Trends in der Kanzlei-IT: Wer künftig große Mandate akquirieren will, braucht eine Collaboration Platform

von Christian Pothe

22.09.2014

Vor einigen Jahren war eine Kanzlei noch gut aufgestellt, wenn sie eine Software vorhielt, die Akten und Termine verwalten konnte und eine Finanzbuchhaltung umfasste. Dann folgten Dokumenten- und Wissensmanagement-Systeme, Instrumente zur Pflege der Customer Relationship, und in nicht allzu ferner Zeit werden Mandanten auch in Deutschland noch mehr verlangen, nämlich eine Collaboration Platform.

Mit der IT in Kanzleien ist es wie beim Fußball. Viele äußern überzeugt eine Meinung, doch nur wenige haben Ahnung. Dieser Umstand führt nicht selten zu amüsanten, aber wenig zielführenden Diskussionen. Plötzlich spielt bei der Anschaffung von Hardware das Design der Hülle eine entscheidende Rolle oder aber Sicherheitsfanatiker gewinnen die Oberhand und ergehen sich in Tiraden über die Cloud.

Dabei ist es so einfach: Die IT muss die Profitabilität einer Kanzlei verbessern und das bedeutet zunächst die Optimierung der Einnahmen. In der Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins ist dies noch etwas vorsichtiger formuliert. Dort steht der Satz: "Informations- und Kommunikationstechnologien können die Kanzleiorganisation und -abläufe effizient unterstützen".

Kanzlei-IT spielt auch beim Recruiting eine Rolle

Nicht erwähnt wird, dass man heute oft sogar schon beim Recruiting von Berufseinsteigern und beim Lateral Hiring die Leistungsfähigkeit der Kanzlei-IT erklären muss. Denn die besten Anwälte suchen sich natürlich auch eine Sozietät aus, in der eine professionelle IT-Infrastruktur vorhanden ist. Eine solche ist unerlässlich, damit sie in den Projekten ihrer Mandanten schnelle und vollständige Lösungen entwickeln können.

Hier mag der entscheidende Vorteil einer Kanzlei manchmal schon darin liegen, dass sie dem Anwalt das gesamte Know-how der Sozietät dank eines ausgereiften und gut gepflegten Knowledge-Management-Systems auf Knopfdruck zur Verfügung stellen kann. Allein mit Formularhandbüchern auf CD und Online-Zugängen zu juristischen Datenbanken kann man heutzutage keine große Begeisterung mehr entfachen.

Nun aber zurück zur Optimierung der Einnahmen. Unternehmen, die anspruchsvolle Mandate zu vergeben haben und dementsprechende Honorare zahlen, haben zu Recht hohe Erwartungen an ihre Kanzleien. Diese beschränken sich nicht auf die Qualität und Schnelligkeit des Rechtsrates, sondern umfassen auch die weiteren Umstände der Zusammenarbeit.

Auftragsvergabe wie bei einer Internetauktion

"Von international agierenden Mandanten wird man schon heute mit zahlreichen Anforderungen an die technische Schnittstelle der Zusammenarbeit konfrontiert, an die vor einigen Jahren noch niemand gedacht hat", so Martin Holler, Partner der Prager Kanzlei Giese & Partner. "Manchmal verläuft schon die Auftragsvergabe wie eine Internetauktion und manchmal möchte ein General Counsel jeden Morgen mit nur einem Knopfdruck den Status aller Projekte mit seinen sämtlichen Kanzleien überprüfen können. Sein IT-System, an das alle Kanzleien angeschlossen sind, sagt ihm dann tagesaktuell und ohne einen Wechsel zwischen verschiedenen Programmen, ob irgendwo Honorargrenzen überschritten und ob alle Termine eingehalten wurden."

Der Umfang der Anforderungen, die Mandanten an solche Nebenleistungen der anwaltlichen Beratung stellen, mag zwar gegenwärtig noch stark variieren, aber sie werden tatsächlich immer häufiger schon beim Auswahlverfahren relevant. Will man den Pitch um ein Mandat gewinnen oder zur Panelkanzlei aufsteigen, so muss man in der Lage sein, derartige unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse abzubilden. Voraussetzung dafür ist, dass man mit einer entsprechenden IT-Infrastruktur arbeiten kann, einer sogenannten Collaboration Platform.

Allerdings existieren in Deutschland bisher keine erprobten Standards. Es geht dabei nämlich keineswegs nur um ein File-Sharing à la Dropbox. "Vielmehr müssen zunächst alle relevanten Informationen für ein Projekt an einem zentralen Platz, dem sogenannten Single Point of Truth (SPoT) zur Verfügung gestellt werden. An dieser Stelle erfolgt dann die Verbindung zwischen Arbeit, Projektsteuerung, Kommunikation und Controlling", so Dominik Muissus, Manager of Technology bei Latham & Watkins. Eine Collaboration Platform beinhaltet mithin Elemente eines Social Networks, eines Practice Management Systems, des Knowledge Managements und einer Buchhaltung.

Effektive Zusammenarbeit zwischen Kanzlei und Mandanten

Es ist daher auch wichtig, die Collaboration Platform nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen Software zu betrachten. Vielmehr geht es um etwas größeres, nämlich darum, eine effektive Arbeitsweise und Kommunikation zwischen dem Mandanten und seinen Kanzleien zu etablieren. Der Kreis der Teilnehmer ist dabei flexibel und projektabhängig. Je nach Aufstellung der Kanzlei können beispielsweise auch deren Legal Process Outsourcer oder sonstige Dienstleister, wie sie im Rahmen der Sequentialisierung anwaltlicher Dienstleistungen gerade neu aus dem Boden schießen, auf einer solchen Plattform einbezogen werden.

Noch vor der Bestimmung der Teilnehmer muss aber die Frage beantwortet werden, wo eine Collaboration Platform überhaupt angesiedelt ist. Dieses betrifft zunächst weniger die rein physische Lokalisation, als vielmehr die rechtliche Einordnung. Gehört die Plattform der Kanzlei oder dem Mandanten? Da die gesamte Entwicklung hin zu derartigen Systemen bisher eher von Mandanten getrieben wird, sind solche Plattformen oft auch bei diesen angesiedelt.

Aus Gründen der Vereinheitlichung ist dies insbesondere für solche Unternehmen von Bedeutung, die in verschiedenen Projekten oder Rechtsgebieten mit unterschiedlichen Kanzleien zusammenarbeiten. Hier sollten natürlich alle beauftragten Kanzleien mit demselben System arbeiten, denn wenn ein General Counsel jeden Morgen erst einmal zwanzig verschiedene Systeme starten müsste, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, wäre dies sicherlich nicht die von ihm gewünschte Effizienzsteigerung.

Vorbehalte wegen der Datensicherheit

Welche Collaboration Platforms existieren denn nun aber überhaupt in der Welt der Wirtschaftskanzleien? Wie so häufig findet man am Anfang einer neuen Entwicklung zunächst einmal verschiedene hausgemachte Produkte vor. Bei den Standardprodukten wiederum ist auch in Deutschland sicherlich vielen schon einmal Sharepoint begegnet. Ein Produkt, das sich in jede Microsoft-Umgebung einfügt und das leicht zu bedienen ist. Die Funktionalitäten sind jedoch begrenzt und auch nicht wirklich kanzleispezifisch. Ob man Produkte wie Sharepoint oder Basecamp daher als Collaboration Platform im engeren Sinne betrachten kann, soll an dieser Stelle offen bleiben.

Schaut man auf angloamerikanische Kanzleien, so trifft man häufiger auf die Systeme von HighQ und LawPal. Ein Durchbruch im deutschen Markt blieb diesen aber bisher versagt, da sie Cloud-basiert arbeiten und daher hierzulande bei Entscheidern oft noch auf Sicherheitsbedenken stoßen. Ein weiterer Anbieter ist PBworks aus Kalifornien. In Europa wird dessen System jedoch bisher eher für die kanzleiinterne Zusammenarbeit genutzt und nicht an der Schnittstelle zu Mandanten.

In Deutschland wiederum wird gegenwärtig unter dem Arbeitstitel Lexolution-Online eine Collaboration Platform entwickelt, die sich laut Jens Décieux, Geschäftsführer der federführenden STP Portal GmbH, dadurch auszeichnet, dass "auf dem SPoT nur die Metadaten zur Verfügung stehen. Originär bewahrt das System die Dokumente bei dem mandatierenden Unternehmen auf, weshalb auch keine Probleme mit dem Datenschutz und dem Mandantengeheimnis entstehen können".

Wie weit kann die Kooperation zwischen Mandant und Kanzlei gehen?

Laut Andreas Rösch, Berater von Wirtschaftskanzleien für den Bereich IT, "steht die Standardisierung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse zwischen Kanzleien und deren Mandanten in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung". Es ist daher aus seiner Sicht wichtig, "dass sich die Treiber dieser Innovation untereinander austauschen, um baldmöglichst marktreife Produkte anbieten zu können, die alle spezifischen Anforderungen des deutschen Marktes für Rechtsdienstleistungen abdecken". Gelegenheit dazu dürfte der IT-Circle der Deutschen Gesellschaft für Professional Service Firms e.V. bieten, der am 1. Oktober an der Bucerius Law School in Hamburg stattfindet und einen Workshop zum Thema unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse vorsieht.

Dort wird dann sicher auch thematisiert, wie weit eine solche Kooperation zwischen Mandanten und ihren Kanzleien überhaupt gehen kann. Sie setzt nämlich auf beiden Seiten Mitarbeiter voraus, die der neuen Arbeitsweise und der neuen Technologie gegenüber aufgeschlossen sind. Naturgemäß schreckt es nämlich eher ab, etwas Altgedientes abzuschaffen und etwas Neues einzuführen, gerade bei der IT. Wenn es jedoch gelingt, darzustellen, dass sich durch einen solchen Schritt mittelfristig die Gesamtzahl der Systeme und die Anzahl der Arbeitsschritte reduzieren lassen, dann werden vorausschauende Kollegen sicher gern mitziehen.

Von Bedeutung wird es auch sein, ein ausgeklügeltes Berechtigungsmanagement anbieten zu können, denn bei aller Freude an Transparenz möchten Kanzleien ihren Mandanten sicher nicht sämtliche internen Kalkulationsgrundlagen offenlegen. Und damit sind wir wieder am wichtigsten Punkt dieser Innovation. Durch die Etablierung eines solchen Systems muss sich die Einnahmesituation der Kanzlei optimieren lassen. Man muss also mindestens im Kreis der erlauchten Panelkanzleien bleiben oder in diesen eintreten können und dadurch die Anschaffungs-, Betriebs- und Schulungskosten für das neue System locker wieder einspielen. Und wer möchte das nicht?

Zitiervorschlag

Christian Pothe, Trends in der Kanzlei-IT: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13251 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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