Nach Hungertod eines Häftlings in NRW: Der Erlass zum "Ster­be­fasten"

30.08.2021

Nach dem Hungertod eines Häftlings im Justizkrankenhaus Fröndenberg hat das Landesjustizministerium einen Erlass zum "Sterbefasten" an alle Gefängnisse in NRW gerichtet.

Das Landesministerium ist der Auffassung, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Mensch das Recht hat, sich durch Nahrungsverweigerung das Leben zu nehmen, wenn er bei vollem Bewusstsein ist. Mit dem Erlass vom 25. August gibt es nun eine Anweisung, wie in solchen Fällen zu verfahren ist. So soll der freie Wille des Gefangenen, sterben zu wollen, in einer Patientenverfügung festgehalten werden, in der der Gefangene sich zudem ausdrücklich gegen eine künstliche Ernährung ausspricht.

Trotz Essensverweigerung sei betreffenden Häftlingen stets regelmäßig Nahrung anzubieten. Bei Zweifeln an der freien Willensbildung sei ein Psychiater hinzuzuziehen. Zudem wird empfohlen, den Gefangenen über die Folgen seiner Verweigerung von Essen und Trinken zu belehren und dies aktenkundig zu machen.

Im Fall des Häftlings, der verdurstet und verhungert war, war eine Zwangsernährung geprüft, aber als unzulässig verworfen worden. Der Mann habe aus freien Stücken Nahrung und Trinken verweigert, nachdem er zuvor mehrere Suizidversuche unternommen hatte, hatte das Ministerium berichtet.

Opposition kritisiert Landesregierung: Verhungerter Häftling psychisch krank?

Aus Sicht der Opposition gab es zahlreiche Hinweise auf eine schwere psychische Störung des 67-Jährigen. So habe der Häftling die Nahrungsaufnahme mit der Begründung verweigert, das Essen sei vergiftet und der Teufel sei in ihm. Dies spreche nicht für einen freiwilligen Suizid bei voller Zurechnungsfähigkeit. "Wenn ich das Essen verweigere, weil es vergiftet ist, will ich leben und nicht sterben", hatte der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld gesagt.

Der Gefangene war wegen der Tötung seiner Ehefrau verurteilt worden. Beim Prozess war ihm eine schwere Depression attestiert und eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen worden. Der Rechtsanwalt des 67-Jährigen hatte schwere Vorwürfe nach dem Tod seines Mandanten erhoben. Dieser hätte in eine Psychiatrie statt ein Gefängnis gehört. Der 67-Jährige war Mitte Dezember im Haftkrankenhaus Fröndenberg gestorben.

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft hatte die Todesermittlungen drei Wochen nach dem Tod des Gefangenen eingestellt. Ein Verdacht des Totschlags durch Unterlassen Dritter hatte sich aus Sicht der Behörde bei den Ermittlungen nicht ergeben. Laut Justizministerium NRW hatten die Voraussetzungen für eine Zwangsernährung nicht vorgelegen.

ast/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nach Hungertod eines Häftlings in NRW: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45871 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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