Voraussichtlicher Schlusspunkt eines jahrelangen Streits: Der Landesrechnungshof darf die Rechtsanwaltskammer Brandenburg sowie das Versorgungswerk für Rechtsanwälte des Landes überprüfen.
Seit vergangenem Freitag steht nun fest: Ohne Erfolg. Denn wie die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg gegenüber LTO bestätigte, hat der 10. Senat des OVG am 7. April 2022 entschieden, dass der Brandenburger LRH sowohl die RAK als auch das Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Brandenburg prüfen darf (Az. OVG 10 B 2.18 [Rechtsanwaltskammer], 10 B 5.18 [Versorgungswerk]). Ihre Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Potsdam von 2017 wurde zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Der LRH hatte im Dezember 2015 an beide Einrichtungen die Ankündigung einer Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung für das abgeschlossene Haushaltsjahr 2014 verschickt. Zuletzt hatte eine solche Überprüfung 1998 stattgefunden. Solche Prüfungen haben laut Auskunft des LRH "in der Regel keinen konkreten Anlass".
Gegen die Prüfungsankündigung zogen daraufhin RAK und Versorgungswerk vor das VG Potsdam. Argument: Die Überprüfung durch den LRH beeinträchtige sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht. Außerdem unterliege sie der Aufsicht durch das Justizministerium des Landes. Das VG sah es jedoch anders und bestätigte das Prüfungsrecht des LRH. Gegen dieses Urteil legten RAK und Versorgungswerk Berufung ein, mit der sie jetzt vor dem OVG scheiterten.
Kammern müssen Grundsätze des Haushaltsrechts und der Wirtschaftlichkeit beachten
Grundsätzlich verfügen Berufskammern und Rechnungshöfe über eine weitreichende Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Bei den Berufskammern ist die rechtliche Grundlage dafür das Selbstverwaltungsrecht und bei den Rechnungshöfen eine der richterlichen Unabhängigkeit entsprechende Prüfungsautonomie. In vielen Fällen kommt es hierbei zu Konflikten. In Brandenburg zeigte sich: " Keiner will sich – jenseits der Einhaltung von Gesetzen – bei seiner Tätigkeit Vorgaben machen lassen", so der Staatsrechtler Prof. Winfried Kluth seinerzeit in einem Beitrag für LTO. Auch wenn die Kammern wegen ihres Selbstverwaltungsrechts größere Spielräume besäßen, seien sie, so Kluth an anderer Stelle, auch den allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsrechts und der Wirtschaftlichkeit unterworfen, dürften daher von den Rechnungshöfen in einem bestimmten Rahmen überprüft werden.
So sah es nun auch das OVG. Bis zuletzt hatten Kammer und Versorgungswerk vergeblich versucht, das Gericht von einer anderen Ansicht zu überzeugen: "Wir sind echte Selbstverwaltung und verwalten damit eigenverantwortlich unseren Bereich. Die beabsichtigte Kontrolle wäre Einflussnahme von außen, obgleich der Staat für die Versorgungswerke nicht einsteht", erläutert der Versorgungswerk-Vorsitzende Jens Frick gegenüber LTO.
Bei seiner Argumentation bezieht sich der Anwalt auf CDU-Altkanzler Konrad Adenauer: Schließlich habe dieser einst "ausdrücklich festgehalten", dass die freien Berufsstände nicht von Staats wegen in die Rentenversicherung aufgenommen werden müssten. "Sie sollten sich selber kümmern oder es sein lassen. Nachdem dieses Kümmern erfolgreich geschehen ist, will der Staat doch mitregieren und den Versorgungswerken zusätzliche Prüfungen und Kosten auferlegen?!", so der Anwalt empört. Weder verwalte das Versorgungswerk öffentliche Gelder, noch unterliege es "ausdrücklich" der Landeshaushaltsordnung.
Ob Kammer oder Versorgungswerk gegen die Entscheidung per Nichtzulassungsbeschwerde oder gar mit einer Verfassungsbeschwerde vorgehen werden, ist noch offen: Weiteres, so Frick, werde entschieden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliege.
Ankündigung des Rechnungshofs: Prüfung noch 2022
Mit Genugtuung auf das Urteil des OVG reagierte unterdessen der Präsident des LRH, Christoph Weiser. "Es ging uns aber zu keiner Zeit darum, als Gewinner vom Platz zu gehen. Vielmehr streben wir nun – wie wir es auch sonst immer tun – ein kooperatives Verhältnis zu den geprüften Stellen an." Der LRH plane nun, die Prüfungen noch im laufenden Jahr vorzunehmen.
Nach eigenen Angaben prüft der LRH die wirtschaftliche und sparsame Haushalts- und Wirtschaftsführung auch bei den öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die der mittelbaren Landesverwaltung zugeordnet sind. Dabei beschäftige er sich in der Regel damit, wie Einnahmen erhoben und Ausgaben verwendet werden. Er betrachte auch die Aufbau- und der Ablauforganisation und untersucht, ob die Personal- und Sachausstattung angemessen sei.
"Diese externe Finanzkontrolle durch den Landesrechnungshof tritt neben die staatliche Aufsicht und die interne Prüfung der Jahresabschlüsse der Kammern", heißt es in einer Erklärung des LRH.
"Steilvorlage" des BVerwG?
Zur Begründung seines Prüfungsrechts hatte der LRH im Brandenburger Verfahren auch auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom Mai 2021 verwiesen (Urt. v. 12.05.2021, Az. 6 C 12.19). Danach unterliegen Berufsgenossenschaften als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts und Unfallversicherungsträger mit ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Auch wenn die Berufsgenossenschaften keine staatlichen Zuschüsse erhalte, träfe den Rechnungshof eine staatlich begründete Garantieverpflichtung. Ähnlich sei es auch in Brandenburg hinsichtlich der Kammern und des Versorgungswerks, so LRH-Pressesprecher Dirk Lamm gegenüber LTO. Der Staat leiste Gewähr für den Fall einer Insolvenz.
In ihrem letzten Schriftsatz an das OVG hatten Kammer und Versorgungswerk dem Verweis auf das BVerwG indes heftig widersprochen: Ihnen könne der vom BVerwG entwickelte Grundsatz "in dubio pro inspectione" nicht entgegengehalten werden. Maßgeblicher Grund für die Annahme einer weiten Prüfungsbefugnis sei nach der Rechtsprechung des BVerwG das Demokratieprinzip. Es gehe dabei um das Budgetrecht des Parlamentes.
Hier jedoch sei die Sache anders: Um eine wirksame, parlamentarische Finanzkontrolle gehe es nicht. Die Kläger erhielten keine öffentlichen Gelder. Auch das durch die Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe abzusichernde Budgetrecht des Parlaments sei nicht herausgefordert. Der LRH berichte zwar dem Landtag, Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Lande habe der Landtag aber nicht. "Für die berufsständischen Organisationen hat er keine Zuständigkeit", heißt es im Schriftsatz an das Gericht.
Wann mit der schriftlichen Urteilsbegründung des OVG zu rechnen ist, konnte die Pressestelle des Gerichts nicht abschätzen.
OVG Berlin-Brandenburg: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48129 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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