Weil sich eine Schöffin in rechtsextremen Kreisen und gegen die Corona-Politik öffentlich engagierte, wurde sie nun durch das Thüringer Oberlandesgericht ihres Amtes enthoben. Sie habe damit gegen das Mäßigungsgebot verstoßen, so der Senat.
Der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts (OLG) hat mit nun veröffentlichtem Beschluss vom 09. März 2023 (Az. S AR 5/23) entschieden, dass eine Schöffin des Landgerichts (LG) Erfurt ihres Schöffenamtes enthoben wird. Sie habe durch ihre umstrittenen politischen Aktivitäten gegen das auch für Schöffen geltende Mäßigungsgebot verstoßen.
Das Mäßigungsgebot stellt einen beamtenrechtlichen Grundsatz dar und ist für Richter in § 39 Deutsches Richtergesetz (DRiG) normiert. Es verlange von Richtern und auch von ehrenamtlichen Richtern, dass sie alles unterlassen müssen, was nach außen den Eindruck der Voreingenommenheit oder Unsachlichkeit entstehen lassen kann, führt der Senat in seiner Entscheidung an. Das Gebot werde dann verletzt, wenn das Verhalten und die Meinungen eines Richters bei aktuellen politischen Auseinandersetzungen aus objektiver Sicht das Vertrauen in eine neutrale Justiz erschüttern könnten. Dies gelte vor allem dann, wenn ein außerdienstliches Verhalten Auswirkungen auf die dienstliche Tätigkeit des Richters haben kann.
Zu viele Berührungspunkte in Corona-Verfahren befürchtet
Einen solchen Fall sah das OLG. Die Laienrichterin soll Berichten des MDR zufolge zu den Aktivisten im Zuge der Corona-Proteste gehört und im vergangenen Jahr eine rechte Demo vor dem Landtag angemeldet und an einem Netzwerktreffen der NPD teilgenommen haben.
Das erhebliche politische Engagement der Schöffin in der Öffentlichkeit, über das auch ausführlich in der Presse berichtet worden war, war auf eine breite Außenwirkung angelegt, heißt es in der Mitteilung des Gerichts zu der Entscheidung. Es habe stark umstrittene Fragen nach dem Umgang mit der Pandemie sowie nach dem darauf bezogenen Handeln des Gesetzgebers betroffen.
Bei der weiteren Ausübung des Richteramts durch die Schöffin hätte es zudem zu zahlreichen Berührungspunkten zwischen Verfahren in Zusammenhang mit dem Pandemiegeschehen und ihren außerdienstlichen Aktivitäten bzw. den darin zum Ausdruck kommenden politischen Meinungen kommen können, das Gericht weiter. Beispielsweise hätte die Schöffin in Straf- und Bußgeldverfahren zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, zur Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse oder zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mitentscheiden dürfen.
Keine Unparteilichkeit mehr garantiert
Aus objektiver Sicht von Verfahrensbeteiligten sei damit bei der Schöffin im Ergebnis keine Unparteilichkeit des Richters mehr gewährleistet. Der Senat hat das Verhalten der Schöffin darüber hinaus als einen besonders groben Verstoß gegen das Mäßigungsgebot bewertet. Damit sei die Schöffin wegen gröblicher Verletzung ihrer Amtspflichten gemäß § 51 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zu entlassen.
Der Senat betonte, dass er gerade nicht die Frage zu entscheiden gehabt habe, ob ihre Gesinnung tatsächlich rechtsextremistisch ist, so die Pressesprecherin des OLG gegenüber LTO ausdrücklich. Gegen die Entscheidung sind Rechtsmittel nicht zulässig (§ § 51 Abs. 2 S. 2 GVG).
Die Schöffin hätte ihr Amt aufgrund der anstehenden Schöffenwahl, der dieses Jahr besondere Bedeutung zukommen könnte, nur noch dieses Jahr ausgeübt. Sie kann sich theoretisch erneut bewerben.
lp/LTO-Redaktion
Thüringer OLG sieht Verstoß gegen das Mäßigungsgebot: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51330 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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