Fachanwälte in Kanzleien: Wie gefragt sind Experten?

von Sabine Olschner

29.08.2017

Wer sich mit einem Anwaltsbüro selbstständig macht, kommt um einen Fachanwaltstitel kaum herum. Aber wie wichtig ist er für mittlere und große Kanzleien? Und wo wird die Ausbildung zum Fachanwalt besonders gefördert?

Seit sechs Wochen darf sich Dr. Friederike Pellengahr offiziell Fachanwältin für Verwaltungsrecht nennen. Die 34-Jährige hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und nach dem Zweiten Staatsexamen an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert. "Verwaltungsrecht passte zu meinem Promotionsthema Polizeirecht, daher habe ich mir eine Kanzlei ausgesucht, die sich mit Öffentlichem Recht beschäftigt und wo ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht gern gesehen ist", erklärt Pellengahr.

Ihr Arbeitgeber, die Kanzlei Wolter Hoppenberg in Hamm und Münster, unterstützte sie bei ihrer Weiterbildung: Sie trug die Kosten und stellte ihre Anwältin für den Besuch der sechs jeweils dreitägigen Kurse und für die Vorbereitung der fünf Klausuren frei. "So konnte ich mein Wissen in Verwaltungsrecht auch außerhalb der Mandate vertiefen", sagt Pellengahr. Was ihr der Titel bringt? "Bei neuen Mandanten ist ein Fachanwaltstitel schon ein Türöffner", glaubt Pellengahr. "Der Ausweis der Spezialisierung vermittelt Vertrauen – aber er ersetzt nicht das hohe Engagement, das man als Anwalt weiterhin zeigen muss."

Wolter Hoppenberg gehört mit rund 50 Anwälten zu den zahlreichen mittelständischen Kanzleien, die es in der Regel gern sehen, wenn ihre Anwälte sich zu Fachanwälten weiterbilden. "Solche Titel erleichtern den Mandanten die Suche nach dem passenden Rechtsanwalt", sagt Dr. Kai Greve, Vorsitzender des Ausschusses für Fachanwaltschaften der Bundesrechtsanwaltskammer. "Wenn ein Anwaltsbüro nicht gerade als Top- oder als Spezialisten-Kanzlei auf dem Markt bekannt ist, ist es in der Masse schwer zu finden – vor allem, da Werbung für Anwälte ja nur in engen Grenzen erlaubt ist."

Besonders beliebt: Familienrecht und Arbeitsrecht

23 Fachanwaltschaften gibt es derzeit im Angebot; zur Zeit der Einführung Ende der 1940er-Jahre waren es gerade einmal fünf. "Die Nachfrage nach neuen Fachanwaltschaften ist ungebrochen groß", so Greve. Derzeit wird diskutiert, Fachanwaltstitel für Sportrecht und für Opferrecht einzuführen. Die meisten Fachanwälte haben sich auf Familienrecht spezialisiert (10.370), gefolgt von Arbeitsrecht (9.500) und Steuerrecht (5.000). Ein Anwalt darf maximal drei Titel führen.

Wilhelm Achelpöhler hat zwei Titel: Der Rechtsanwalt der Kanzlei Meisterernst Düsing Manstetten in Münster ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Eine hohe Dichte an Fachanwaltschaften gehört zu den besonderen Kennzeichen der Kanzlei, die derzeit insgesamt 17 Fachanwaltstitel in sieben Rechtsgebieten aufweisen kann. "Mein beruflicher Schwerpunkt liegt auf dem Verwaltungsrecht. Den Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht habe ich eher aus Interesse gemacht", berichtet Achelpöhler, der Wert darauf legt, dass jeder Anwalt in seiner Kanzlei einen Fachanwaltstitel führt.

Berufsstarter beginnen direkt nach dem Einstieg mit der Fachanwaltsausbildung und werden von der Kanzlei dabei gefördert. "Verwaltungsrecht ist ein weites Rechtsgebiet. Je mehr Fachanwälte wir vorweisen können, umso besser fühlen sich die Mandanten bei uns aufgehoben", ist Wilhelm Achelpöhler überzeugt. "Bei kleineren und mittelständischen Kanzleien hat der Fachanwaltstitel für den Mandanten nach wie vor eine große Bedeutung und ist ein Wegweiser." Hinzu komme: Ohne spezielles Know-how könnten bestimmte Verfahren gar nicht bearbeitet werden. Spezialisierte und hohe Kompetenz ist also nicht nur auf dem Papier wichtig, sondern auch für das Image einer Kanzlei.

In der Großkanzlei eher die Ausnahme

Anders sieht es oft bei großen Kanzleien aus. "Viele sind international tätig und im Ausland hat ein Fachanwaltstitel keine große Bedeutung", sagt Greve. "Oder die Großen arbeiten als Full-Service-Kanzleien und benötigen Fachanwaltschaften nicht als Marketinginstrument." Seine eigene Kanzlei, Taylor Wessing, sieht Fachanwaltstitel trotzdem gern, "denn wir legen prinzipiell Wert auf die Weiterbildung und Spezialisierung unserer Anwälte", so Greve. Bei Linklaters hingegen ist der Fachanwalt eher die Ausnahme. "Wenn es sinnvoll ist, unterstützen wir die Weiterbildung zum Fachanwalt gern", erklärt Julia Akertek, Leiterin der Personalentwicklung. "Aber sie gehört nicht zum Standardprogramm."

Die international tätige Kanzlei legt mehr Wert auf eine breite Ausbildung. In der Linklaters Law & Business School werden die Mitarbeiter nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch auf der persönlichen und unternehmerischen Ebene geschult. Fachliche Expertise erwerben die Anwälte zudem durch die Arbeit in den Projekten und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern und Anwälten. "Wer sich in einem Bereich weiter spezialisieren will, dem stehen verschiedene Wege offen – sei es durch den Fachanwalt oder andere individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten", sagt Akertek, die auch bei Neueinstellungen nicht unbedingt darauf achtet, ob der Bewerber einen Fachanwaltstitel führt. "Das wäre für uns nur ein Mosaikstein unter vielen."

Pellengahr sieht die Ausbildung nicht nur aus fachlicher Sicht positiv. "Mir hat es auch viel Spaß gemacht, mich während der Seminare mit Anwälten anderer Kanzleien, aus Verbänden und Unternehmen auszutauschen." Heute gibt sie ihr Wissen als Mentorin an junge Kollegen weiter und unterstützt sie auf ihrem Weg zum Fachanwalt.

Zitiervorschlag

Sabine Olschner, Fachanwälte in Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 29.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24003 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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