Rechtsanwälte müssen dafür Sorge tragen, dass Schriftsätze innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingehen. Doch nicht jeder Fehler eines Kanzleimitarbeiters führt zu einem Sorgfaltspflichtverstoß, so der BGH.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte müssen sicherstellen, dass Schriftsätze innerhalb der Frist bei den zuständigen Gerichten eingehen. Wie sie das machen, steht ihnen frei. Allerdings müssen sie alles tun, um Fehlerquellen bei Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (BGH, Beschl. v. 22.06.2021, Az. VI ZB 15/20).
Konkret ging es vor dem BGH um einen Mann, der gegen ein am 08. August 2019 zugestelltes Urteil Berufung einlegte. Die Berufungsbegründungsfrist wäre damit am 08. Oktober abgelaufen. Da die Berufungsbegründung aber wegen einer durch einen Kanzleimitarbeiter missverstandenen Aktennotiz erst einen Tag später beim zuständigen Landgericht (LG) Frankfurt a.M. einging, verwarf dieses per Beschluss die Berufung als unzulässig. Dagegen wehrte sich der Kläger nun mit Erfolg vor dem BGH. Ihm wurde die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewährt.*
Dem BGH zufolge verletzt der Beschluss des LG den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Dieser gebiete es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gar nicht verlangt werden. Das LG sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsanwalt "alles ihm Zumutbare tun muss, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten", wie der BGH in seinem Beschluss ausführt. In dem konkreten Fall jedoch habe eine Angestellte des Prozessbevollmächtigten eine Aktennotiz missverstanden und so sei es zur Löschung der Begründungsfrist gekommen. Das LG hatte darin einen Sorgfaltspflichtverstoß gesehen.
Das sah der BGH nun anders, da Arbeitsanweisungen in der betroffenen Kanzlei nur per Diktat, persönlicher Ansprache oder digitaler Anweisung, nicht jedoch als Vermerk in einer Akte erfolgen. Der Prozessbevollmächtigte habe deshalb nicht damit rechnen müssen, dass die Angestellte den Vermerk auf einmal als Anweisung deutet und falsch interpretiert. Somit liege auch kein Sorgfaltspflichtverstoß des Prozessbevollmächtigten vor. Der Fall geht nun zurück an das LG Frankfurt a.M.
pdi/LTO-Redaktion
*Angabe am 10.08.21 um 13.02 Uhr präzisiert.
BGH zu fristgebundenen Anwalts-Schriftsätzen: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45693 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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