BGH gewährt keine Wiedereinsetzung: Anwälte müssen elek­tro­ni­schen Fris­ten­ka­lender aus­dru­cken

27.03.2019

Während alle vom elektronischen Rechtsverkehr reden, stellt der BGH klar: Nur Gedrucktes zählt wirklich. Vom elektronischen Fristenkalender muss ein Ausdruck angefertigt werden. Auf Papier. Sonst liegt ein Organisationsverschulden vor.

Rechtsanwälte mit einem elektronischen Fristenkalender müssen eine hohe Überprüfungssicherheit bei ihren Fristen gewährleisten. Mehrstufige Arbeitsschritte, die jeweils nur eine kurze Zeit benötigen, aber ausschließlich am Bildschirm durchgeführt werden, werden den Anforderungen nicht gerecht und stellen ein anwaltliches Organisationsverschulden dar, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Vermeiden kann das laut den Karlsruher Richtern: ein Ausdruck. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung hervor (Beschl. v. 28.02.2018, Az. III ZB 96/18)

Ein Anwalt hatte die Berufung zu spät begründet. Welche Sorgfaltspflichten er und seine Mitarbeiter erfüllen müssen, wenn er einen elektronischen Fristenkalender benutzt, darüber hatte nun der BGH zu entscheiden. 

"Überprüfungssicherheit" darf nicht hinter manuellen Kalender zurückbleiben

Für die Überwachung der Frist in dem Fall ging es in der Anwaltskanzlei folgendermaßen zu. Die - ansonsten zuverlässige - Angestellte trug die Berufungsbegründungsfrist samt Vorfrist in die Handakte ein. Anschließend übertrug sie die Daten in den elektronischen Fristenkalender. Dafür gab sie diese in ein "Eingabekontrolle"-Feld ein, von dem der Anwalt meinte, es gewährleiste die vom BGH geforderte Fehlerkontrolle. Allerdings vergaß sie, die Eingabe abzuspeichern. Dann bestätigte sie die aus ihrer Sicht vollständig elektronisch eingetragenen Fristen mit ihrem Kürzel in der Handakte.

Für den BGH reichte das Verfahren in der Kanzlei aber nicht aus, der Antrag auf Wiederseintzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt: Wenn der Anwalt einen elektronischen Kalender benutze, dürfe dieser hinsichtlich seiner "Überprüfungssicherheit" nicht hinter einem manuell geführten Kalender zurückbleiben. Gerade bei elektronischen Fristenkalendern sehen die Karlsruher Richter spezifische Fehlerquellen: neben Datenverarbeitungsfehler eben auch Eingabefehler. Dafür müsse der Rechtsanwalt geeignete Kontrollmaßnahmen treffen. Werden die EDV-basierten Kalendereinträge dann nicht durch einen Ausdruck oder ein Fehlerprotokoll in dem Programm kontrolliert, liege ein anwaltliches Organisationsverschulden vor.

Ausschließliches EDV-Verfahren ist anfällig für "Augenblickversagen"

Die in der Kanzlei praktizierte programmseitige Eingabekontrolle bewertete der BGH als nicht so effektiv und sicher wie eine Kontrolle anhand eines Papierausdrucks. Die in kürzester Zeit nacheinander in demselben Medium durchführbare Fristeneingabe und Eingabekontrolle berge vielmehr eine erhöhte Fehleranfälligkeit.

Ein solches Vorgehen sei anfälliger für ein "Augenblicksversagen". Bei ausschließlich EDV-gestützten Kalendern bestehe die erhöhte Gefahr, dass eine Aufgabe in Vergessenheit gerate oder irrtümlicherweise als erledigt angesehen werde, wenn die Aufgabe zum Beispiel mal in einem stressigen Kanzleialltag unterbrochen werden müsse, so der Senat. Auch sei eine ordnungsgemäße Speicherung und Kontrolle nicht gewährleistet, wenn versehentlich statt aufs Bestätigungsfeld mit dem grünen Haken das rote Kreuz – gleichbedeutend mit dem Abbrechen der Eingabe – geklickt werde.

Das Fehlen eines Kontrollausdrucks springe hingegen direkt ins Auge, insbesondere, wenn der Vorgang in der Arbeitsroutine von erfahrenem Büropersonal durchgeführt werden, heißt es in dem Beschluss. Nur der durch den Ausdruck herbeigeführte "Medienbruch" zwischen Eingabe am Bildschirm und nicht elektronischer Kontrolle gewährleiste für diesen Fall ein hohes Maß an Sicherheit.

mgö/pl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH gewährt keine Wiedereinsetzung: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34615 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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