Die Länder haben sich mit den Anwaltsorganisationen darauf geeinigt, die Anwaltsgebühren anzuheben. Die Eckpunkte, die bald beim BMJV ankommen sollen, zeigen aber auch, was die Anwälte nicht bekommen sollen.
Umfangreich war der gemeinsame Forderungskatalog, den die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) im März 2018 gemeinsam der Öffentlichkeit und der Politik vorgestellt hatten. Seit 2013 hatte es keine Anpassung mehr gegeben und es zeigte sich, dass vor allem für viele forensisch tätige Rechtsanwälte die Vergütungen nach dem RVG nicht mehr ausreichen. Die Tariflöhne seien seit 2013 um ca. 13 Prozent gestiegen, aber eine Anpassung der Anwaltsvergütung habe nicht stattgefunden, argumentierten die Anwaltsverbände.
So war es der Kern der Forderung von BRAK und DAV, die Anwaltsvergütung regelmäßig anzupassen, gerne auch geknüpft an die Lohnentwicklung. Bis zum 1. August 2018 stellten sich die Organisationen eine Anpassung von 13 Prozent vor.
Knapp zwei Jahre später sind daraus 10 Prozent geworden, und das nur einmalig. Das geht aus einem Eckpunktepapier vor, das LTO vorliegt. In dem von Länderseite federführend von den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Hessen verhandelten Papier ist nur von einer einmaligen Erhöhung die Rede. In dieser Legislaturperiode soll die Erhöhung nun kommen, frühestens Mitte 2021 also, und damit dann nach immerhin fast neun Jahren ohne Anpassung. Doch es ist allenfalls ein Minimalkonsens.
Auch die Gerichtskosten steigen
Verknüpft werden soll eine parallele Erhöhung der Gerichtsgebühren nach dem Gerichtskostengesetz, dem Familiengerichtskostengesetz und dem Gerichts- und Notarkostengesetz.
Das Argument: Eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wirkt sich auf die Kosten aus, die die Länder im Falle von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe übernehmen müssen. Diese Argumentation wird von vielen Rechtsanwälten, etwa von der Rechtsanwaltskammer Köln, kritisiert. Ihrer Ansicht nach gehört die Rechtspflege zur klassischen Daseinsvorsorge des Staats, die sich nicht "finanzieren" muss und darf.
Doch alle Länder beharren auf einer Erhöhung der Gerichtsgebühren, wenn die Anwaltsvergütung angehoben wird. Auch das schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen nimmt davon nicht Abstand, wie das Justizministerium gegenüber den Anwälten des größten Bundeslandes, in dem ca. ein Viertel der deutschen Anwaltschaft seinen Sitz hat, in der Vergangenheit stets klar machte.
Sondererhöhung im Sozialrecht und mehr Fahrtkosten
Neben der linearen Erhöhung haben die Länder einige weitere Forderungen der Anwälte anerkannt. Im Sozialrecht soll es neben der linearen Anhebung der Gebühren eine Sondererhöhung um 10 Prozent geben, gerade auch bei den Beitragsrahmengebühren, nach denen viele Verfahren für Verbraucher abgerechnet werden. Viele im Sozialrecht tätigen Anwälte hätten sich allerdings eine deutlich höhere Anpassung gewünscht. Die meist angesetzte Mittelgebühr einer Verfahrensgebühr von etwa 300 Euro (Nummer 3102 VV RVG) kann in vielen Verfahren die Anwaltskosten nicht decken.
In der Praxis bedeutsam ist unter anderem die Erhöhung der Fahrtkostenpauschale von 0,30 Euro pro km auf 0,42 km und eine leichte Erhöhung der Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr. 7005 RVG). Die nach Stunden gestaffelten Gelder werden von 25, 40 und 70 Euro auf dann 30, 50 und 80 Euro angehoben.
Gesetzlich verankert werden soll außerdem eine Einigungsgebühr bei außergerichtlicher Beratung im Sinne des § 34 RVG, der Kostenregelung für die Erteilung von Rechtsrat außerhalb eines Verfahrens. Die Gerichte hatten das zum Teil abgelehnt, aber eigentlich sollte es selbstverständlich sein, auch eine eigene Gebühr für eine Einigung zu erhalten, wenn die Tätigkeit ausgeübt wurde.
Zudem soll es Terminsgebühren bei privatschriftlichen Vergleichen sowohl allgemein als auch im Sozialrecht geben.
Zudem sind viele kleinere Anpassungen vorgesehen, die aber nicht entscheidend sind. Zahlreiche weitere Forderungen der Anwaltschaft haben die Länder dagegen abgelehnt. So war gefordert worden, eine zusätzliche Terminsgebühr einzuführen, wenn mehr als drei Termine von über zwei Stunden stattfinden, was etwa in Bauprozessen oder Arzthaftungssachen oft der Fall ist.
Nach der Vorstellung der Anwälte hätten auch die Terminsgebühren insgesamt sowie die Gebühren im strafrechtlichen Bereich erhöht werden müssen, etwa für die Tätigkeit im Zwischenverfahren zwischen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens, die immer wichtiger wird. Das ist offenbar vom Tisch.
Allenfalls eine kleine Anpassung
Dabei ist aus Sicht des BMJV die Forderung, die anwaltliche Vergütung an die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre anzupassen, berechtigt, teilte ein Sprecher auf LTO-Anfrage mit. Der Hamburger Justizsenator Till Steffen freute sich, "dass wir uns bereits vor der Coronakrise gemeinsam auf eine 10-prozentige Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren einigen konnten" und betonte, "es brauchte für uns nicht die Corona-Krise, um zu erkennen, dass Anwältinnen und Anwälte für den Rechtsstaat systemrelevant sind".
Und doch wird es insgesamt wieder nur eine kleine Anpassung werden. BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels hofft nun auf eine rasche Umsetzung: "Die Bundestagsfraktionen haben schon seit langer Zeit signalisiert, dass sie eine Gebührenanpassung befürworten", sagte er gegenüber LTO. DAV-Präsidentin Edith Kindermann spricht von einer "Annäherung und einem guten Weg".
Man darf bezweifeln, dass die forensisch tätigen Anwälte das auch so sehen, selbst wenn es zu einer zeitnahen Umsetzung käme. Update (15.04.2020, 16:15 Uhr): Schleswig-Holstein hat das Eckpunktepapier aus Hamburg, Hessen und Schleswig-Holstein am Mittwoch an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) weitergeleitet, bestätigte ein Sprecher des Justizministeriums Schleswig-Holstein auf LTO-Anfrage. (Update Ende) Grund für die zuvor eingetretene Verzögerung seien u.a. "letzte Abstimmungen zwischen den Ländern, die mehr Zeit als ursprünglich angenommen benötigen". Zudem beschäftige die Coronakrise "auch die Justizverwaltungen stark."
Das Bundesjustizministerium ist bei einer Anpassung des RVG auf die Zustimmung der Länder angewiesen und diese haben sich gemeinsam durchaus quer gestellt. Mehr war wohl für die Anwaltschaft nicht zu erreichen. Dieses Ergebnis zeigt auch, dass die Justizminister in allen Ländern gegenüber den Finanzministern einen schweren Stand haben - Systemrelevanz von Justiz und Anwaltschaft in der Krise hin oder her.
Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kölner Sozietät LLR.
LTO exklusiv zu RVG-Anpassung: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41288 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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