Equity-Partnerinnen kommen in den männerdominierten Großkanzleien kaum vor. Das liegt auch an den maximal halbherzig verfolgten Programmen zur Frauenförderung. Aber nicht nur.
Bei Twitter gibt es den Account UndWieVieleFrauen? Der befasst sich mit der Frage, ob Frauen in der Gesellschaft gerecht vertreten sind, und zwar mit einer ganz simplen Methode: Es wird nachgezählt, wie viele Frauen auf den Fotos abgebildet sind, die stolz aus Ministerien, von Parteiveranstaltungen, Diskussionsrunden, Preisverleihungen oder Vereinen getwittert werden. Das wenig überraschende, dennoch immer wieder ernüchternde Ergebnis: Frauen sind fast überall klar in der Minderheit. Oder gar nicht erst anwesend.
Die großen deutschen Wirtschaftskanzleien können froh sein, dass sie noch nicht ins Visier von UndWieVieleFrauen? geraten sind. Denn betrachtet man den Anteil der Frauen unter den Equity-Partnern der zehn größten Wirtschaftskanzleien in Deutschland (laut Statistik des Juve-Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017/18, sieht es ähnlich düster aus wie auf den getwitterten Fotos:
CMS, mit mehr als 600 Rechtsanwälten und Steuerberatern die größte Kanzlei hierzulande, hat 213 Partner: 184 Männer und 29 Frauen. Das ist ein Frauenanteil von knapp 14 Prozent. Zum Jahresbeginn wurden in Deutschland insgesamt neun Juristen in die Partnerschaft aufgenommen. Es waren sieben Männer und zwei Frauen.
Die zweitgrößte Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer hat bei der jüngsten Partnerrunde, im Mai 2017 vier Männer zu Equity-Partnern befördert, keine einzige Frau. Insgesamt hat die Sozietät 105 Partner in Deutschland, darunter zehn Frauen. Die Quote ist damit noch schlechter als die bei CMS: Sie liegt bei zehn Prozent.*
Für Hogan Lovells arbeiten 208 Anwälte, die Kanzlei hat in Deutschland 65 Partner: 56 Männer und neun Frauen (16 Prozent). Anfang 2018 wurden acht neue Equity-Partner aufgenommen: Fünf Männer und drei Frauen.
Bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Deutschlands viertgrößter Kanzlei, arbeiten 146 Equity-Partner, davon 129 Männer und 17 Frauen (13 Prozent). Zum Jahresbeginn wurden fünf Anwälte neu in die Partnerschaft aufgenommen, aber keine Anwältin.
Taylor Wessing, gemessen an der Zahl der Berufsträger die Nummer 5 hierzulande, hat 116 Equity-Partner: 104 Männer und zwölf Frauen (rund 12 Prozent). In diesem Jahr wurden keine neuen Equity-Partner ernannt.
Noerr hat in Deutschland aktuell 93 Equity Partner, darunter zwölf Frauen, das ist ein Anteil von rund 13 Prozent. Vier der fünf Equity-Partner, die zum Jahresbeginn aufgenommen wurden, sind weiblich.
Bei Gleiss Lutz umfasst die Partnerschaft derzeit 86 Partner: 77 Männer und neun Frauen (rund 12 Prozent). Zum Jahreswechsel 2017/18 hat die Kanzlei keine neuen Partner aufgenommen.
Luther hat zum Jahreswechsel zwei Anwälte in Deutschland und eine Anwältin in Luxemburg in die Partnerschaft befördert. Von den 75 Equity-Partnern der Kanzlei sind 64 Männer und neun Frauen (12 Prozent).
Bei Linklaters gab es bei der letzten Partnerrunde vom Mai 2017 vier Partner-Ernennungen – allesamt Männer. Laut ihrer Website hat die Kanzlei in Deutschland insgesamt 65 Partner: 60 Männer und sechs Frauen (neun Prozent).
Bei Görg, der zehntgrößten deutschen Wirtschaftskanzlei, arbeiten 270 Anwälte. Unter den 102 Partnern sind sechs Frauen. Bei den jüngsten Beförderungen zum Jahreswechsel wurden vier Männer in die Partnerschaft aufgenommen, aber keine Frau. Damit wird sich an der schlechten Quote von knapp sechs Prozent also vorerst auch nichts ändern.
Kanzleien verfehlen selbstgesetzte Ziele
Dass es so wenigen Anwältinnen gelingt, in die Equity-Partnerschaften vorzudringen, muss eigentlich verwundern. Denn schon vor Jahren hatten viele, meist internationale Kanzleien, sich das Ziel gesetzt, mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen zu bringen - sei es in die Partnerschaft oder in das Management. Vollmundig sprach man damals von einem Anteil von 25 bis gar 30 Prozent Equity-Partnerinnen, den man erreichen wollte.
Diese Zielvorgaben – man wollte es damals lieber nicht "Quote" nennen – wurden zumindest in Deutschland bislang nicht erfüllt. Die Begründungen sind ähnlich und kreisen meist um das gleiche Argument: Es hänge auch von der Konkurrenzsituation ab, wer Partner oder Partnerin wird. Kann und will man einem guten Mann sagen, er müsse noch ein Jahr warten, weil in der diesjährigen Runde aus Proporzgründen eine Frau dran ist? Und umgekehrt: Würde eine Frau einem männlichen Konkurrenten den Vortritt lassen, weil es schon genug Partnerinnen gibt? Wohl eher nicht. Die Gefahr ist groß, dass die Associates ihr Bündel nehmen und die Karriere bei einem Wettbewerber weiterverfolgen, fürchten die Sozietäten.
Ein weiteres, oft gehörtes Argument der Arbeitgeber, um den niedrigen Frauenanteil in Top-Positionen zu begründen, lautet: Die weiblichen Mitarbeiter wollen nicht so recht. Man müsse sie beinahe zum Jagen tragen und sie sehr viel mehr als ihre männlichen Kollegen ermuntern, Verantwortung zu übernehmen.
Dass Frauen jedoch gar keine Ambitionen auf Karriere haben, hat Carmen Schön, die als Coach seit vielen Jahren Anwältinnen auf dem Weg in die Equity-Partnerschaft begleitet, nicht beobachtet. "Oft ist es aber so, dass sich die Frauen keine Chancen in dem männerdominierten Umfeld ausrechnen", räumt sie ein. "Sie sind eingeschüchtert, oft trauen sie sich auch weniger zu." Wenn die Frauen wissen, dass es in der Kanzlei beispielsweise keine Akzeptanz für Teilzeitmodelle gibt, dann strebten sie womöglich lieber gar nicht erst in die Partnerschaft, meint Schön.
Förderprogramme meist nicht nachhaltig – wegen der Kanzleikultur
Schon vor mehreren Jahren hat praktisch jede Kanzlei, die etwas auf sich hielt, Programme zur Frauenförderung aufgesetzt. "Die waren oftmals eher Kosmetik und Marketing, der entscheidende Schritt Richtung nachhaltige Förderung fehlte", sagt Carmen Schön. Die Kanzleien hätten zwar in Lunchtermine oder Workshops mit Trainern, die Frauen Karrieretipps geben, investiert, aber danach sei das Engagement meistens versandet".
Der wahre Grund, warum der Frauenanteil in den großen Kanzleien seit Jahren stagniert, ist nach Ansicht des Coaches die Kanzleikultur: "Die Entscheider sind meist Männer mit einem gewissen Weltbild, das neu reflektiert werden muss. Manche wollen eine Frauenförderung gar nicht", hat sie beobachtet. Zudem gebe es unbewusste Vorurteile, die von den meisten männlichen Partnern nicht reflektiert würden: "Sie leben alte Rollenbilder und vertrauen letztlich doch lieber auf ihre eigenen, männlichen Netzwerke."
Es braucht auch männliche Fürsprecher
Hinzu kommt – besonders tragisch – dass Frauen oft keine Fürsprecherinnen in den Partnerzirkeln haben. Weil es für eine Anwältin, die schon an der Spitze steht, gefährlich werden kann, wenn sie sich zu stark für andere Frauen einsetzt, meint Schön: "Auf der einen Seite wird es von der Kanzlei oftmals von ihr erwartet - unabhängig davon, ob sie dieses Thema aufnehmen möchte. Auf der anderen Seite wird sie für derartige Aktionen von einigen männlichen Partnern auch argwöhnisch beäugt. Das kann sie selbst in eine unangenehme Situation bringen." Die Lösung für das Dilemma wäre aus Schöns Sicht ein umsatzstarker, einflussreicher Partner, der sich für einen höheren Frauenanteil einsetzt.
Tatsächlich hat sich in einigen Kanzleien das Management öffentlich und unüberhörbar dazu bekannt, mehr Frauen in die Equity-Partnerschaft und Leitungspositionen bringen zu wollen. Doch nur weil die Frauenförderung damit von oben verordnet wurde, heißt das noch lange nicht, dass die Partnerriege tatsächlich geschlossen hinter diesem Ziel steht. Im vertraulichen Gespräch räumen Kanzleivertreter denn auch regelmäßig ein, dass intern noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sei. Hoffentlich gelingt es, bevor der Twitter-Account UndWieVieleFrauen sich die Anwaltsbranche vorknöpft.
*Partnerzahlen und Frauenquote von Freshfields wurden kurz nach Veröffentlichung korrigiert. LTO-Redaktion, 11:51 Uhr.
Anja Hall, Anwältinnen und die Equity-Partnerschaft: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27853 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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