Zu Geldstrafe verurteilt: Mit­ar­bei­terin der Staats­an­walt­schaft ver­steckte mona­te­lang Akten

von Tanja Podolski

15.07.2024

Eine Justizangestellte bei der StA Düsseldorf versteckte Akten und verlängerte eigenmächtig Fristen. Sie war mit dem Arbeitsaufkommen überfordert. Jetzt wurde sie wegen Verwahrungsbruch und Strafvereitelung verurteilt.

Rund acht Monate war Bianca B. in einer Abteilung der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft angestellt, die vor allem Jugend- und Sexualstrafsachen bearbeitet. "Ich war total überfordert", sagte sie am Montag bei der Verhandlung. "Es tut mir super leid, ich weiß nicht, was mich getrieben hat. Das ist nicht zu entschuldigen", sagte die ganz in schwarz gekleidete Angeklagte. Sie sei immer auf sich allein gestellt gewesen, könne nicht um Hilfe bitten. "Ich habe so oft gehört, ich sei allein auf der Welt, das hat sich eingebrannt."

Allein war sie auch an diesem Montag im AG. Sie hatte keinen Anwalt an ihrer Seite, ließ sich von lokaler Boulevardpresse fotografieren, legte ein umfassendes Geständnis ab und verzichtete am Ende auf Rechtsmittel.

Die 46-jährige ehemalige Justizangestellte bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte über Monate Akten versteckt und eigenmächtig Fristen verlängert, weil sie mit dem Arbeitsaufkommen überfordert war. Ein mutmaßlicher Sexualstraftäter konnte deshalb keinem Strafverfahren mehr zugeführt werden – die Tat verjährte. Das Amtsgericht (AG) Düsseldorf hat B. nun wegen Verwahrungsbruch und Strafvereitelung im Amt nach §§ 258, 285a, 133, 53 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt (Urt. v. 15.07.2024, Az. 141 JS 3184/23, 140 Ds 77/24). Der Einzelrichter Kilian Gross ging damit über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus.

Meistens länger und auch am Wochenende gearbeitet

B. sei teilweise schon morgens um 6.30 Uhr bei der Arbeit gewesen, habe meistens länger und auch am Wochenende gearbeitet, sagt sie in der Verhandlung. "Wie viele Überstunden haben Sie denn gemacht?", wollte der Staatsanwalt wissen. "So um die 70 bis 75 Stunden", ganz genau konnte die Angeklagte das nicht sagen – die Stunden werden bei der Behörde bei 60 gekappt. Bestimmt habe es eine Möglichkeit gegeben, Kolleginnen oder die Vorgesetzte um Hilfe zu bitten, sagt sie selbst. Aber es habe dann immer dieses "Augenrollen" gegeben.

"Im Nachhinein denke ich mir das auch, ich hätte trotzdem um Hilfe bitten sollen, ich wollte nie etwas Böses", sagt sie. Sie habe selbst vier Kinder, dass gegen einen Mann nicht weiter ermittelt werden konnte, sei schlimm. "Ich habe immer darauf geachtet, dass nichts anbrennen kann", sagt sie, "bei der Akte habe ich wohl falsch gelegen."

Dutzende Akten in Karton gepackt

In dutzenden Fällen hatte die Frau die Fristen etwa zur Wiedervorlage verändert, um diese später oder gar nicht zu bearbeiten und so zumindest kurzfristig Zeit zu gewinnen. 44 Akten hat sie zudem in ihrem Rollcontainer am Schreibtisch versteckt und einen ganzen Karton mit 68 Verfahrensakten und Posteingängen vollgepackt. Sie beschriftete ihn mit "Karton bitte stehen lassen, Privatkram von Bianca".

Als die Sache aufflog, bekam Bianca B. die fristlose Kündigung, da war sie gerade im Urlaub. Dagegen vorgegangen ist sie nicht, "ich musste die ja akzeptieren".

Verdient hatte die Frau in ihrer Position rund 3.600 Euro brutto, derzeit lebt sie im letzten Monat von Arbeitslosengeld (ALG) I, der Antrag auf ALG II laufe. Zudem bekomme sie das Kindergeld und hofft auf eine neue Anstellung.

Keine 90 Minuten Hauptverhandlung

Das umfassende Geständnis, das auch eine umfangreiche Beweisaufnahme entbehrlich machte, ihre Einsicht, die Entschuldigung, ein makelloses Vorstrafenregister, die Überlastung und der Jobverlust sprachen bei der Strafzumessung aus Sicht von Staatsanwalt Thomas Tupait und auch Richter Kilian Gross für die Angeklagte. "Es ging auch nicht darum, Beschuldigte zu schützen oder Leute vor Strafe zu bewahren", sagte der Staatsanwalt. Auch das hat der Staatsanwalt der Angeklagten zugutehalten.

"Die Justiz – Gerichte und Staatsanwaltschaften – ist hoch belastet", sagte Tupait in seinem Plädoyer. "Einzelne werden an den Rand der Leistungsfähigkeit geführt oder dieser sogar überschritten, wenn auch noch private Belastungen dazu kämen", sagte er. "Das wissen wir in der Justiz". Ein Verstecken von Akten sei dann aber keine Lösung, "auch bei einem Augenrollen wäre geholfen worden", sagt er.

Gegen sie sprach das Eigengewicht der Tat, die Anzahl der versteckten Akten und dass tatsächlich ein Strafverfahren vereitelt worden sei. Hier sei eine Strafvereitelung im Amt gegeben, weil sie als Justizangestellte zur Mitwirkung in Strafverfahren berechtigt und verpflichtet gewesen sei. Der Staatsanwalt hatte auf eine Gesamtstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro plädiert, das reichte dem Richter nicht: Auch unter dem Aspekt der Generalprävention verurteilte der Amtsrichter die Angeklagte zu 140 Tagessätzen à 30 Euro.

Wegen des Verzichts auf Rechtsmittel war das Verfahren damit nach nicht einmal 90 Minuten abgeschlossen.

Die Frau ist nicht die erste, die wegen der Überlastung bei Staatsanwaltschaft und Justiz zu diesem Mittel greift. Ende 2021 hatte das Landgericht Hagen eine Richterin wegen Rechtsbeugung verurteilt, weil sie über Jahre Akten nicht bearbeitet und dann versteckt hatte.

Zitiervorschlag

Zu Geldstrafe verurteilt: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55001 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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