Bürgerfreundlicher, effizienter und ressourcenschonender: Pünktlich zum Zivilrichtertag im Februar hat eine Arbeitsgruppe ihr Diskussionspapier zur "Modernisierung des Zivilprozesses" vorgelegt. Sieht so die Zukunft der ZPO aus?
Bereits im Vorfeld waren wesentliche Punkte bekannt geworden, nun ist das Papier zur Zukunft des Zivilprozesses aber offiziell fertiggestellt. Die von den Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte (OLG), des Kammergerichts (KG), des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) eingesetzte Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zivilprozesses" hat am Donnerstag ein abschließendes Diskussionspapier für den Zivilrichtertag am 2. Februar 2021 veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Nürnberger OLG-Präsidenten Dr. Thomas Dickert schlägt darin "eine weitreichende und innovative Modernisierungen des Zivilprozesses vor, um neue technischen Möglichkeiten sinnvoll nutzbar zu machen und Gerichtsverfahren bürgerfreundlicher, effizienter und ressourcenschonender zu gestalten".
Die Arbeitsgruppe, die ihre Arbeit im September 2019 aufnahm, hatte bereits im Juli vergangenen Jahres ein Thesenpapier vorgelegt und dieses bei der 72. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten im vergangenen Oktober in Dresden weiter diskutiert. Das nun vorgelegte Diskussionspapier enthält vertiefte Überlegungen zu den Vorschlägen aus dem Zwischenbericht.
Weniger Fax, mehr Videoverhandlung
Laut Papier soll unter anderem ein bundesweit einheitlicher Bürgerzugang in Form eines Justizportals errichtet werden. Das Justizportal soll sämtliche digitalen Angebote der Justiz integrieren, wie insbesondere das Online-Mahnverfahren, das Beschleunigte Online-Verfahren, die "virtuellen Rechtsantragstellen" und die Möglichkeit zur Teilnahme an einer "virtuellen Gerichtsverhandlung". Auch der elektronische Rechtsverkehr soll optimiert werden, etwa durch die Einführung eines Kanzleipostfachs im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA).
Außerdem soll ein Rechtsrahmen für einen elektronischen Nachrichtenraum geschaffen werden, in dem die formlose elektronische Kommunikation mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie weiteren Verfahrensbeteiligten unabhängig von Schriftsätzen und gerichtlichen Entscheidungen, z.B. für Terminabsprachen und -verlegungen, möglich sein soll. "Perspektivisch muss das Telefax als Übermittlungsweg abgeschafft werden, auch wenn es derzeit noch nicht verzichtbar ist", heißt es im Papier. Daneben fordert die Arbeitsgruppe unter anderem die Einführung eines beschleunigten Online-Verfahrens, mit dem Bürger und Bürgerinnen ihre Anliegen per Eingabemaske einfach und auch ohne Anwalt geltend machen können. Weitere Forderungen sind unter anderem verbesserte Möglichkeiten für Videoverhandlungen und Protokollierung sowie die Stärkung des Vertrauens in die Justiz durch Transparenz.
Wann wird aus den Vorschlägen eine Änderung von ZPO und Co?
Im Rahmen des bundesweiten Zivilrichertags am 2. Februar soll weiter über das Papier beraten werden. Die Beratungen können per Livestream verfolgt werden. Diskutieren werden unter anderem BGH-Präsidentin Bettina Limperg und auch Vertreter der Anwaltschaft. Bisher handelt es sich noch um ein vor allem richterlich geprägtes Vorhaben, spätestens mit dem nun vorgelegten Papier und nach der Tagung dürften sich aber auch verstärkt Wissenschaft und Anwaltschaft in die Diskussion einschalten.
An der Tagung wird auch der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) teilnehmen, ein Zeichen dafür, dass die Vorschläge möglichst bald das Format des Diskussionspapier verlassen und zu einem rechtspolitischen Projekt werden sollen. Bereits auf der Justizministerkonferenz (Jumiko) im Herbst 2020 hatte sich Bayern für das Digital-Thema eingesetzt, der Justizminister Eisenreich hatte zuvor den Posten des Staatsministers für Digitales in Bayern. Mit Beschluss von der Jumiko soll das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen, um die Vorschläge weiterzuentwicklen. Mit Blick auf die knappe verbleibende Zeit der gegenwärtigen Legislaturperiode dürfte das Vorhaben dann ein Fall für die nächste Regierungskoalition werden.
acr/kus/LTO-Redaktion
Richter-Arbeitsgruppe legt Papier vor: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43924 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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