Handel und Banken nach dem Brexit: Die Spiel­re­geln ändern sich

Gastbeitrag von Anahita Thoms, LL.M. und Dr. Manuel Lorenz, LL.M.

16.01.2021

Unternehmen müssen nach dem Brexit einiges beachten, um einen ordnungsgemäßen Handel mit UK sicherzustellen. Auch für Banken und Finanzdienstleister gelten neue Regelungen. Welche das sind, erklären Anahita Thoms und Manuel Lorenz.

Bislang war ein freier Handel mit Großbritannien mit wenig bis hin zu gar keinem administrativen Aufwand möglich. Das hat sich mit dem 1. Januar 2021 geändert. Der Handel ist zwar weiterhin ohne mengenmäßige Beschränkungen ("no quota") möglich. Auch werden keine Zölle eingeführt – allerdings nur, sofern die neuen Ursprungsregeln eingehalten werden. Diese sehen vor, dass Präferenzzölle nur für Waren gelten, die entweder vollständig in der EU oder in Großbritannien gewonnen, hergestellt oder wesentlich verarbeitet worden sind. 

Hierfür müssen Unternehmen einen Herkunftsnachweis erbringen. Um dies zu gewährleisten, ist es für exportierende Unternehmen äußerst wichtig, ihre Lieferketten vollständig nachzuvollziehen. Ferner müssen sie diese Unterlagen für mindestens vier Jahre aufbewahren. Die Folge: Es ist mit bürokratischem Mehraufwand sowie Verzögerungen bei der Zollabfertigung zu rechnen. 

Dadurch auftretende Lieferkettenprobleme wird auch die gegenseitige Anerkennung des sogenannten AEO-Status nicht ausgleichen können, d.h. die Einordnung von Unternehmen als Authorised Economic Operator für ein vereinfachtes Zollverfahren, wenn diese nachweisen, dass ihre Lieferkette sicher ist und ihre Zollkontrollverfahren den gegenseitig geforderten Standards entsprechen. Großbritannien kündigte zwar einen reibungsloseren grenzüberschreitenden Verkehr durch eine elektronische Grenzkontrolle an. Dies wurde aber weder konkretisiert noch umgesetzt.

Export von sicherheitspolitisch relevanten Gütern wird genehmigungspflichtig

Auch in punkto Exportkontrolle müssen sich exportierende Unternehmen auf Neuerungen einstellen: Hier wird der grenzüberschreitende Austausch sicherheitspolitisch relevanter Waren und Dienstleistungen überprüft. Dieser ist in der EU einheitlich geregelt und genehmigungsfrei möglich. Das gilt jedoch nicht mehr für den Export von Gütern, inklusive Technologie und Software, nach Großbritannien. Dafür sind nun Ausfuhrgenehmigungen nötig. Besonders der Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sog. Dual-Use Güter) muss jetzt genehmigt werden.

Ähnlich verhält es sich mit Dienstleistungen im Zusammenhang mit technischer Unterstützung oder Gütern, die die Anti-Folter-Verordnung umfasst. Die EU sorgte jedoch bereits vor: Für bestimmte Exporte nach Großbritannien können Unternehmen sogenannte Allgemeine Genehmigungen nutzen, ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren. Sie müssen also prüfen, inwiefern ihre Exporte nach Großbritannien von Genehmigungspflichten betroffen sind, ob sie neue Genehmigungen beantragen müssen oder ein vereinfachtes Verfahren greift. Gleiches gilt für Unternehmen, die eine britische Ausfuhrgenehmigung besitzen, die den Export aus der EU betreffen. Sie müssen nun in einem anderen Mitgliedsstaat eine Ausfuhrgenehmigung beantragen.

Auch im Bereich der Sanktionsgesetzgebung wird es Neuerungen geben. Das europäische Sanktionsrecht gilt fortan nicht mehr in Großbritannien. Auch wenn zurzeit nicht gänzlich abschätzbar, ist damit zu rechnen, dass sich Großbritannien im Laufe der Zeit eher an den USA orientieren und damit teilweise eine strengere Herangehensweise haben wird. Auch hier müssen Unternehmen genau beobachten, inwiefern ihre Geschäftstätigkeiten davon betroffen sein könnten, wenn sie mit bzw. über Großbritannien Geschäfte mit sanktionierten Ländern machen.

Den EU-Pass für Finanzinstitute gibt es nicht mehr

Bisher konnten deutsche Banken und Finanzdienstleister ihr Geschäft in Großbritannien auf Basis des sogenannten EU-Passes abwickeln. Den gab es in allen wichtigen Bereichen, also im Bankgeschäft, bei Wertpapierdienstleistungen, Zahlungsdienstleistungen, Versicherungen usw. Der Pass ist aber am 31. Dezember 2020 abgelaufen.

Die meisten britischen Institute haben die Zeit genutzt, vorsorglich in einem EU-Land ein neues Unternehmen zu gründen und für dieses eine Erlaubnis zu beantragen. Damit können diese Firmen den EU-Markt weiter bedienen. Das war auch gut so, denn anders als im Handelsbereich enthält das Brexit-Abkommen keine Erleichterungen beim Marktzugang, sondern verharrt auf dem WTO (World Trade Organization)-Level. 

Für Institute vom Kontinent sieht die Lage für ihr Geschäft mit britischen Kunden deutlich entspannter aus, da Großbritannien den Übergang durch ein System vorläufiger Marktzulassungen abgefedert hat. EU-Unternehmen, die auf Grundlage eines Passes in Großbritannien tätig waren, konnten durch einen rechtzeitigen Antrag die vorläufige Fortsetzung des Geschäftsbetriebs bis zur Erteilung einer Erlaubnis durch die britischen Aufsichtsbehörden sicherstellen. Dabei bleiben für die Erlaubniserteilung bis zu drei Jahre Zeit. Neben den bisherigen Regeln müssen sie allerdings schon jetzt elf Prinzipien sowie Vorschriften zum Konsumentenschutz und zur Kapitalisierung beachten. 

Britische Versicherer müssen Policen mit deutschen Kunden kündigen

Institute, die keinen Erlaubnisantrag in Großbritannien stellen wollen, können während einer großzügig bemessenen Übergangszeit (bis zu 15 Jahre für Versicherungsverträge, bis zu fünf Jahre für andere Verträge) bereits eingegangenen Verträge abwickeln. Das ist deutlich freundlicher als umgekehrt für britische Unternehmen. So hat die BaFin am 30. Dezember 2020 britische Versicherer aufgefordert, laufende Versicherungspolicen mit deutschen Kunden zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

Langfristig kann sich die Situation des Marktzugangs noch leicht verbessern. Denn die EU und Großbritannien haben zusammen mit dem Abkommen eine Erklärung verabschiedet, die eine wohlwollende Prüfung von Gleichwertigkeitsregelungen vorsieht. Das bedeutet, dass auf die Anwendung der eigenen Regulierung verzichtet wird, wenn der Anbieter im Heimatland bereits einer gleichwertigen Beaufsichtigung unterliegt. 

Die EU-Kommission hat aber auf 28 Feldern die Gleichwertigkeitsentscheidungen noch nicht getroffen. Die EU und Großbritannien wollen sich bis Ende März 2021 auf ein "Memorandum of Understanding" einigen, das diesen Komplex regelt. Allerdings gibt es etwa im Bereich von Bankgeschäften keine Anerkennungsmöglichkeit auf Basis von Gleichwertigkeit.

Mehr Bürokratie im Handel mit UK

Im Außenhandel ist es für deutsche Unternehmen wichtig, die skizzierten Änderungen in ihren Zoll- und Exportverfahren zu berücksichtigen. Expertise im Bereich Außenhandelsrecht wird in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Großbritannien in Zukunft unerlässlich sein. Vor allem, was die Zollformalitäten als auch die neuen Genehmigungspflichten anbelangt, geht der Handel mit Großbritannien künftig mit höherem Bürokratieaufwand einher. Angesichts der Kompetenzverschiebungen ist auch in nächster Zeit mit weiteren gesetzlichen Änderungen zu rechnen.

Im Finanzsektor sorgte die hohe Unsicherheit über den Ausgang der Brexit-Verhandlungen dafür, dass die meisten Banken und Finanzdienstleister ihre Geschäfte auf neue Einheiten verlagert haben. Anders als die EU rollt Großbritannien den EU-Banken und Finanzdienstleistern auch nach dem Ende der Übergangsfrist einen großzügigen Korridor aus, der ein abruptes Ende des Geschäfts vermeidet. Längerfristig muss der deutsche Finanzsektor dennoch parallele Strukturen im Land aufsetzen und die britischen Regeln beachten, um den britischen Markt zu bedienen.

Die Autoren: 

Anahita Thoms ist Leiterin der Außenwirtschaftspraxis von Baker McKenzie Deutschland. 

Manuel Lorenz ist Leiter der Financial Services Regulatory Praxis von Baker McKenzie Deutschland. 

Zitiervorschlag

Handel und Banken nach dem Brexit: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44005 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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