LG-Köln-Entscheidung zu unwirksamen Anwalts-AGB rechtskräftig: Kein Stun­den­satz für vier Minuten Arbeit

05.12.2019

Vier Minuten arbeiten und eine Stunde abrechnen? Nach den AGB einer Kölner Kanzlei war dieses Modell möglich. Auch für das OLG Köln ist das hingegen eine "wissentliche Aufblähung" des Zeitaufwands und damit eine unwirksame Regelung

Dieser Rechtsstreit hatte gleich mehrere rechtlich spannende Aspekte zu bieten. Zum einen musste geklärt werden, ob eine Rechtsanwaltskammer (RAK) gegen eine Kanzlei in ihrem Aufsichtsbereich vorgehen kann, wenn deren Inhaber Mitglied einer anderen Anwaltskammer ist. Zum anderen ging es um die Frage, ob es Kanzleien verboten ist, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in Viertelstundenschritten abzurechnen.

Die Kammer darf vorgehen, die Anwaltskanzlei so nicht abrechnen, so hatte es das Landgericht (LG) Köln Anfang 2018 entschieden (Urt. v. 24.01.2018, Az. 26 O 453/16) – und nachdem die Kanzlei ihre zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen hat, ist diese Entscheidung nun rechtkräftig, wie das Oberlandesgericht (OLG) Köln am Mittwoch mitteilte (OLG Köln, Beschl. v. 04.11.2019, Az. 17 U 44/18*).

Was war passiert? Die RAK Köln hatte eine Kölner Kanzlei erfolgreich darauf verklagt, zahlreiche AGB-Klauseln nicht mehr zu verwenden. "Nach meinem Kenntnisstand ist es bundesweit das erste Mal, dass eine Anwaltskammer so etwas gemacht hat", erklärte Martin W. Huff, Geschäftsführer der Kölner Kammer gegenüber LTO im Rahmen des damaligen Verfahrens.

LG: Anwaltskammer sind klagebefugte Verbände

Das LG erkannte die RAK als rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher beruflicher Interessen i. S. v. § 3 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) an, weswegen die Kammer auch befugt sei, gegen die Kanzlei vorzugehen. Innerhalb ihrer Aufsichtfunktion hätte sie nämlich nur gegen die mitgliedschaftlichen Rechtsanwälte einschreiten können. 

Daneben erklärte das LG mehrere Klauseln der Anwalts-AGB für unzulässig. Das betraf etwa eine Regelung, nach der die Kanzlei stets mit einer gerichtlichen Interessenwahrnehmung beauftragt werden sollte, auch wenn der Mandant den Auftrag eigentlich auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt hatte. Durch diese Klausel werde die Entscheidungsfreiheit der Mandanten unzulässig eingeschränkt, so die Kölner Richter.

Ebenfalls erklärten sie eine Regelung für unzulässig, wonach die Vergütungsvereinbarung für sämtliche, auch für zukünftige Mandate gelten sollte. Bei jedem einzelnen abzuschließenden Vertrag müssten die Voraussetzungen dafür, dass AGB zwischen den Parteien gelten, neu erfüllt werden, entschied die Kammer.

Schließlich sei auch die Klausel unwirksam, wonach ein vereinbarter Stundensatz in Viertelstundenschritten abgerechnet werde und ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes für jede angefangenen 15 Minuten berechnet werde. Das Kölner LG sah darin einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und rechnete vor, dass dadurch ein kompletter Stundensatz fällig werden könnte, wenn die Kanzlei auch vier Mal nur eine Minute tätig werden würde.

LG: "Wissentliche Aufblähung" des Zeitaufwands

Neben der aufwändigen rechtlichen Prüfung und zeitintensiven Terminswahrnehmung kämen aber häufig zum Beispiel nur kurze Telefonate vor, sodass in vielen Fällen die Vergütung, gerechnet auf die Minute, deutlich über dem vereinbarten Stundensatz läge, so das LG Köln. Gerade aufgrund der modernen Zeiterfassungsmöglichkeiten sei eine genaue Zeittaktung sowohl zumutbar als auch möglich.

Insgesamt ermöglicht die Klausel nach Auffassung der Kammer eine "wissentliche Aufblähung des Zeitaufwandes" und führe dazu, dass dem Mandanten deutlich höhere Gebühren in Rechnung gestellt werden könnten, als es dem vereinbarten Stundensatz entspreche.

Auch wenn dieser Fall nach der Rücknahme der Berufung rechtskräftig beendet ist, beschäftigten Streitigkeiten um die Zulässigkeit von Abrechnungen im 15-Minutentakt die Justiz weiter. Gegen eine ähnliche Entscheidung des OLG München (Urt. v. 05.06.2019, Az. 15 U 319/18) ist nach Angaben des Kölner Gerichts ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängig (Az. IX ZR 140/19).

mgö/LTO-Redaktion

(Anm. d. Red.: Fehlende Entscheidungsart, Datum und Az. nachgetragen am Tag der Veröffentlichung, 12:412 Uhr (pl)

Zitiervorschlag

LG-Köln-Entscheidung zu unwirksamen Anwalts-AGB rechtskräftig: . In: Legal Tribune Online, 05.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39071 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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