Internationale Wirtschaftsstreitigkeiten: NRW will London als Top-Jus­tiz­standort ablösen

28.03.2018

NRWs Justizminister Peter Biesenbach will das Land zum neuen Top-Gerichtsstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten machen. Dazu sollen spezielle Wirtschaftskammern eingerichtet werden, die auf Englisch verhandeln sollen.

Justizminister Peter Biesenbach (CDU) will Nordrhein-Westfalen nach dem Brexit als wichtigsten Gerichtsstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten in Stellung bringen. Ziel sei es, London nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU als Gerichtsstandort Nummer eins für zivile Wirtschaftsverfahren abzulösen, sagte er am Mittwoch in Düsseldorf.

Dazu will Biesenbach Wirtschaftskammern ("commercial courts") an den drei Oberlandesgerichten in Köln, Düsseldorf und Hamm einrichten sowie weitere Kompetenzzentren für spezielle Wirtschaftsfragen an mehreren der 19 Landgerichte. Weitere Kompetenzzentren sollen sich an mehreren der 19 Landgerichte spezialisieren - etwa auf Fusionen, Unternehmenskäufe, Betriebsübergänge oder Transaktionen. "Wir brauchen Waffengleichheit und Augenhöhe, wenn die Parteien mit hoch spezialisierten Anwälten kommen", erklärte der Minister.

Voraussetzung sind allerdings Änderungen verschiedener rechtlicher Rahmenbedingungen auf Bundesebene, für die Biesenbach am 6. Juni bei der Justizministerkonferenz in Eisenach werben will. So sollen in den großen Wirtschaftsstreitigkeiten dann - statt wie bisher ein Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richter – drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter auf der Richterbank sitzen. Im Gegenzug sollen auch bei den Berufungssenaten ehrenamtliche Richter hinzugezogen werden können.

Verfahren sollen auf Englisch geführt werden können

In den besonders großen und komplexen Verfahren will Biesenbach die Möglichkeit für einen direkten Zugang zu den Oberlandesgerichten schaffen, um den Parteien ein schnelles, "abgeflachtes" Verfahren anbieten zu können, das eine Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit sein soll. Die spezialisierten Wirtschaftsgerichte sollen künftig auch ein neuartiges Schlichtungsverfahren anbieten können, das anders als bisherige Gütetermine keine Klage voraussetzt. Für zügige Verfahren mit hoher Akzeptanz seien spezialisierte Kammern mit unparteiischen Richtern und einer klaren Prozessordnung aber vorzuziehen.

Weiter will Biesenbach sich dafür stark machen, dass Wirtschaftsprozesse mit internationalen Partnern künftig komplett auf Englisch geführt werden können. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf brachte er Anfang März bereits in den Bundesrat ein. Bislang sei die Sprache das größte Hindernis für internationale Wirtschaftskonzerne, deutsche Gericht anzurufen - trotz ihres guten Rufs. "Wer seinen gesamten Geschäftsbetrieb auf Englisch organisiert hat, der möchte auch auf Englisch prozessieren", sagte Biesenbach. 

*Der Vorstoß des NRW-Justizministers ist nicht der erste Versuch, hierzulande englischsprachige Verhandlungen zu erleichtern. Das Landgericht Frankfurt am Main hat ebenfalls bereits eine englischsprachige Kammer für Handelssachen eingerichtet. Beantragt dort eine Partei, eine Handelssache auf Englisch zu verhandeln, wird der Rechtsstreit automatisch der englischsprachigen Kammer zugewiesen. Sind beide Parteien einverstanden, kann die Verhandlung auf Englisch geführt werden.

acr/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

*Der Absatz wurde nachträglich eingefügt, Tag der Veröffentlichung, 17:05.

Zitiervorschlag

Internationale Wirtschaftsstreitigkeiten: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27775 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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