Wer kein funktionsfähiges elektronisches Anwaltspostfach hat, wird auch nicht beigeordnet. Das entschied das LAG in Kiel für die Arbeitsgerichte in Schleswig-Holstein, wo Anwälte bereits elektronisch übermitteln müssen.
Ein Anwalt, der mit der Einreichung einer Klageschrift beantragt, die Korrespondenz ausschließlich in Papierform zu führen, da sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) "systembedingt auf Grund eines Systemfehlers" noch nicht funktionsfähig sei, kann in Schleswig-Holstein nicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) in Kiel mit einer am Freitag veröffentlichten Entscheidung (v. 24.06.2020, Az. 1 Ta 51/20).
Das LAG bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts, das einem Kläger zwar Prozesskostenhilfe bewilligt, die ebenfalls beantragte Beiordnung eines Anwalts aber abgelehnt hatte. Der sei nämlich, so die Arbeitsgerichte im hohen Norden, nicht im Sinne von § 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) "zur Vertretung bereit".
Die Justiz in Schleswig-Holstein setzt Maßstäbe, weil dort § 46g Arbeitsgerichtsgesetz bereits im Januar 2020 in Kraft getreten ist. Die Norm verpflichtet Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen an Arbeitsgerichte elektronisch zu übermitteln. Sie tritt spätestens zum 1. Januar 2022 in Kraft, die Landesregierungen können das per Verordnung vorziehen. In der Arbeitsgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein gilt sie seit Anfang des Jahres. Und wer kein beA hat, kann das mangels sicheren Übermittlungswegs nicht sicherstellen.
Wer kein beA hat, kann nicht vertreten
Der Fall in Schleswig-Holstein wies noch eine andere Besonderheit auf: Der Mandant des Anwalts teilte darüber hinaus mit, er würde die von seinem Anwalt gefertigten Schriftsätze übersenden und selbst mit dem Gericht korrespondieren. Zustellungen sollten an ihn erfolgen, sein Anwalt werde ihn aber vor Gericht vertreten. Er brauche, so der Kläger, einen Prozessbevollmächtigten, weil er selbst "fast Analphabet" sei.
Die vom ArbG bewilligte Prozesskostenhilfe billigte das LAG daraufhin ebenso wie die Ablehnung der Beiordnung des Anwalts ohne beA. Diese scheiterte schon daran, dass eine anwaltliche Vertretung alle Handlungen in der Instanz erfasst, für die PKH bewilligt wird und Zustellungen nach einer Beiordnung nur an Anwälte erfolgen dürfen. Auch wenn er Analphabet sei, könne der Mann sich einen anderen Anwalt suchen.
Der von ihm gewählte Advokat sei, so das LAG, nämlich nicht bereit und/oder in der Lage, die ihn treffenden anwaltlichen Pflichten im gerichtlichen Verfahren zu übernehmen, also nicht zur Vertretung bereit im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO. Der Jurist lehne die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr ab und sei entgegen seiner Verpflichtung aus § 46 g ArbGG i.V.m. § 174 Abs. 4 ZPO auch nicht bereit, ein elektronisches Empfangsbekenntnis zu erteilen. Auch weigere er sich, Schriftsätze einzureichen, da er nicht bereit sei, diese auf dem in der Arbeitsgerichtsbarkeit gesetzlich vorgeschriebenen Weg zu übermitteln.
Dass das beA nicht immer funktioniere und die Anwälte dann über das Postfach nichts übersenden können, ändere daran nichts, meint das LAG. Diese Gefahr habe der Gesetzgeber gesehen und berücksichtigt, indem er eine Übermittlung auf andere Art für zulässig erklärt, wenn der digitale Weg ausfällt (§ 46g S. 3 ArbGG). Die Richter in Kiel haben die Rechtsbeschwerde gegen ihre Entscheidung zugelassen.
Arbeitsgerichte in Schleswig-Holstein: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42501 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag