Verfassungsfeindliche Aussagen von Richtern und Staatsanwälten sollen länger als bisher disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. Auch sollen in Extremfällen schneller Dienstbezüge gekürzt werden können, so ein Vorschlag aus Sachsen.
Ein umstrittener AfD-Rückkehrer in die Landesjustiz, rechtsextreme Referendare in der Ausbildung. Es sind wenige bekannte Fälle, aber sie beschäftigen Verwaltung und Gerichte. Das Justizministerium Sachsen will Konsequenzen aus seiner Erfahrung mit Extremisten in der Justiz ziehen. Wenn sich am Donnerstag die Justizministerinnen und -minister in der bayerischen Landesvertretung in Berlin treffen, steht auch ein Beschlussvorschlag aus Sachsen auf der Tagesordnung, der LTO vorliegt. Er sieht vor, Fristen im Disziplinarrecht auszuweiten, damit Extremismusfälle länger berücksichtigt werden können.
Bislang darf ein Vorfall nach zwei Jahren nicht mehr verwertet werden, um einen Verweis auszusprechen. Bei einer Geldbuße oder Kürzung der Dienstbezüge sind es im Disziplinarrecht drei Jahre, für die Zurückstufung bleiben sieben Jahre. Mit der Härte der Sanktion und dem Grad der Vorwerfbarkeit steigt auch der Verwertungszeitraum. Dem sächsischen Justizministerium reicht das allerdings nicht aus. Nach dem Vorschlag sollen etwa extremistische Äußerungen zukünftig für den Verweis noch fünf Jahre, für Geldbuße bzw. die Kürzung von Bezügen sieben Jahr, sowie für die Zurückstufung noch zehn Jahre verwertet werden dürfen.
Erweiterte Fristen für eine Gesamtschau von Vorwürfen
In dem Beschlussvorschlag wird argumentiert, dass Verstöße gegen das politische Mäßigungsgebot (§ 60 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz, § 33 Abs. 2 BeamtStG) sich regelmäßig nicht anhand einer einzelnen, möglicherweise auch interpretationsbedürftigen Aussage bewerten lassen, sondern erst durch eine Gesamtschau mehrerer Aussagen oder Verhaltensweisen. Eine solche Gesamtbewertung könnte durch zu kurze Fristen gehindert werden.
Außerdem sollen Richter oder Staatsanwältinnen, denen nach § 35 Deutsches Richtergesetz (DRiG) vorläufig die Amtsgeschäfte untersagt werden, zukünftig keine vollen Bezüge mehr erhalten. Nach § 35 DRiG kann in Verbindung mit § 31 DRiG vorläufig die Tätigkeit untersagt werden, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.
Beide Änderungen betreffen Bundesgesetze. Die Länder können den Bund also nur freundlich zur Überprüfung und Änderung auffordern.
Beschlussvorschlag: "Jeder Extremismus-Fall im öffentlichen Dienst ist einer zu viel"
"Nur eine kleine Minderheit im öffentlichen Dienst weist verfassungsfeindliche Züge auf oder verfolgt sogar verfassungsfeindliche Ziele. Doch im öffentlichen Dienst ist jeder Extremismus-Fall einer zu viel", heißt es in dem Vorschlag. "Das Vertrauen der in Deutschland lebenden Menschen in die Verfassungstreue der im öffentlichen Dienst Tätigen ist elementare Voraussetzung eines gedeihlichen Zusammenlebens."
Anlass für die Änderungsvorschläge aus Sachsen dürfte unter anderem der Fall des ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier gewesen sein, der nach seiner Zeit im Parlament 2022 als Richter in den Justizdienst Sachsens zurückkehren will. Die Justizverwaltung will darauf mit einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand reagieren. Wie tragfähig das Vorgehen der sächsischen Justizverwaltung gegen Maier am Ende sein wird, muss sich erst noch herausstellen. Das Richterdienstgericht Leipzig wird über seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand entscheiden.
Rechtsunsicherheit in Extremistenfälle
Sein Fall macht deutlich, wie schwierig der juristische Umgang mit solchen Fällen ist. Einerseits soll die richterliche Unabhängigkeit verhindern, dass aus politischen Gründen Richter diszipliniert werden können, andererseits muss es der Justiz in gravierenden Fällen möglich sein, auf Vorfälle zu reagieren. Zwischenzeitlich waren mit Richteranklage, verschiedenen fast vergessenen und wiederentdeckten Disziplinarmaßnahmen und Fragen nach Verfristung sowie nicht verwertbarer Aussagen aus den Parlamentsreden eine ganze Reihe offener Rechtsfragen diskutiert worden. Nicht zuletzt auch zum Verhältnis der verschiedenen Maßnahmen zueinander: Was soll vorgehen, die disziplinarrechtliche Suspendierung oder die vorläufige Untersagung der Dienstgeschäfte aus dem Richtergesetz oder beide parallel?
"Meine Erfahrungen der letzten Monate haben mir gezeigt, dass es hier Regelungslücken und Rechtsunsicherheiten gibt", sagte die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) zu LTO. "Es ist unabdingbar für unseren Rechtsstaat, dass sich Richterinnen und Richter, Beamtinnen und Beamte jederzeit und uneingeschränkt zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen."
Deutscher Richterbund begrüßt Vorschlag
Auch der Deutsche Richterbund signalisierte Unterstützung für den Vorschlag. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich fest darauf verlassen können, dass der öffentliche Dienst verfassungstreu ist", sagte der Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn zu LTO.
"Es ist wichtig, auf die wenigen Fälle von Extremismus im Staatsdienst, die den Ruf aller und das Vertrauen in den Staat beschädigen, konsequent reagieren zu können." Soweit sich Regelungslücken und Rechtsunsicherheiten zeigten, die ein entschlossenes Vorgehen gegen Extremismus erschweren, sollte der Gesetzgeber diese beheben, so Rebehn. "Deshalb ist die Initiative Sachsens, das Dienst- und Disziplinarrecht auf den Prüfstand zu stellen, sehr zu begrüßen."
Der Vorschlag war bereits im September Thema bei einer gemeinsamen Sitzung der Innen- und Justizminister in München. Dort wurden die Vorschläge diskutiert, nun geht es in Berlin darum, ob auch ein Beschluss gefasst wird.
Disziplinarrecht wird Thema bei Jumiko: . In: Legal Tribune Online, 09.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50125 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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