Es ist das schillernde Versprechen der GroKo: der "Pakt für den Rechtsstaat". 2.000 neue Stellen für die Justiz – aber wer soll das bezahlen? Die Länder wollen nun mit einer GG-Änderung den Weg frei machen für Finanzspritzen aus dem Bund.
Über kaum einen Begriff wird in Deutschland derzeit so viel diskutiert wie über den Rechtsstaat. Mal ist er wehrlos, mal schwach, dann zeigt er wieder Zähne und muss sich bewähren - verknüpft wird er mit Orten von Ellwangen bis Erbil.
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag einen "Pakt für den Rechtsstaat" vereinbart, der eine vor allem personelle Stärkung der Justiz vorsieht, wie sie nahezu alle Parteien im Wahlkampf versprachen. Ein Kernelement dieses Pakts: "Mindestens 2.000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte bei den Gerichten der Länder und des Bundes". Aber die wichtigste Frage blieb offen: Wer soll die Stellen, die mehrheitlich auf Landesebene entstünden, finanzieren – der Bund oder die Länder?
Genau gesprochen hat man darüber offenbar nicht, denn hört man sich um, so stößt man nun auf viele Unklarheiten und eine gewisse Enttäuschung in den Ländern. "Wenn der Bund 2.000 zusätzliche Stellen haben will, muss er auch sagen, woher das Geld kommen soll", sagte der Hamburger Justizsenator Till Steffen am Rande der Justizministerkonferenz. Und auch Jörg Herold, Pressesprecher des Staatsministeriums der Justiz in Sachsen, konnte sich nur an wohlklingende Worte der neuen Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erinnern, die aber "wenig Zählbares" gesagt habe, wie er gegenüber LTO erklärte. Was genau der Pakt vorsehe und vor allem, wer ihn bezahlen solle, "das blieb alles im Dunkeln", so Herold. Hoffnung auf Unterstützung aus Berlin macht man sich jedenfalls wenig, denn das Grundgesetz erlaube schon gar keine Bundeshilfen.
So machte auch Barley selbst kürzlich in einem Interview mit der FAZ eine klare Ansage in Richtung der Länderchefs: "Von den 16 Ministerpräsidenten waren 14 unmittelbar in den Koalitionsverhandlungen dabei. Ihnen allen war bewusst, dass der Bund den Ländern nicht Richterstellen bezahlen kann. Das verbietet das Grundgesetz."
NRW will Finanzverfassung ändern, um Bundeshilfen zu ermöglichen
Die Bundesländer waren bei den Verhandlungen dabei, das stimmt - aber ausreichend beteiligt fühlt man sich dort offenbar nicht. Nun machen die Länder ernst und wollen das Grundgesetz (GG) ändern. Ein Antrag aus Nordrhein-Westfalen, der LTO exklusiv vorliegt, schlägt vor, in die Vorschriften der Finanzverfassung noch einen Art. 104e einzufügen mit folgendem Inhalt: "Der Bund kann den Ländern im gesamtstaatlichen Interesse liegende Finanzhilfen im Bereich der personellen und sächlichen Ausstattung der Justiz gewähren." Die Länder, so heißt es in der Begründung, stünden aufgrund des Paktes vor erheblichen Investitionen. Nehme man diesen aber ernst, so sei man dabei auf Unterstützung des Bundes angewiesen. "Nur wenn Bund und Länder im gesamtstaatlichen Interesse zusammenwirken, kann der Rechtsstaat handlungsfähig bleiben", schreibt NRW.
Wenn der Antrag Erfolg hätte, wäre der Weg für Finanzspritzen für die Justiz aus dem Bund frei. Nach Informationen von LTO hat er diese Woche eine Mehrheit im Rechtausschuss des Bundesrats erhalten, auch der Innenausschuss stimmte demnach am Donnerstag dem Antrag zu.
Technisch wäre der kleine, aber gewichtige Änderungsvorschlag in ein umfangreicheres Gesetzgebungsprojekt der Bundesregierung zur Grundgesetzänderung eingepasst, das gerade den Bundesrat passiert. In dem Grundvorschlag geht es eigentlich um ganz andere Themen wie Bildung oder sozialen Wohnungsbau. Weil der Antrag zur Justiz nur als Zusatz in das Verfahren kommt, wurde er bislang noch nicht veröffentlicht.
Initiative könnte Anfang Juli beschlossen werden
Die nächste Plenumssitzung findet am 6. Juli statt, der Plan zur Grundgesetzänderung steht als TOP 14 auf der Tagesordnung und könnte bereits beschlossen werden. Im nordrhein-westfälischen Justizministerium ist man derweil guter Dinge, dass es so kommen wird und man dem Bund bald die Finanzierung einiger Richterstellen "abringen" könne, so Ministeriumssprecher Dirk Reuter zu LTO.
Auf welches Echo der Vorstoß aus NRW im Bund stoßen wird, ist derzeit noch offen. Im Haus von Katarina Barley jedenfalls hielt man sich am Donnerstag auf Anfrage hinsichtlich des Antrags bedeckt. Man werde erst einmal den Beschluss im Bundesrat abwarten, erklärte Dr. Stephanie Krüger, Pressesprecherin des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Sobald die Initiative in den Bundestag gelange, werde die Bundesregierung und damit auch das BMJV dazu Stellung beziehen, so Krüger. Von Unstimmigkeiten mit den Ländern wisse man in ihrem Haus hingegen nichts. Der "Pakt für den Rechtsstaat" sei schließlich mit den Länderchefs ausgehandelt worden.
Die spielen den Ball jetzt dem Bund zu. Ob die Bundesjustizministerin sich weiterhin darauf berufen kann, dass es dem Bund verfassungsrechtlich verboten ist, die Länder in Sachen Justizausstattung zu unterstützen, das hat der Bund also bald selbst in der Hand.
Markus Sehl und Maximilian Amos, LTO exklusiv: Länder bringen Grundgesetzänderung auf den Weg: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29315 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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