Wer einen fristwahrenden Schriftsatz nur per einfacher Signatur aus dem beA-Postfach ans Gericht versendet, muss aufpassen: Das BAG verlangt in einem aktuellen Beschluss einen zusätzlichen Identitätsnachweis, wie Martin W. Huff erläutert.
Versendet ein Rechtsanwalt einen Berufungsschriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) mittels einer einfachen Signatur aus seinem eigenen Postfach heraus an das Berufungsgericht, so muss er am Ende des Schriftsatzes dennoch klarmachen, dass er derjenige ist, der die Verantwortung für diesen Schriftsatz übernimmt.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand klargestellt (Beschl. v. 14.09.2020, Az. 6 AZB 23/20). Im konkreten Fall gewährte das Gericht allerdings dennoch die Wiedereinsetzung, weil das Gericht den Anwalt nicht auf diesen Fehler hinwies und damit den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzte.
In Coronazeiten nutzen immer mehr Rechtsanwälte das beA, um mit den Gerichten zu korrespondieren. Es zeigt sich in der Praxis, dass diese Korrespondenz mit dem Gericht in aller Regel, gerade in der Fachgerichtsbarkeit, gut funktioniert und das Fax durchaus ersetzen kann. Allerdings sind dabei einige Besonderheiten zu beachten, die jedem Anwalt klar sein müssen. Der vergangenen Mittwoch bekannt gewordene Beschluss des BAG verdeutlicht das beispielhaft.
Nicht qualifiziert signiert
In dem zugrundeliegenden Fall erhielt der Rechtsanwalt erhielt am 21.02.2019 ein Urteil des Arbeitsgerichts zugestellt. Am 20.03.2019, einem Mittwoch, wurde aus dem beA des Prozessbevollmächtigten eine Berufungsschrift unter Verwendung des Briefbogens seiner Kanzlei an das Landesarbeitsgericht (LAG) übermittelt. Der Berufungsschriftsatz ist nicht qualifiziert signiert, sondern vom Anwalt selber direkt aus seinem Postfach selber übermittelt worden. Am Ende des Schriftsatzes ist das Wort "Rechtsanwalt" aufgeführt, nicht jedoch der Name des absendenden Rechtsanwalts. Allerdings ist auf Seite 1 des Schriftsatzes das Aktenzeichen der Kanzlei und als Sachbearbeiter der Name des Rechtsanwalts angegeben.
Am nächsten Tag – also noch innerhalb des Laufs der Berufungsfrist – wurde vom Vorsitzenden beim LAG den Parteien der Eingang der Berufung mit einer elektronischen Signatur bestätigt, dass Aktenzeichen mitgeteilt und auf die Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Allerdings wurde diese Verfügung erst sechs Tage später versandt. Fristgerecht versandte dann der Rechtsanwalt seine Berufungsbegründung wieder mit der einfachen Signatur, diesmal war allerdings über dem Wort Rechtsanwalt der Name des Prozessbevollmächtigten maschinenschriftlich wiedergegeben.
Erst Mitte Februar 2020 wies das LAG den Rechtsanwalt zu seiner Überraschung darauf hin, dass an der formgerechten Einlegung der Berufung Zweifel bestünden, weil bei der einfachen Signatur nicht erkennbar sei, wer die Berufung verantwortet hat. Daraufhin beantragte der Rechtsanwalt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er vertrat die Auffassung, dass auch bei einer einfachen Signatur, die aus seinem eigenen beA-Postfach erfolgt sei, der Absender hinreichend erkennbar gewesen sei. Nur er kenne sein Kennwort für den Zugang zum Postfach, eine Versendung durch Dritte sei ausgeschlossen. Jedenfalls sei ihm Wiedereinsetzung zu gewähren, weil er mangels entgegenstehender Rechtsprechung davon habe ausgehen können, dass die Kombination aus Namensnennung am Anfang und einer darauf bezogenen Bestätigung am Ende des Schriftsatzes mit der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt ausreichend gewesen sei. Die Anforderungen an die für elektronische Dokumente einschlägige Vorschrift des § 130a Zivilprozessordnung (ZPO) seien damit erfüllt. Dies sah das LAG anders und verwarf die Berufung als unzulässig.
Anforderungen an die einfache Signatur
Das BAG gewährte daraufhin allerdings die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch mit einer sehr interessanten Begründung: Zwar sei die einfache Signatur hier nicht ausreichend gewesen, jedoch wäre der Vorsitzende Richter, der noch während des Laufs der Berufungsfrist den Eingang der Berufung bestätigt hatte, verpflichtet gewesen, den Rechtsanwalt auf seine Bedenken hinzuweisen, so dass die fristgerechte Berufung hätte nachgeholt werden können.
Allerdings stellt das Gericht sehr deutlich heraus, dass bei einer einfachen Signatur der vom Rechtsanwalt gewählte Weg falsch war. Er hätte das Dokument mit einer qualifizierten Signatur über den sicheren Weg des beA einreichen können. Dazu ist eine beA-Karte mit der elektronisch qualifizierten Signatur erforderlich, die schon viele Anwälte beantragt haben. Wird aber, wie hier, der Weg über eine nicht qualifizierte elektronische Signatur gewählt, sondern der Schriftsatz nur aus dem Postfach des Rechtsanwalts übersandt, so handelt es sich zwar um einen sicheren Übermittlungsweg, es fehlt aber an einer sogenannten "einfachen Signatur" im Sinne des § 130a Abs. 3 ZPO.
Nach Auffassung des BAG ist unter einer solchen Signatur zu verstehen, dass am Ende des Schriftsatzes der Namen des Verfassers angegeben wird. Dies kann, so das Gericht, beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug oder eine eingescannte Unterschrift sein. Diese Signatur soll sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt. Fehlt es an dieser Identität, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht, meinen die Bundesrichter. Es muss also erkennbar sein, wer die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat.
BAG: "Erforderliche Sorgfalt missachtet"
Allein das vom Rechtsanwalt verwendete Wort "Rechtsanwalt"“ am Ende des Schriftsatzes genügte dem BAG nicht. Auch die Tatsache, dass der Name des Rechtsanwalts im Kopf des Schriftsatzes als zuständiger Sachbearbeiter ausgewiesen wird, bedeute nicht, dass er auch derjenige ist, der die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Es müsse am Ende eines Schriftsatzes unmissverständlich klargestellt werden, wer der Verfasser bzw. Absender des Schriftsatzes ist. Daran mangelte es hier. Das BAG verlangt von der Anwaltschaft auch, diese Regelungen im Detail zu kennen, es formuliert: "Danach spricht einiges dafür, dass der Prozessbevollmächtigte bei der Übermittlung des Berufungsschriftsatzes ohne einfache Signatur trotz der höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt hat."
Allerdings halfen die Bundesrichter dem Rechtsanwalt im konkreten Fall doch noch: Sie gewährten die Wiedereinsetzung, "weil das Gericht seine prozessuale Fürsorgepflicht und damit das allgemeine Prozess Grundrecht auf ein für faires Verfahren verletzt hat" In solchen Fällen trete ein in der eigenen Sphäre der Partei liegendes Verschulden hinter dem staatlichen Verschulden zurück. Der Richter habe die Verpflichtung zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten prozessualen Situation. Es sei ihm untersagt, aus eigenen oder ihm zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die betroffenen Prozessparteien abzuleiten. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebiete es, eine gerichtliche Fürsorgepflicht abzuleiten, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmten Schriftsatz – hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben.
Qualifizierte Signatur am sichersten
Da der Vorsitzende Richter sich am letzten Tag des Fristablaufes dem Berufungsschriftsatz angesehen und entsprechende Verfügung getroffen hatte, wäre es ihm möglich gewesen, den Prozessbevollmächtigten auf seinen Fehler hinzuweisen und um eine formgerechte Einlegung der Berufung hinzuweisen. "Einen solchen Hinweis hätte der Vorsitzende nach Segmentierung seiner Verfügung am 21. März um 14:02 Uhr ohne besondere Anstrengung noch telefonisch oder per Telefax erleiden erteilen können und müssen", schreiben die Bundesrichter sehr deutlich. Der Beschluss des LAG wurde aufgehoben und zurückverwiesen.
Eines macht die Entscheidung des BAG jedenfalls deutlich: Auch bei der Versendung von Schriftsätzen über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist große Sorgfalt angebracht, die Grundsätze für einen Anwaltsschriftsatz müssen eingehalten werden. Das BAG legt den Finger in die Wunde: Es ist in der Tat ein ständiges Ärgernis in der Praxis, dass man nicht erkennen kann, wer einen Schriftsatz verantwortet. Daher ist die Kritik des BAG an dem Vorgehen des Rechtsanwalts durchaus verständlich.
Am sichersten ist bei der Versendung über das beA der Weg über eine qualifizierte Signatur. Sie räumt jeden Zweifel aus, auch wenn die gesamte Versendung etwas umständlicher ist als die einfache Versendung, die der Rechtsanwalt, hier gewählt hatte.
Auch Gerichte in der Pflicht
Zu begrüßen ist allerdings, dass das BAG das Gericht dazu verpflichtet hat, auf solche Fehler den Rechtsanwalt dann hinzuweisen, wenn sie noch innerhalb der Frist einfach vom Rechtsanwalt behoben werden können.
Es ist wirklich für einen Richter keine Überforderung, wenn er die Formalien prüft und erkennt, dass der Rechtsanwalt aus seiner Sicht einen Fehler begangen hat. Hier hat das BAG zu Recht auf den Grundsatz des fairen Verfahrens abgestellt und daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Beschluss des BAG zeigt also anschaulich, wie Gericht und Anwaltschaft vernünftig miteinander zu arbeiten haben.
Der Autor ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.
BAG zum elektronischen Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43251 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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