Online-Gründung einer GmbH, Bekämpfung von Geldwäsche und vielleicht bald auch die geplante Verantwortungsgemeinschaft – das Notariat in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. BNotK-Präsident Jens Bormann mit einem Überblick.
Coronabedingt um ein Jahr verschoben hat die Bundesnotarkammer (BNotK) kürzlich ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert. Zu den Gratulanten zählten auch Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und die Präsidentin des Bundesgerichtshofs (BGH) Bettina Limperg. Beide hoben die Bedeutung des Notariats für Justiz und Gesellschaft hervor. Was sich wie ein roter Faden durch den Festakt spann: Das Ansehen des Notariats gründet einerseits auf seiner Beständigkeit, zugleich aber auch auf seiner Wandlungsfähigkeit. Sei es bei der Digitalisierung, der Bekämpfung von Geldwäsche oder beim materiellen Recht.
Die notarielle Urkunde mit Brief und Siegel steht immer noch für Vertrauen und Sicherheit – für manche aber auch sinnbildlich für die Papierlastigkeit des Notariats. Dabei arbeiten Notarinnen und Notare bereits heute sehr digital und bald noch digitaler. Schon längst werden notarielle Urkunden auch elektronisch erteilt, Siegel und Unterschrift durch die qualifizierte elektronische Signatur mit Notarattribut ersetzt. Auf diese Weise kommunizieren Notare bereits seit 2007 ausschließlich digital mit den Handelsregistergerichten und zunehmend auch mit den Grundbuchämtern. Dabei übersenden Sie zusätzlich strukturierte Daten, die per Mausklick von den Gerichten übernommen werden können. Das Abtippen von Daten aus Papierurkunden gehört damit der Vergangenheit an.
Elektronisches Urkundenarchiv und Online-Gründung
Ab diesem Juli müssen notarielle Urkunden sogar verpflichtend digitalisiert werden. Grund ist das Elektronische Urkundenarchiv, in dem künftig alle notariellen Urkunden 100 Jahre lang in digitaler Form zu verwahren sind. Es bleibt damit bei der bewährten langjährigen Aufbewahrung notarieller Urkunden, denn den Beteiligten und deren Rechtsnachfolgern müssen diese auch nach langer Zeit noch als Beweismittel zur Verfügung stehen.
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie wird es ab August zudem erstmals möglich sein, GmbHs online zu gründen und Registeranmeldungen digital vorzunehmen. Doch dabei darf Digitalisierung keinesfalls zu Lasten von Verbraucherschutz und Rechtssicherheit gehen. Auf dem Deutschen Notartag in Hamburg im vergangenen Jahr hatten darauf auch Vertreter aus der Politik hingewiesen. Zu Recht hält der Gesetzgeber daher an den bewährten notariellen Mitwirkungserfordernissen fest und hat die neuen Online-Verfahren zunächst nur in bestimmten Bereichen des Gesellschaftsrechts zugelassen, weil die Beteiligten dort meist geschäftserfahren sind.
Blockchain, Künstliche Intelligenz und Co.
Bei Immobilienkäufen sollte es hingegen aus Sicht der BNotK beim bewährten Präsenzverfahren bleiben. Ein Grundstückskauf ist für die meisten die größte Investition ihres Lebens. Entsprechend kommt den Beurkundungszwecken Übereilungsschutz und Warnfunktion besondere Bedeutung zu, was in Präsenz besser gewährleistet ist. Nach der Beurkundung sollte es aber zukünftig möglich sein, Immobilienkäufe vollständig digital abzuwickeln, um den Eigentumserwerb zu beschleunigen. Das dafür ins Leben gerufene Projekt "eNoVa" (elektronischer Notar-Verwaltungs-Austausch) unter Federführung des Bundesjustizministeriums dürfte noch in den nächsten Monaten in einen Gesetzentwurf münden.
Eine Urkunde auf dem Smartphone vorlegen, in Sekundenschnelle prüfen und bei Bedarf wieder sperren? Was heute noch Zukunftsmusik ist, könnte bald schon Alltag werden. Denn die BNotK hat in der ersten, inzwischen mehrfach ausgezeichneten Blockchain-Kooperation mit dem bayerischen Justizministerium und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik einen Prototypen für ein Blockchain-basiertes Gültigkeitsregister für notarielle Vollmachten und Erbscheine entwickelt. Die Kammer spricht sich dafür aus, die gesetzlichen Grundlagen für den Echtbetrieb dieses Gültigkeitsregisters zu schaffen.
Schließlich hat die BNotK vor Kurzem den Startschuss für die Durchführung eines Projekts zur Nutzung Künstlicher Intelligenz im Notariat gegeben. Dadurch sollen Registeranmeldungen beschleunigt werden.
All das zeigt, dass Notarinnen und Notare die Chancen neuer Technologien für die Rechtssuchenden nutzen und mit den bewährten notariellen Verfahren kombinieren. Im Zentrum steht aber weiter der Mensch. Gerade in der digitalen Welt werden ihm Notarinnen und Notare ihm vor Ort zur Verfügung stehen – für rechtliche, aber auch menschliche Anliegen, Sorgen und Fragen. Wie die Präsidentin des BGH Bettina Limperg in ihrem Festvortrag sagte, muss bei aller Digitalisierung der menschliche Faktor das entscheidende Gewicht bekommen. So wie richterliche Entscheidungen nicht durch Algorithmen ersetzt werden dürfen, werden echte Notare und keine Hologramme Urkunden erstellen, verlesen und deren Bedeutung erläutern.
Geldwäsche-Meldungen durch Notare deutlich angestiegen
Auch bei der Bekämpfung von Geldwäsche haben Notarinnen und Notare bewiesen, wie sie sich neuen Entwicklungen anpassen. Die frühere Rechtslage ließ die Meldung von Geldwäscheverdachtsfällen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) durch die rechtsberatenden Berufe nur sehr eingeschränkt zu. Nur bei positiver Kenntnis von Geldwäsche war ihnen eine Meldung erlaubt. Bei einem bloßen Verdacht war ihnen im Unterschied zu Banken und Immobilienmaklern aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht eine Meldung untersagt. Das diente dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zu den Beteiligten. Die Folge: Notare erstatteten nur sehr selten Meldungen.
Als die Strafverfolgungsbehörden und die Bundesregierung jedoch ein erhöhtes Geldwäscherisiko im Immobiliensektor ausmachten, galt die geringe Zahl an Meldungen in diesem Bereich als wesentliches Hindernis für die Strafverfolgung. Und weil Notaren eine zentrale Rolle bei Immobiliengeschäften zukommt, setzte sich die BNotK selbst für eine Erweiterung ihrer Meldepflichten ein. Herausgekommen ist eine Rechtsverordnung, in der besonders geldwäscherelevante Fälle festgelegt worden sind.
Seither müssen Notare unabhängig von eigenen konkreten Verdachtsmomenten eine Meldung an die FIU abgeben, etwa bei Vertragsparteien aus Risikostaaten oder bei verdächtigen Zahlungsmodalitäten. Nicht das Bauchgefühl der Notarin, sondern klare gesetzliche Vorgaben entscheiden nun darüber, wann ein Sachverhalt zu melden ist und wann der Vertrauensschutz der Beteiligten überwiegt. Die Meldepflichtverordnung zeigte schnell Wirkung. Lagen die Geldwäsche-Meldungen durch Notare 2019 noch im zweistelligen Bereich, erhöhte sich deren Zahl allein im letzten Quartal 2020 auf über 1.600, im vergangenen Jahr gar auf rund 7.000.
Als positive Nebenwirkung zeigt sich, dass die neue Verordnung auch die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs erleichtert. So verwies Bundesjustizminister Buschmann in seiner Rede zutreffend darauf, dass die zur Geldwäschebekämpfung geschaffenen Strukturen hilfreich sind, die Sanktionen umzusetzen – weil nämlich die Meldepflichtverordnung eine Meldepflicht vorsieht, wenn Beteiligte oder wirtschaftlich Berechtigte auf einer Sanktionsliste stehen.
Die notarielle Tätigkeit im Wandel des Rechts
Selbst die Hauptaufgabe der Notarinnen und Notare, nämlich die Beurkundung von Rechtsvorgängen, ist ständig im Wandel. Grund hierfür sind die kontinuierlichen Änderungen im materiellen Recht, die selbstverständlich bei der Urkundserstellung berücksichtigt werden müssen.
Insoweit verspricht auch diese Legislaturperiode spannend zu werden. So sollen Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden möglich und eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen geschaffen werden. Außerdem soll ein neues familienrechtliches Institut der Verantwortungsgemeinschaft eingeführt werden, um es volljährigen Personen zu ermöglichen, jenseits der Ehe rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Neben der Eintragung in ein Register beim Standesamt soll dabei nach Vorschlag des Bundesjustizministeriums eine Lösung vor dem Notar möglich sein – ein Vertrauensbeweis für die notarielle Tätigkeit.
Der Blick in die Geschichte zeigt, dass das Notariat seinen Grundprinzipen stets treu blieb, ohne stur an Bekanntem festzuhalten. Ein Biologe würde zur Entwicklung des Notariats sagen: Keine Metamorphose, vielmehr eine Evolution. Unverrückbar bleiben aber die zentralen Eckpfeiler des Notarberufs: Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und die vorsorgende Rechtsberatung, um Streitigkeiten zu vermeiden. Im Übrigen darf man gespannt sein, welchen Wandel das Notariat in der Zukunft noch vollziehen wird.
Der Autor Prof. Dr. Jens Bormann ist Notar in Ratingen und Präsident der Bundesnotarkammer.
Notariat im Wandel: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48377 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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