BGH zur Gesellschafterfähigkeit bei Kanzleien: Unver­ständ­liche Res­trik­tionen bei Anwalts-GmbH

von Prof. Dr. Volker Römermann

02.05.2017

2/2: Schwer durchdringliches Normengeflecht

Natürlich führt der BGH zur Begründung seiner Entscheidung auch die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte ins Feld. Sie gehört neben der Rechtspflege und dem Organ derselben zum Standard-Repertoire berufsrechtlicher Sentenzen. Dabei erschließt sich dem kritischen Leser oft nicht, was das alles konkret mit dem jeweiligen Sachverhalt zu tun haben könnte.

In einer GmbH besteht eine gewisse Abhängigkeit der Mitarbeiter, auch der anwaltlichen, von den Geschäftsführern, denn Letztere dürfen Weisungen erteilen. Die Geschäftsführer wiederum sind aus Sicht des Gesellschaftsrechts  nach§ 46 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen. Aus Sicht des Berufsrechts soll das nach § 59f Abs. 4 BRAO indes nicht gelten. Die Normen stehen in einem sonderbaren, aus Sicht des Gesellschaftsrechts schwer auflösbaren Widerstreit.

Der BGH nennt nun noch eine weitere Facette in diesem ohnehin schwer durchdringlichen Normengeflecht: Die Abhängigkeit von Weisungen einer BGB-Gesellschaft als Gesellschafterin ist offenbar in Ordnung, die Abhängigkeit von einer Partnerschaft als Gesellschafterin der Anwalts-GmbH ginge hingegen zu weit. Warum nun könnte die eine Rechtsform die – berufsrechtlich betrachtet relative – Abhängigkeit gegenüber der anderen Rechtsform erleichtern oder bis zur Unzulässigkeit verstärken?

Leitbild anwaltlicher Berufsausübung

Sog. "mehrstöckige Gesellschaften" habe der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt, referiert der BGH zutreffend. Das war noch der Gesetzgeber, der die BGB-Gesellschaft als Leitbild anwaltlicher Berufsausübung vor Augen hatte. Neue Rechtsformen waren ihm suspekt, die Partnerschaft eigentlich ein Ablenkungsmanöver zur Vermeidung der ungeliebten GmbH.

Dann, als die GmbH von der Rechtsprechung anerkannt und damit unausweichlich geworden war, wurde sie normiert, aber wie? Mit dem Ziel, die unvermeidliche Rechtsform möglichst unattraktiv auszugestalten. Spät erst hat sich der Gesetzgeber schrittweise an die Vorstellung gewöhnt, dass anwaltliche Unternehmen eine Haftungsbeschränkung für sich in Anspruch nehmen können sollen und dass das ethisch auch nicht verwerflich ist.

Dieses Leitbild also, jüngeren Berufskollegen muss es sich anfühlen wie aus fernen Tagen, dieses Leitbild begründet nun die Ablehnung jeglicher Strukturen, bei denen Gesellschaften sich an Gesellschaften beteiligen – mit der einzigen, dann im Grunde unerklärlichen Ausnahme der BGB-Gesellschaft. Dabei ist doch zu fragen, was daran so schlimm wäre, wenn eine, z.B. ausschließlich aus sozietätsfähigen Berufen bestehende Gesellschaft sich an einer anderen Rechtsform beteiligen würde, die nach außen die Mandatsverträge schließt.

Doch dieses Konstrukt, ein möglicher "Anwaltskonzern", ist offenbar ein Schreckensbild. Es zerfällt jedoch -  auf die simple Frage des "Warum eigentlich nicht?" - vor den eigenen Augen zu Staub. In ein paar Jahren jedoch wird sich das anwaltliche Gesellschaftsrecht dem Recht der anderen Unternehmen weiter angeglichen haben. Die Anwalts-GmbH & Co. KG ist dann eine selbstverständliche Rechtsform und über Verbote von Beteiligungen der Gesellschaften untereinander spricht niemand mehr. Der Anwaltssenat hat die Entwicklung auf diesem Weg noch einmal leicht verzögert, aufhalten wird er sie nicht können.

Prof. Dr. Volker Römermann ist Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG, Hamburg/Hannover/Berlin. Zu seinen Schwerpunkten in der Beratung sowie in der Lehre an der Humboldt-Universität zu Berlin gehören das anwaltliche Berufsrecht und das Gesellschaftsrecht. 

Zitiervorschlag

BGH zur Gesellschafterfähigkeit bei Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 02.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22792 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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