Kongress des BUJ in Berlin: Syn­dizi kri­ti­sieren Über­re­gu­lie­rung

von Martin W. Huff

04.10.2022

Die deutschen Syndikusrechtsanwälte sind unzufrieden mit der fehlenden Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Beim Kongress des BUJ kritisieren sie zudem die Überregulierung beim NachweisG. Martin Huff war vor Ort.

Seit knapp sieben Jahren gibt es die Zulassung zur Syndikusanwaltschaft, rund 23.000 Unternehmensjuristen haben bisher ihre Zulassung erhalten. Einer der Unterschiede zum niedergelassenen Rechtsanwalt besteht in einem - immer wieder kritisierten - fehlenden vollständigen Zeugnisverweigerungsrecht.

Zu Beginn des diesjährigen Kongresses des Bundesverbands der Unternehmensjuristen (BUJ) in Berlin, dem größten Zusammenschluss der Unternehmensjuristen, plädierte Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) dafür, hier die entsprechende Gleichstellung herzustellen. "Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht ist ein Mangel des Gesetzes", sagte der Minister, die Syndikusrechtsanwälte hätten hier mehr Vertrauen verdient.

Buschmann: Neue Regelungen bringen neue Herausforderungen

Er ging auch auf die Kritik der Präsidentin des BUJ, Dr. Claudia Junker, ein, die von einer Pythonschlange der Überregulierung gesprochen und hier Änderungen gefordert hatte. Er hoffe, so Buschmann, dass sich hier zukünftig Verbesserungen z.B. durch den jetzt beim Justizministerium angesiedelten Normenkontrollrat ergeben würden.

Erste Schritte haben man bei der Beschleunigung von Planungsverfahren gemacht, ausreichend sei dies aber auch nach seiner Auffassung noch nicht. Er wies auch auf Verbesserungen im Insolvenzrecht zugunsten der Unternehmen hin. Auch hoffe er, dass man in der Diskussion mit der EU-Kommission Überregulierungen bei den ab dem Geschäftsjahr 2024 neuen Nachhaltigkeitsberichten erreichen könne. Er bekannte aber auch, dass z.B. neue Regelungen zur Geldwäsche, bald basierend auf einer unmittelbar geltenden EU-Verordnung, durchaus herausfordernd für die Unternehmensjuristen sein werden.

Sorge bereitet den Unternehmensjuristen zum Beispiel die Überregulierung in den seit dem 1. August 2022 geltenden neuen arbeitsrechtlichen Nachweispflichten. Danach müssen Unternehmen ihre Beschäftigten über die wesentlichen Arbeitsbedingungen informieren. In der Gesetzesbegründung sei ein Aufwand von drei Minuten benannt worden – 13 Stunden seien, so erste Erfahrungen, auf jeden Fall notwendig. Manche Regelungen seien aus Sicht der Unternehmen einfach nicht mehr zeitgemäß. Das Erfordernis der persönlichen Unterschrift sei antiquiert, die digitale Unterschrift sei in Unternehmen auch bei Arbeitsverträgen längst Standard. Hier jetzt Rückschritte vorzunehmen, sei nicht nachvollziehbar. Hier ist zu hören, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf dieser Regelung gegen das Votum vieler Abgeordneter auch der Ampelkoalition bestanden habe. Darüber hinaus habe die Energiepreispauschale von 300 Euro, die von den Arbeitgebern auszuzahlen war, für viel unnötige Arbeit in den Personalabteilungen gesorgt.

Gewandelte Rolle der Unternehmensjuristen

Diskutiert wurde auf dem Kongress, zu dem rund 300 Unternehmensjurist:innen in Berlin zusammengekommen waren, auch der immer mehr festzustellende Rollenwechsel der Syndikusanwält:innen in den Unternehmen. Sie müssten zum einen in immer mehr Rechtsordnungen beraten. Zum anderen übernähmen sie auch zunehmend eine neue Rolle, weg vom Berater hin zum Juristen, der auch eine eigene Verantwortung im Unternehmen übernehme. Dieser Rollenwechsel sei zu begrüßen und werde auch von den Unternehmensführungen ausdrücklich gefordert.

Zudem müssen die Rechtsabteilungen immer neue Beratungsfelder abdecken, so etwa im Bereich Environment, Social, Governance (ESG), also der Verantwortung gegenüber der Umwelt, dem Sozialen und der guten Unternehmensführung. Diese Kriterien seien auch immer mit Rechtsfragen verbunden, die aber viele Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen hätten.

Mangel an jungen Juristen für die Unternehmen

Immer mehr Rechtsabteilungen kämpfen mit dem Mangel an Nachwuchs junger Jurist:innen, die bereit seien, in Unternehmen zu arbeiten. Dieser Nachwuchsmangel werde sich in den nächsten Jahren noch deutlich mit der anstehenden Pensionierungswelle verschärfen. Die Unternehmen stünden, so etwa Dr. Hilka Schneider, General Counsel von Akzo Nobel, in Konkurrenz zu Kanzleien und dem öffentlichen Dienst.  

Die Rechtsabteilungen müssten klarmachen, dass die Arbeit im Unternehmen sehr attraktiv sei. Rechtsabteilungen müssten, so die Erkenntnis eines Werkstattgesprächs, viel mehr Wert auf die Ausbildung von Referendaren legen. Dies geschehe noch zu wenig, wo es geschieht, gebe es viel weniger Nachwuchsprobleme. Möglich sei die Ausbildung sowohl in der Anwaltsstation als auch in der Wahlstation. So könne man über gut ein Jahr die jungen Jurist:innen kennenlernen und er bzw. sie das Unternehmen oder den Verband. Unternehmen müssen daher mit den Ausbildungsgerichten und den Referendaren bereits zu Beginn des Referendariats Kontakt aufnehmen, um aufzuzeigen, wie die Station gestaltet werden wird.  

Zitiervorschlag

Kongress des BUJ in Berlin: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49794 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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