30 Jahre Bastille-Beschlüsse: Happy Birthday, Anwalts­wer­bung!

von Marcus Creutz

04.05.2017

2/2: Mehr Mut: Partner als Matrosen, Schienbeinschoner für Manager

Stephan Marx empfiehlt Anwälten außerdem mehr Mut zur Courage. Ziel der Werbung sei es, etwas ganz neu und vor allen Dingen anders zu machen. So hat Marx für die Corporate-Boutique Glade Michel Wirtz das Stilmittel der Illustration / Karikatur entwickelt. In Direktmailings werden so beispielsweise neue Partner den Mandanten auf selbstironische und witzige Art und Weise auf einer Doppelkarte vorgestellt. Der jüngste Partner sitzt im Matrosenkostüm in einer leeren Badewanne. Darunter heißt es: "Willkommen auf der Brücke!" Und Mandanten, die auch echte Seebären werden wollen, können ein auf der Innenseite der Karte eingelegtes Tattoo bestehend aus einem Herz und einem Anker auf einen beliebigen Körperteil aufkleben, fotografieren und dem neuen Partner mailen: "Er freut sich auf Ihre Bilder". Da die Kanzlei diese Art der Direktmailings seit Jahren verschickt, ist anzunehmen, dass sie viel positives Feedback hervorrufen.

Auch Peter Marquardt kennt positive Beispiele, wie Kanzleien mit klaren Marketingkonzepten richtig erfolgreich am Markt agieren. "Nehmen Sie etwa Noerr. Die haben sich als deutsche mittelständische Kanzlei kommunikativ klar international orientiert und sind damit erfolgreich gewachsen."

Unvergessen bleibt das Direktmailing, das Noerr anlässlich der Fußball-WM im eigenen Land an deutsche Manager verschickte. Es bestand aus einem Paket, in welchem sich Schienbeinschoner befanden. Die sollten sich Manager anziehen, die nicht offizieller Partner von FIFA oder UEFA waren, aber gleichwohl mit dem WM-Großereignis werben wollten. "So ersparen wir Ihnen Blessuren und Platzverweis. Damit Sie die Spannung genießen können und für meisterliche Erfolge Ihres Marketings..." Natürlich standen die Schienbeinschoner symbolisch für die anwaltliche Beratung.

Weniger ist mehr: mit Planung und Budget

Keine Frage: Eine Kanzlei, die aktuellen und künftigen Mandanten ein Lächeln oder Staunen abringen kann, bleibt in guter Erinnerung. Und Direktmailings sind schon deshalb anderen Werbeträgern vorzuziehen, weil sie ohne Streuverluste punktgenau diejenigen Zielgruppen erreichen, die sich der Anwalt als Mandanten wünscht. Dass Werbesendungen von Anwälten berufsrechtlich zulässig sind, bestätigt Prof. Dr. Volker Römermann: "Direktmailings im Sinne postalischer Zusendung sind grundsätzlich unproblematisch; im Übrigen kommt es auf den Inhalt an." Online-Newsletter sind laut dem Berufsrechtsexperten dagegen nur gestattet, wenn der Empfänger damit seine bei Verbrauchern ausdrückliche oder bei sonstigen Marktteilnehmern mutmaßliche Einwilligung erklärt hat ("Opt-In").

Beliebteste Zielgruppe der Wirtschaftskanzleien für Direktmailings sind vor allem Entscheidungsträger in Unternehmen. Entsprechend viel Werbung kommt bei ihnen täglich an. Peter Marquardt hält deshalb nichts von 0815-Lösungen: "Massenmailings in Standardformaten bringen erfahrungsgemäß nicht sehr viel. Man muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen und dafür auch entsprechendes Budget bereitstellen". Die besten Ergebnisse erziele, wer weniger Adressaten richtig gut und mehrfach - idealerweise über mehrere Kanäle - anspreche. "Bei einer mehrstufigen Mailingaktion an qualifizierte Empfänger haben wir über die Folge – Print, Email-Reminder, Print und telefonische Nachfassaktion – eine Interessentenquote von bis zu 30 Prozent erreicht", gibt Marquardt ein weiteres Erfolgsgeheimnis preis.

Es versteht sich von selbst, dass Anwaltskanzleien für Marketing und Werbung ein Jahresbudget aufstellen müssen. "Doch die meisten Kanzleien denken nicht über Budgets nach. In der Regel wird ad hoc irgendetwas gemacht, statt langfristig zu planen", kritisiert Agenturchef Marx. 40.000 bis 50.000 Euro sollte eine 10-Mann-Kanzlei schon einplanen und regelmäßig für Marketingmaßnahmen und Kommunikation (Anzeigen, Mailings etc.) ausgeben. Hinzu kommen weitere Maßnahmen wie Veranstaltungen, Social-Media-Aktivitäten etc.

Peter Marquardt spricht von zwei bis 5 Prozent vom Umsatz. Verglichen mit anderen Branchen, in denen leicht 20 bis 30 Prozent vom Umsatz für Werbemaßnahmen ausgegeben werden, ist das noch sehr bescheiden. Doch wer Aufmerksamkeit erreichen will, muss seine Alleinstellung schon nach außen kommunizieren.    

Mit Erfolgen werben

Dazu kommt: Auf dem Marktplatz verhallen die Werbesprüche immer mehr. Denn der gesamte Wettbewerb der großen Wirtschaftskanzleien tummelt sich mehr oder weniger alphabetisch in den bekannten juristischen Fach- und Branchenblättern. "Stattdessen wäre es durchaus sinnvoll, sich mit der Auswahl des Mediums bzw. der Platzierung der Anzeige ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Warum nicht einmal im Lufthansa-Magazin, der Art oder einem hochwertigen Architektur-Magazin Anzeigen schalten", fragt Stephan Marx zu Recht.

Während die Kanzlei als Dachmarke positive Emotionen wecken soll, muss die Monomarke Anwalt zur Dachmarke passen, authentisch sein und durch Kompetenz überzeugen. Letzteres schaffen Anwälte vor allem durch nutzwertige Themen, die sie journalistisch aufbereiten und über die verschiedenen Medienkanäle publizieren – von der eigenen Website über eMail-Newsletter bis hin zu eigenen Kanzleimagazinen. "Diese Kompetenz kann die Kanzlei einkaufen, indem sie etwa einen Redakteur einstellt oder die Dienstleistung extern vergibt. Auch Kanzlei-Marken müssen Geschichten erzählen.", beschreibt Marx einen weiteren Zukunftstrend.

Seit der Landung angloamerikanischer Kanzleien in Deutschland vor rund 15 Jahren ist auch die Angabe von Umsatz- und Erfolgszahlen nicht mehr tabu. Umsatzrankings mit real von den Kanzleien mitgeteilten und/oder redaktionell hinzugeschätzten Zahlen sind mittlerweile Standard. Und auch mit den eigenen Prozesserfolgen halten Anwälte längst nicht mehr hinter dem Berg, wie das Beispiel der auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Kanzlei ciper & coll. zeigt. Gleich auf der Homepage www.ciper.de listet die Kanzlei die jüngsten Prozesserfolge auf. Darunter heißt es: "Schauen Sie sich eine Auswahl von weiteren rund 700 Prozesserfolgen aus der jüngeren Vergangenheit an – bundesweit beispiellos!"

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BORA ist die Angabe von Erfolgs- und Umsatzzahlen nur dann unzulässig, wenn sie irreführend ist. Daraus folgt: "Grundsätzlich ist eine solche Werbung erlaubt. Gleiches gilt dann auch für Prozesserfolge", erläutert Prof. Dr. Volker Römermann. Er macht aber auf eine wichtige Einschränkung aufmerksam: Sofern der Mandant in der Werbung erkennbar oder zumindest identifizierbar ist, muss der Anwalt die Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht einholen.

Zitiervorschlag

30 Jahre Bastille-Beschlüsse: . In: Legal Tribune Online, 04.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22815 (abgerufen am: 12.11.2024 )

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