Tausende Anwälte nutzen seit Jahren das Handy, um beA-Nachrichten zu lesen oder per Drittanbieter-App zu verschicken. Nun sieht sich die BRAK in der Pflicht, eine eigene Anwendung zu entwickeln.
Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) Dr. Ulrich Wessels überraschte vergangene Woche in einem Interview bei beck-online mit der Aussage, dass es einen "dringenden Wunsch" aus der Anwaltschaft gebe, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) auf mobilen Endgeräten zu nutzen. "An der Umsetzung arbeiten wir gerade und gehen davon aus, Anfang 2024 eine Beta-Version der mobilen Anwendung veröffentlichen zu können", versprach Wessels.
Gegenüber LTO ergänzte die Kammer, dass Apple- und Android-Nutzerinnen und -Nutzer sie dann in den jeweiligen App Stores herunterladen könnten. "Mit der Bereitstellung des beA zur Nutzung auf mobilen Endgeräten kommt die BRAK den Erwartungen vieler Anwenderinnen und Anwender nach, die ihre Nachrichten auch von unterwegs abrufen möchten", so BRAK-Vize Dr. Christian Lemke.
Steht die BRAK also kurz vor einer echten Innovation beim beA? Mitnichten. Auch wenn die Kammer suggerieren will, dass die Anwaltschaft auf eine beA-App der BRAK sehnlichst warte, sieht die Praxis anders aus: Anwältinnen und Anwälte greifen längst auf die Möglichkeit zurück, über Apps von Drittanbietern das beA mobil zu nutzen. Warum die BRAK so tut, als arbeite man an etwas Neuartigem, ist unklar.
Eigentlich nichts Neues
Über die Vorteile bestehender beA-Apps informierte der Deutsche Anwaltverein (DAV) bereits im Juli 2022 und erklärte, was alles möglich ist: "Bei Freischaltung des beA-Softwarezertifikats für Kanzleimitarbeiter können auch diese die Nachrichten per App lesen. Ebenso können Rechtsanwältinnen, die als Vertreterinnen für Kollegen freigeschaltet sind, deren Nachrichten parallel zu ihren eigenen über die App empfangen", heißt es in einem Artikel im DAV-Organ Anwaltsblatt.
Mobile Anwendungen fürs beA sind also nichts Neues. Eine der ersten hat z. B. der baden-württembergische Anbieter "be next" zur Verfügung gestellt. Mit seiner Anwendung "bea.expert" bietet dieser seit mehr als zwei Jahren eine App an, mit der sich das beA vollumfänglich mobil nutzen lässt. Nicht nur das Empfangen und Lesen von Nachrichten ist damit möglich, sondern auch das Versenden von Schriftsätzen. Laut be-next-Geschäftsführer Joël Becher haben bereits Tausende Anwältinnen und Anwälte die App heruntergeladen, für die ein Jahresabo in Höhe von knapp 40 Euro abgeschlossen werden muss.
Unterdessen rechnen IT-Experten damit, dass die Entwicklung der BRAK-Anwendung die Kammer Hunderttausende Euro kosten wird. Bezahlt wird das Ganze wohl letztlich von den Mitgliedsbeiträgen der Anwältinnen und Anwälte. Ob die App einen echten Mehrwert im Vergleich zu bestehenden Apps haben wird, steht in den Sternen. Offen ist auch noch, ob sie für die Nutzerinnen und Nutzer am Ende kostenfrei sein wird.
DAV pocht auf sichere Standards
Dass die BRAK – wenn auch verspätet – in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten will, wird vom DAV eher positiv zur Kenntnis genommen: "Die von der BRAK angekündigte beA-App ist eine anwenderfreundliche Alternative für die Arbeit unterwegs", sagt die Vorsitzende des DAV-Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsanwältin Ulrike Silbermann.
Allerdings äußert die DAV-Anwältin auch Erwartungen an das Kammer-Produkt: Die Anwendung müsse einfach und unkompliziert und den geforderten Standards an die Sicherheit entsprechen. Außerdem fände sie es wünschenswert, "dass neben einer passiven Nutzung auch eine aktive Nutzungsmöglichkeit, z.B. die Signierung von elektronischen Empfangsbekenntnissen (eEBs) geschaffen wird".
Immerhin Letzteres wäre dann tatsächlich eine technische Innovation, die von bisherigen beA-Apps auf dem Markt (noch) nicht geleistet wird.
Mobiles Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53249 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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