber auf dem Vorjahresniveau. Das Ergebnis des Brexit-Referendums und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten haben sich nach Einschätzung der CMS-Experten nicht negativ auf den M&A-Markt ausgewirkt. Allerdings könnten "weitere Veränderungen der geopolitischen Lage mit ungewissen Folgen für die Wirtschaft" in diesem Jahr dazu führen, dass potenzielle Käufer noch größere Vorsicht walten lassen, glauben sie.
Mergers & Acquisitions: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22471 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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