Rundschreiben an Kammerpräsidenten: BRAK ver­tei­digt beA-Ver­ga­be­ver­fahren

von Pia Lorenz

29.04.2019

Die freihändige Vergabe des beA 2014 sei ebenso rechtmäßig wie das aktuelle Vergabeverfahren. Das schreibt die BRAK an die RAK-Präsidenten. Anlass ist ein LTO-Interview, in dem sie auch eine Falschbehauptung moniert; nur nicht gegenüber LTO.

Wenige Wochen bevor die Ausschreibungsfrist für die erneute Auftragsvergabe für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) am 2. Mai ausläuft, stellt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in einem Rundschreiben an alle Kammerpräsidenten klar, dass sie diese vergaberechtlich für ebenso rechtmäßig hält wie die im Jahr 2014 durchgeführte freihändige Vergabe mit Teilnahmewettbewerb. Damals erhielt das Unternehmen Atos am Ende den Zuschlag, das das beA entwickelt und seitdem betrieben hat. Anlass für diese Ausführungen von BRAK-Präsdent Dr. Ulrich Wessels ist ein LTO-Interview, in dem der Vergaberechtler Dr. Christian Braun, der derzeit vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin gegen die BRAK klagt, das Verfahren aus dem Jahr 2014 wie auch die aktuelle Ausschreibung kritisiert hat. Die BRAK zeigt sich in dem Schreiben, welches LTO vorliegt, indes zuversichtlich, bei der Vergabe des beA im Jahr 2014 rechtmäßig gehandelt zu haben.

Schließlich sei sie von zwei auf Vergaberecht spezialisierten Kanzleien unabhängig voneinander beraten worden. Über das Vergabeverfahren habe sie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) unterrichtet, indem sie die Vergabevermerke dorthin übermittelt habe. Weder habe das BMJV etwas moniert noch habe es anderweitige Angriffe auf die Verfahren z.B. von unterlegenen Teilnehmern gegeben. 

Die BRAK kritisiert in ihrem Rundschreiben an die Kammern zudem eine Formulierung von LTO als sachlich falsch. Rechtsanwalt Braun klage nicht, wie es bei LTO recht pauschal geheißen hatte, "gegen die freihändige Vergabe 2014 an Atos", sondern führe ein Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz gegen die BRAK, mit dem er Einsicht in die Vergabeunterlagen begehrt. Die entsprechende Formulierung hat LTO umgehend geändert und mit einem Änderungshinweis versehen, nachdem der Redaktion das interne BRAK-Schreiben vorlag. Die BRAK selbst hat sich nicht an LTO gewandt und um Richtigstellung gebeten. Laut dem Schreiben an die Kammerpräsidenten habe man das zwar geprüft, das Präsidium habe sich aber "nach Abwägung aller Argumente" dagegen entschieden; vor allem "weil mit einem förmlichen Richtigstellungsverfahren mehr Gefahren als Nutzen verbunden wären, da dann die Diskussion voraussichtlich neu aufleben würde". 

Neu, komplex, anspruchsvoll: Wer das beA betreiben konnte

Entgegen der Meinung Brauns bedurfte es im Jahr 2014 für das Anwaltspostfach nach Ansicht der BRAK keiner europaweiten Ausschreibung. Die BRAK, welche die Umsetzung und den Betrieb des Anwaltspostfachs verantwortet, sieht sich nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des EU-Vergaberechts. Damit entfalle auch ihre Pflicht, europäisches Recht zu beachten, welches unter anderem eine europaweite Ausschreibung vorsieht. Entscheidend sei insbesondere, dass die BRAK keiner staatlichen Einflussnahme unterliege.

Die BRAK unterscheidet bezüglich der Ausschreibung zwischen der Entwicklung und dem Betrieb des beA. Für die Entwicklung habe man sich wegen der Komplexität und Neuheit des Systems für eine freihändige Vergabe mit Teilnahmewettbewerb entschieden. § 3 Abs 5 lit. h VL/A erlaubt diese, wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können. An selbst aufgestellte Verfahrensbedingungen sei die BRAK im Rahmen des Verfahrens bis zum Ende gebunden gewesen. 

Das Vergabeverfahren für den Betrieb des beA hat die BRAK im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung mit vorherigem Teilnahmewettbewerb durchgeführt, also nur eine beschränkte Anzahl an Unternehmen einbezogen. Die BRAK reagiert auf den im Interview erhobenen Vorwurf, sie hätte nicht genügend Unternehmen aufgefordert, ein Angebot abzugeben: Nach einer Umfrage der BRAK seien nur wenige IT-Dienstleister überhaupt in der Lage gewesen, ein System zu betreiben, das den hohen Anforderungen des beA an Infrastruktur und Verfügbarkeit gerecht geworden wäre.

Aktuell musste nach erneut mehreren Störungen im April am gestrigen Mittwoch eine größere Wartung vorgezogen und das System für 14 Stunden abgeschaltet werden, damit die Anwälte sich wieder am System anmelden können.

Aktuelle Ausschreibung: angemessene Fristen, transparente Anforderungen 

Auch zu den im Kontext des aktuellen Vergabeverfahrens erhobenen Vorwürfen äußert sich die BRAK, die sich dieses Mal nach eigenen Angaben von der Kanzlei avocado Rechtsanwälte beraten lässt. So sei die Ausschreibungsfrist von rund vier Wochen keineswegs zu kurz, sondern angemessen. Die veröffentlichte Bewertungsmatrix sei auch transparent und enthalte die genauen Anforderungen, die IT-Dienstleistern erbringen müssen, um in die engere Auswahl für den beA-Auftrag zu kommen. 

Beachtet werden müsse diesmal aber die zwischenzeitlich in Kraft getretene Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), einschlägig sei die Verhandlungsvergabe nach vorherigem Teilnahmewettbewerb (8 Abs. 4 Nr. 1 und 3), weil konzeptionelle Lösungen nachgefragt würden und "die Leistung teil-funktional ausgeschrieben werden sollte". 

Neben Christian Braun bezweifeln auch IT-Experten die Chancengleichheit in dem Verfahren, in dem andere Anbieter sich binnen vier Wochen bewerben sollen, um den Betrieb eines mit jahrelanger Verzögerung gestarteten und weiterhin massiv fehleranfälligen komplexen Systems zu übernehmen. Eine anbieterneutrale Ausschreibung erscheint so manchem schon deshalb schwierig, weil nach LTO-Informationen das "umfassende Betriebskonzept des beA" laut Angaben der BRAK (in einem anderen Verfahren mit anderen Beteiligten) nicht ihr, sondern Atos vorliegt. 

Über das IFG-Verfahren von Christian Braun zum beA-Vergabeverfahren im Jahr 2014 will das VG Berlin nun am Mittwoch, den 26. Juni, um 11 Uhr verhandeln.   

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Rundschreiben an Kammerpräsidenten: . In: Legal Tribune Online, 29.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35039 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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