Wie das 3.000 Seiten starke NSU-Urteil zeigt, kann die einmonatige Revisionsbegründungsfrist in Strafsachen ziemlich eng bemessen sein. Der DAV hat nun einen Reformvorschlag für eine Fristenharmonisierung im Revisionsverfahren eingebracht.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert eine fairere Gestaltung des Rechtsmittelverfahrens in Strafsachen. Der Strafrechts-Ausschuss des DAV hat dazu einen Reformvorschlag für eine Fristenharmonisierung im Revisionsverfahren und für die Einführung einer Protokollabsetzungsfrist erarbeitet und veröffentlicht.
Nach § 345 Strafprozessordnung (StPO) beträgt die Revisionsbegründungsfrist derzeit pauschal für alle Verfahren in Strafsachen einen Monat, sie ist nicht verlängerbar. Die Urteilsabsetzungsfrist hängt dagegen von der Dauer der Hauptverhandlung ab. Die Fertigstellung des für verfahrensrechtliche Beanstandungen maßgeblichen Hauptverhandlungsprotokolls unterliegt dagegen keiner Befristung.
Bei besonders umfangreichen Strafsachen kann das zu Problemen führen. Der DAV nennt in seiner Stellungnahme beispielhaft das NSU-Verfahren am Oberlandesgericht (OLG) München. Das Gericht hatte 93 Wochen Zeit, um das 3.025 Seitige Urteil zu Papier zu bringen. Die Verfahrensbeteiligten hatten dann aber nur einen Monat Zeit, das Urteil samt dem des circa 11.300 Seiten umfassenden Hauptverhandlungsprotokolls zu lesen und die Revision zu begründen.
Der DAV spricht von einem "Extrembeispiel", dass nicht der Grund einer Reform sein müsse. "Es wirft aber auf den Missstand der geltenden Rechtslage ein grelles Licht, dem sich der Rechtsstaat nicht verweigern darf", so der DAV in seiner Stellungnahme. Eine umfassende Reform des Revisionsverfahrensrechts sei deshalb nicht erforderlich. "Der Gesetzgeber kann sich auf kleinere Korrekturen beschränken, um das Rechtsmittelverfahren fairer zu gestalten", so der DAV.
DAV: Spürbare Effizenzsteigerung des Revisionsrechtsschutzes
Der Verein sieht drei Stellschrauben, an denen dafür gedreht werden kann. So sei zum einen eine zeitliche Begrenzung der Absetzungsfrist auf höchstens 27 Wochen geboten. Zum anderen, so der Berufsverband, solle wenigstens eine moderat gestaffelte Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist eingeführt werden. "Dauert die Hauptverhandlung länger als 50 Tage, so ist es spätestens angemessen, die Revisionsbegründungsfrist auf zwei Monate zu verlängern, und dauert sie länger als 100 Tage, so verlängert sich die Frist abschließend auf drei Monate", heißt es in der Stellungnahme. Dies sollte nach Ansicht des DAV auch die Höchstfrist darstellen.
Drittens fordert der DAV, dass Fertigstellung des Sitzungsprotokolls befristet und das Protokoll in unmittelbaren Anschluss an die Hauptverhandlung aktenkundig gemacht werden sollte. Laut DAV wäre es ratsam, "wenn das Protokoll jedes Sitzungstages unverzüglich, spätestens aber eine Woche nach dem Termin fertiggestellt und zur Akte gebracht werden müsste". Die Verfahrensbeteiligten könnten dadurch im Wege der Akteneinsicht mögliche Protokollierungsfehler bereits frühzeitig richtigstellen.
Laut DAV bleibt die die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist im Zusammenspiel dieser drei Vorschläge nur auf Ausnahmeverfahren beschränkt, "die Effizienz des Revisionsrechtsschutzes würde aber insgesamt spürbar gesteigert".
acr/LTO-Redaktion
DAV-Vorschlag zu umfangreichen Strafsachen: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42250 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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