Die Kieler Staatsanwaltschaft hat zu lange gegen die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen ermittelt. Dies steht nun rechtskräftig fest, nachdem das Justizministerium keine Rechtsmittel gegen das Urteil des OLG Schleswig eingelegt hat.
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) zu einer Entschädigungsklage der Landesdatenschutzbeauftragten Marit Hansen ist rechtskräftig. Dies bestätigte das Gericht am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich freue mich, dass das Justizministerium keine Rechtsmittel eingelegt hat, denn das bedeutet, dass es das Urteil akzeptiert hat", erklärte sie.
Hansen hatte das Justizministerium als Dienstherrin der Staatsanwaltschaft Kiel auf eine finanzielle Entschädigung verklagt (Az. 17 EK 2/19), nachdem sich ein Verfahren gegen sie über Jahre hingezogen hatte. Ihr wurde Betrug bei der Abrechnung von Förderprojekten vorgeworfen. Ein Ex-Mitarbeiter Hansens hatte Strafanzeige gestellt.
Das Verfahren gegen Hansen war nach drei Jahren und acht Monaten im Juni 2019 wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt worden. Mit der Einstellung verbinde sich kein Schuldnachweis, erläuterte das Gericht seinerzeit.* Der Vorwurf hatte sich laut Staatsanwaltschaft weitestgehend nicht bestätigt. Fördergelder wurden nicht zurückgefordert.
Hansen: Verfahrensrügen sollen "ernst genommen" werden
Das OLG urteilte nun Ende Juni, die Staatsanwaltschaft Kiel habe viel zu lange ein Ermittlungsverfahren gegen Hansen geführt. Eine finanzielle Entschädigung wurde ihr aber nicht zugestanden. Hansen habe mit der gerichtlichen Feststellung der überlangen Verfahrensdauer und dem Verfahren vor dem Senat hinreichende Genugtuung erfahren, befand das Gericht indes. "Sie konnte dort sowie im Vor- und Nachgang ihr Anliegen angemessen und medial beachtet darstellen", so der Senat.
Und so habe das Urteil eine Bedeutung über ihren Einzelfall hinaus, wie Hansen in einer persönlichen Erklärung am Dienstag mitteilte. "Ich wünsche mir für die Zukunft, dass jede Verzögerungsrüge ernst genommen und behandelt wird." Das OLG hatte deswegen unter anderem bemängelt, dass das Verfahren nicht der Unschuldsvermutung gerecht geworden war.
Gerade eine prioritäre Behandlung habe die Behördenleitung nach der ersten Verzögerungsrüge auch zugesagt. "Auch haben organisatorische Mängel in Form wiederholter Wechsel der zuständigen Staatsanwälte jedenfalls ab dem Jahr 2018 zu weiteren vermeidbaren zeitlichen Verzögerungen geführt", rügte das Gericht.
Staatsanwaltschaft soll Verantwortung übernehmen
Staatsanwaltschaft und Regierungsverantwortliche sollten Lehren aus der Gerichtsentscheidung ziehen, sagte der SPD-Datenschutzpolitiker Stefan Weber bereits nach dem Urteil. Die Angelegenheit sei für die Justiz mehr als nur eine peinliche Schlappe. In diesem Fall sei keine Schuld bewiesen, aber auch keine Unschuld bescheinigt worden – "nur um ein völlig verkorkstes Verfahren irgendwie vom Tisch zu bekommen". Das sei eines Rechtsstaates nicht würdig.
In dem Verfahren seien Anfragen nicht beantwortet, Beweisangebote nicht verfolgt und daraus resultierende Untätigkeitsbeschwerden nicht bearbeitet worden, kritisierte Weber. Dafür sei eine stigmatisierende Einleitung eines Strafverfahrens öffentlichkeitswirksam in der Presse verkündet worden - das habe wenig mit Respekt vor den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen zu.
Hansen merkte in ihrer Erklärung zur nun rechtskräftigen Entscheidung an, dass das OLG eine Fehlerkultur bei der Staatsanwaltschaft angemahnt habe. Die Ermittlungsbehörde solle demnach Fehler einräumen und dafür die Verantwortung übernehmen. "Das betrifft sicherlich nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Aufsicht durch die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium."
dpa/mgö/LTO-Redaktion
*Satz eingefügt am 12.08.2020, 11:08h (tap)
Urteil des OLG Schleswig rechtskräftig: . In: Legal Tribune Online, 11.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42461 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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