BGH kippt Anwaltsvergütungsvereinbarung: Keine Anwalts­ge­bühren im 15-Minuten-Takt

Gastbeitrag von Martin W. Huff

01.04.2020

Jede angefangene Viertelstunde abrechnen, dreifache Gebühren nehmen und einen höheren Gegenstandswert ansetzen? In einem drastischen Fall setzt der BGH unseriösen Anwälten Grenzen, zumindest gegenüber Verbrauchern, zeigt Martin W. Huff.

Es sind oft drastische Fälle, die zu deutlichen Gerichtsentscheidungen führen und dann als Leitentscheidungen Wegmarken für die anwaltliche Arbeit setzen. Eine solche deutliche Entscheidung ist das Urteil des für Anwaltsgebühren zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. März 2020 (BGH, Az. IX ZR 140/19), das Anfang der Woche veröffentlicht wurde.

Der Fall ist schnell erzählt: Einem Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber ein Aufhebungsvertrag angeboten. Er beauftragte einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. Der legte ihm unter anderem eine formularmäßige Vergütungsvereinbarung vor. Diese enthielt zunächst einen Stundensatz von 290 Euro netto sowie einen Stundensatz für das Sekretariat von 60 Euro pauschal. Die Kanzlei sollte berechtigt sein, Sekretariatstätigkeiten pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen. Die Abrechnung des Zeitaufwands "erfolgt im 15-Minuten-Takt (0,25 Stunden). Für angefangene 15 Minuten wird jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet", hieß es weiter, eine in Anwaltskreisen und in der Rechtsprechung umstrittene Klausel. Vereinbart wurde zudem die dreifache der gesetzlichen Vergütung nach dem RVG. Und schließlich: "Eine Abfindung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung dem Gegenstandswert hinzugerechnet".

Der Rechtsanwalt verhandelte daraufhin mit dem Arbeitgeber und erreichte einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung von 10.000 Euro brutto und einem qualifizierten Zeugnis. Der Arbeitgeber überwies dem Rechtsanwalt knapp 10.000 Euro. Daraufhin stellte der Rechtsanwalt dem Arbeitnehmer 11.276,44 Euro in Rechnung und verlangte von ihm die Zahlung eines weiteren Betrags, da das vom Arbeitgeber gezahlte Geld zum Ausgleich der Anwaltsgebühren nicht ausreiche. Die Rechnung enthielt den dreifachen Satz einer 2,5 Geschäftsgebühr sowie eine dreifache 1,5 Einigungsgebühr auf der Basis von knapp 24.000 Euro Gegenstandswert.

BGH: 1.500 statt 11.000 Euro Anwaltsvergütung

Das akzeptierte der Mandant nicht. Er verlangte die Auszahlung der Abfindung als Fremdgeld, das der Rechtsanwalt erhalten hatte. Sein Argument: Die Gebührenvereinbarung sei unwirksam, dem Anwalt stehe nur eine geringe Vergütung zu, den restlichen Betrag müsse er auszahlen.

Der Rechtsanwalt behauptete, dass er auf jeden Fall 25 Stunden und 15 Minuten in Rechnung stellen dürfe, selbst wenn Teile der Vereinbarung unwirksam wären.

Doch damit hatte er keinen Erfolg. Im Ergebnis habe, so auch der BGH, der Rechtsanwalt statt den in Rechnung gestellten mehr als 11.000 Euro nur einen Anspruch auf 1.541, 45 Euro. Das entspricht dem Stundensatz für seine tatsächlich nachgewiesene Arbeitszeit von 268 Minuten und nicht 25,25 Stunden, zu denen insbesondere der 15-Minuten-Takt geführt habe.

Der BGH findet deutliche Worte zur Qualität der Vergütungsvereinbarung. Entgegen mancher Auffassung in der Literatur unterliege die formularmäßige Vereinbarung mit einem Verbraucher auch der Inhaltskontrolle des § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Anschließend prüft der Senat die einzelnen Klauseln der Vergütungsvereinbarung auf ihre Angemessenheit.

Dreifache Vergütung unangemessen

Die Mindestvergütung mit dem dreifachen Vergütungssatz und dem erhöhten Gegenstandswert benachteilige den Verbraucher unangemessen. Schon der dreifache Gebührensatz sei bedenklich, im Zusammenwirken mit der Erhöhung des Gegenstandswert führe er aber auch zu einer unzulässigen Erfolgsbeteiligung. Die Regelung „sei nicht mehr vereinbar mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, dem Anwalt zu einer auskömmlichen Vergütung zu verhelfen, ohne den Mandanten über Gebühr zu belasten“ formulieren die Richter. Sie weisen auch darauf hin, dass gerade im Bereich des Arbeitsrechts der Verbraucher besonders schützenswert sei.

Die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts aus Art. 12 Grundgesetz und die Möglichkeit einer Gebührenvereinbarung finden hier in § 307 BGB ihre Grenzen. Die Kombination von dreifachem Satz und erhöhtem Streitwert (statt 14.000 Euro für alles 24.000 Euro) lasse sich nicht mehr rechtfertigen. Gerade die Begrenzung des Streitwerts im Arbeitsrecht auf das Arbeitsentgelt von drei Monaten diene dem Schutz des Arbeitnehmers. Eine formularmäßige Abweichung sei, zumal ohne jede Erläuterung durch den Rechtsanwalt, nicht mehr hinnehmbar.

Stundensatz zulässig, 15-Minuten-Taktung nicht

Gegen den Stundensatz von 290 Euro netto hat der BGH indes an sich keine Bedenken, wenn diese minutengenau abgerechnet werden. Denn der Rechtsanwalt dürfe im Verhältnis zum Verbraucher nur die tatsächliche Arbeitszeit abrechnen, nicht mehr.

Die 15-Minuten-Taktung für jede angefangene Viertelstunde ist unwirksam. Diese Unwirksamkeit führe, so die Konsequenz der Richter, nicht zu einer Abrechnung nach dem RVG, sondern nur zur Abrechnung nach tatsächlich geleisteten Stunden.

Gerade in Bezug auf die 15-Minuten-Taktung sei der Verbraucher besonders schutzwürdig. Denn diese Regelung sei geeignet, besonders von „unredlichen Rechtsanwälten“ , wie es der BGH nennt, missbraucht zu werden. Die Taktung und deren Abrechnung könne der Mandant schließlich überhaupt nicht kontrollieren, die Unterbrechungen der Arbeitszeit und den Neubeginn der laufenden Uhr könne der Anwalt beliebig steuern. 15 Minuten im Viertelstunden-Takt, das sei misbräuchlich. Offen läst der BGH ausdrücklich, welche Taktung noch angemessen wäre.

Wichtige Pflöcke gegen unseriöse Anwälte

Da die Abrechnung nach der Taktung also nicht möglich ist, kann der Rechtsanwalt nur die Vergütung verlangen, die angemessen ist. Diese muss er "näher substantiieren, weil die für die Bearbeitung des Mandats aufgewandte Arbeitszeit tatsächlich kaum kontrolliert werden kann", schreibt der BGH. Nach der Beweisaufnahme blieben nur etwas über 4 Stunden übrig - eine Zeitspanne, die der Senat für ein solches Mandat auch als angemessen ansieht.

Mit seinem Urteil hat der BGH nach langen Diskussionen wichtige Pflöcke für anwaltliche Gebührenvereinbarungen eingezogen. Die Karlsruher Richter weisen gerade unseriöse Anwälte in die Schranken, wie es auch schon das LG Köln in einem Unterlassungsklageverfahren der Rechtsanwaltskammer Köln rechtskräftig entschieden hatte.

Die gewählte Kombination eines noch akzeptablen Stundensatzes (ohne Sekretariatspauschale) mit einer für den Verbraucher nicht durchschaubaren Taktung und einer sehr hohen Mindestvergütung, bei der Zeitaufwand keine Rolle mehr spielt, ist zumindest gegenüber Verbrauchern unwirksam.

Entweder ein Stundensatz mit einer minutengenauen Abrechnung als sicherste Variante oder aber eine Abrechnung nach dem richtigem Gegenstandswert, so lautet die Botschaft des BGH.

Ob das auch gegenüber Gewerbetreibenden gilt, lässt der Senat offen, aber eine Vereinbarung in der obigen Kombination dürfte auch in dieser Konstellation durchaus riskant sein. Jetzt müssen viele Rechtsanwälte ihre Klausel überprüfen, ansonsten bekommen sie Probleme mit der Durchsetzung ihrer Gebühren.

Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kölner Sozietät LLR.

Zitiervorschlag

BGH kippt Anwaltsvergütungsvereinbarung: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41181 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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