Nach breitem Protest wird Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) nicht alle Arbeits- und Sozialgerichte des Bundeslandes zusammenlegen. Geplant sind zwei Fachgerichtszentren für die Obergerichte und Außenstellen.
Der Druck von Berufsverbänden, Gewerkschaften und nach Verlautbarungen auch der eigenen Partei haben Kerstin von der Decken (CDU) zum Einlenken gebracht. Die Justizministerin Schleswig-Holsteins hat zusammen mit den Präsidenten der Obergerichte bekannt gegeben, dass sie an ihren Plänen zur Strukturreform nicht festhalten wird. Es ging um die Schließung der Arbeits- und Sozialgerichte in der Fläche. Das Vorhaben ist weitgehend vom Tisch.
Geplant wurde unter Einbeziehung der Gerichtspräsidenten, zwei Fachgerichtszentren in Kiel und Schleswig für die Obergerichte aufzusetzen. Dazu werden das Finanzgericht und das Landesarbeitsgericht am Standort des Finanzgerichts in Kiel zusammenziehen. Das Landessozialgericht und das Oberverwaltungsgericht (OVG) ziehen am OVG Standort in Schleswig zusammen.
Statt der bisher vier erstinstanzlichen Sozialgerichte soll es künftig noch zwei geben: Dazu sollen das Sozialgericht Kiel und Itzehoe bestehen bleiben. Beide Gerichte bekommen Zweigstellen: Kiel eine in Schleswig, das SG Itzehoe soll eine Zweigstelle in Lübeck erhalten. Für die Mitarbeitenden werde sich nichts ändern, der Verwaltungsapparat aber reduziert werden.
In der Arbeitsgerichtsbarkeit soll es statt der aktuell fünf erstinstanzlichen Gerichte künftig zwei Sitze in Kiel und Lübeck mit jeweils auswärtigen Kammern geben. Das ArbG Kiel soll eine auswärtige Kammer in Flensburg bekommen, das ArbG Lübeck soll eine auswärtige Kammer am Sitz des Landgerichts Itzehoe bekommen – in den Gebäuden der Sozialgerichtsbarkeit. Die Idee sei, so der Staatssekretär bei der Pressekonferenz, die Gerichte in den landeseigenen Gebäuden zusammenzuziehen, um Gebäude und Flächen abmieten zu können. Es gehe um eine Gebäudereduktion von derzeit 17 auf zehn Gebäuden an den bestehenden Standorten.
Geschlossen wird das Arbeitsgericht in Neumünster, an dem nach Angaben von Staatssekretär Otto Carstens aktuell elf Mitarbeitende tätig sind. Das soll in das Arbeitsgericht in Kiel integriert werden. Das ArbG Elmshorn soll an dem Sitz des Landgerichts – wiederum im Gebäude des Sozialgerichts (SG) – in Itzehoe integriert werden. Mit diesen Plänen hofft die Ministerin auf Einsparungen zwischen 45 und 50 Millionen Euro.
Ursprünglich Schließung in der Fläche geplant
Von der Decken hatte im September anlässlich der Haushaltsdebatte mitgeteilt, sie wolle die neun Arbeits- und Sozialgerichte in der Fläche schließen und an einem Standort zusammenziehen. Zudem sollte das Finanzgericht umziehen und auf längere Sicht sollte es nur noch ein Amtsgericht pro Kreis geben. Richter:innen, Beschäftigte und Gewerkschafen waren erst im Anschluss an die Haushaltssitzung per E-Mail von dem Vorhaben informiert und damit überrascht worden.
Gegen die Pläne positionierten sich regional und bundesweit Richter- und Anwaltsverbände. Ein DGB-Funktionär startete eine Petition, die innerhalb weniger Tage das erforderliche Quorum erreichte. Mitte Oktober fand zudem eine Demonstration vor dem Kieler Landtag statt. Zu dieser hatte ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden sowie Anwalts- und Richterverbänden aufgerufen. Die gemeinsame Kritik lautete: Die geplante Zentralisierung gefährde massiv den Zugang der Bürger:innen zur Justiz und erschwere zudem die Arbeitsbedingungen erheblich. Trotz des Widerstands hielt die Ministerin an der Idee zunächst fest.
Bisschen Freude, bisschen Hoffnung auf Dialog
Der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) Siebel-Huffmann begrüßt den heutigen Kabinettsbeschluss, mit dem die Fachgerichtsstrukturreform im Wesentlichen zurückgenommen wurde. "Die fachlich fundierten Argumente und der von allen getragene Protest haben die Landesregierung überzeugt. Das ist ein guter Tag für Schleswig-Holstein und für die in der Fläche verankerte Justiz", sagt Siebel-Huffmann. Auffällig sei aus Sicht der ASJ, dass niemand die Reform unterstützt habe.
Nun müsse man schauen, was die neuen Pläne im Detail bedeuten. "Wichtig ist heute die Wiedereröffnung eines Dialogs und die Stärkung der Justiz", so Siebel-Huffmann, der auch Vorsitzender Richter am Landessozialgericht ist. Auch der Auseinandersetzung in den vergangenen acht Wochen kann er etwas Positives abgewinnen: "Die Bedeutung der Justiz für die Bevölkerung wurde im Detail diskutiert. Erst wenn etwas verschwinden soll, wird genau hingesehen."
Wulf Benning, Präsident des Landesarbeitsgerichts, sagte: "Unser Ziel war es, die Regionalität zu erhalten". Das sei im Wesentlichen erreicht worden. Es zeigte sich optimistisch, die Mitarbeitenden bei diesen Plänen mitnehmen zu können. Aus deren Reihen habe er zu den ursprünglichen Plänen gehört: "Alles ist besser als das, was uns hier vorgeschlagen wurde."
Gerichtsreform in Schleswig-Holstein: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55903 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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