Dem BGH reißt der Geduldsfaden. Es gebe keinen Anlass, die Vorschriften zur Einreichung per beA länger "behutsam" anzuwenden. Das zeigen zwei aktuelle Beschlüsse zum besonderen elektonischen Anwaltspostfach.
Wenn ein Rechtsanwalt einen Schriftsatz nicht mittels des besonderen elektonischen Anwaltspostfaches (beA) einreicht, muss er die vorübergehende technische Unmöglichkeit gleichzeitig darlegen und glaubhaft machen. Eine nachträgliche Darlegung der Verhinderung ist nicht ausreichend. Das entschied der vierte Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) mit einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 17.11.22, Az. IX ZB 17/22).
Der Rechtsanwalt in einem Zivilprozess reichte die Berufungsbegründung nicht - wie von § 130d Zivilprozessordnung (ZPO) seit dem 01.01.2022 gefordert - elektronisch über das beA ein, sondern per Post. Das Berufungsgericht wies den Anwalt daraufhin auf die mögliche Unzulässigkeit der Berufung hin. Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seines Anwalts erklärte der Kläger daraufhin, dass ihm eine Übermittlung per beA nicht möglich gewesen sei.
Unverzüglich heißt mit der Ersatzübermittlung
Grund dafür sei ein Versäumnis der Bundesnotarkammer gewesen. Diese habe versäumt, die seinem Prozessbevollmächtigten überlassene beA-Basiskarte für die Versendung von Empfangsbekenntnissen zu programmieren, weshalb es auch nicht möglich gewesen sei, diese Karte um die Funktion der Übersendung von sonstigen Dokumenten zu erweitern. PIN und PUK für die neu bestellte Karte seien erst nach Ablauf der Frist zugegangen.
Zwar sehen §§ 129, 130 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise eine Übermittlung per Post oder Fax vor, wenn die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht notwendig ist. Der Anwalt müsse dann allerdings auch unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern), also mit Einreichung des Schriftsatzes auf anderem Wege, glaubhaft machen, weshalb die elektonische Übermittlung nicht möglich gewesen sei, so der BGH. Eine Ausnahme könne lediglich für den Fall gelten, dass die technische Unmöglichkeit sich erst so kurz vor Fristablauf zeige, dass zur Darlegung keine Zeit mehr verbleibt. In diesem Fall müsse die Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit unverzüglich nachgeholt werden.
Ein solcher Fall lag hier allerdings nicht vor. Weil der Anwalt schon weit vor Ablauf der Frist Kenntnis von der fehlenden Übermittlungsfunktion seiner beA-Karte hatte, läge ein Ausnahmefall nicht vor, so der BGH.
Einen ähnlich gelagerten Fall entschied der BGH im Dezember 2022 (Beschl. v. 15.12.22, Az. III ZB 18/22). Auch in diesem Fall war die Berufung unzulässig, weil die Einreichung der Berufungsbegründung entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument erfolgte. Die Unmöglichkeit der technischen Übermittlung wurde auch hier nicht unverzüglich dargelegt.
"Ein Anwalt muss diese Gesetze kennen"
In diesem Beschluss machte der BGH auf charmante Art und Weise deutlich, dass es sich bei der elektronischen Übermittlung um eine Pflicht handle, die von Anwälten einzuhalten sei. "Diese Rechtslage musste dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Rechtsanwalt beim Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2022 bekannt sein." Der (fahrlässige) Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Formerfordernisse für die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels vermag den Anwalt nicht zu entlasten und rechtfertige erst recht nicht die Gewährung einer Übergangsfrist oder "behutsamen" Anwendung der Vorschriften, so der BGH.
"Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Dazu zählen ohne jeden Zweifel die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr (§§ 130a, 130d ZPO)."
BGH zur Einreichung per beA: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50815 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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