Um Geldwäsche effektiver zu bekämpfen, gilt ab April in Deutschland ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften. Dessen Zweck- und Verfassungsmäßigkeit sind jedoch äußerst zweifelhaft, meint Martin Thelen.
Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz II) umfangreiche Änderungen bei der Durchsetzung von Finanzsanktionen, aber auch bei der Bekämpfung von Geldwäsche beschlossen. Zu den Maßnahmen zählt insbesondere ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften. Es gilt ab dem 1. April 2023 und führt zu umfangreichen Neuerungen für die Immobilienpraxis.
Zukünftig müssen die Vertragsparteien bei einem Immobilienkauf dem Notar nachweisen, dass sie den Kaufpreis unbar erbracht haben, etwa durch Vorlage eines (elektronischen) Kontoauszugs. Der Notar muss den Nachweis auf Schlüssigkeit prüfen. Grundsätzlich darf er erst dann die Umschreibung des Eigentums auf den Käufer beantragen, wenn ihm ein schlüssiger Nachweis vorgelegt wurde. Verstöße gegen das Barzahlungsverbot und die Nachweispflicht muss der Notar der zentralen Anti-Geldwäsche-Einheit (FIU) melden.
Mit dem Barzahlungsverbot setzt der Gesetzgeber eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung um. Das Verbot ist ein typischer politischer Kompromiss: Während die Grünen im Bundestagswahlkampf noch die Einführung einer allgemeinen Bargeldobergrenze prüfen wollten, setzte sich die FDP für die uneingeschränkte Nutzbarkeit von Bargeld als Zahlungsmittel ein. Heraus kam ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften. Die Realisierung durch das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II wurde im Gesetzgebungsverfahren einhellig begrüßt, selbst von der Opposition. Auch von den Berufsverbänden der Notare kam Unterstützung, obwohl die mit dem Barzahlungsverbot verbundenen Kontroll- und Meldepflichten einigen Mehraufwand für die Notarbüros bedeuten.
Die Verbände sahen lediglich im Detail Nachbesserungsbedarf, was zumindest – wie LTO berichtet hatte – teilweise Gehör beim Gesetzgeber gefunden hat. So wurde mitunter befürchtet, dass der öffentliche Glaube des Grundbuchs gefährdet werden könnte. Der Gesetzgeber hat deshalb klargestellt, dass auch bei einem Verstoß gegen das Barzahlungsverbot der dingliche Eigentumsübergang unberührt bleibt und deshalb die Rechtssicherheit des Grundbuchs nicht beeinträchtigt wird. Erhebliche Kritik richtete sich dagegen, dass Notare auch Kaufpreiszahlungen überwachen müssen, die erst nach Eigentumsumschreibung erfolgen. Vorgetragen wurde, dass eine solche nachgelagerte Pflicht systemwidrig sei, erhebliche Aufwände verursache und bei den Vertragsparteien auf Unverständnis stoße. Diese Kritik führte jedoch nicht zu einem Umdenken des Gesetzgebers. Er verkürzte lediglich den Überwachungszeitraum von zwei Jahren auf ein Jahr.
Zweifel an Zweckmäßigkeit
Erstaunlicherweise stellt aber niemand die Frage, ob das Barzahlungsverbot überhaupt zweckmäßig ist. Auch verfassungsrechtliche Zweifel sind nicht aufgekommen. Dabei drängen sich Bedenken auf. Dabei soll es hier nicht um die grundsätzliche Sinnhaftigkeit von Bargeldbeschränkungen im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit einerseits und – vermeintlich – effektiverer Kriminalitätsbekämpfung andererseits gehen, sondern nur um die Frage der Folgerichtigkeit.
So verwundert jedenfalls, warum es aus Sicht der Geldwäschebekämpfung einen Unterschied machen soll, ob mit Bargeld eine Immobilie oder ein sonstiges Vermögensgut erworben wird. Bei Luxusautos, Goldbarren und Kunstgemälden bleiben Barzahlungen in beliebiger Höhe möglich. Dass Barzahlungen gerade bei Immobilien besonders verbreitet sind, lässt sich nicht belegen. Zwar mag sich in den Köpfen vieler Politiker und Journalisten die Vorstellung von Zahlungen mit dem Rindslederkoffer am Beurkundungstisch festgesetzt haben. Wer jedoch die Praxis kennt, weiß um die Realitätsfremdheit dieser Vorstellung.
Auch die in der Gesetzesbegründung zum Barzahlungsverbot in Bezug genommene Erste Nationale Risikoanalyse hilft insoweit nicht weiter. Sie sieht zwar ein hohes Geldwäscherisiko im Immobiliensektor, macht als Ursache jedoch gerade nicht die Möglichkeit von Barzahlungen aus. Vielmehr kam die Nationale Risikoanalyse zu der Erkenntnis, dass bargeldintensive Branchen besonders anfällig für die illegale Nutzung von Bargeld seien, und nennt als Beispiele die Gastronomie, den Güterhandel (insbesondere den Kfz-Handel) und das Handwerk. Bezeichnenderweise sieht der Gesetzgeber in diesen Bereichen jedoch keine Bargeldbeschränkungen vor.
Warum keine Bargeldobergrenze?
Die unterschiedliche Behandlung des Immobilienerwerbs im Vergleich zum Erwerb sonstiger Güter wirft auch die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz auf (Art. 3 Abs. 1 GG). Zwar wird dem Gesetzgeber dabei ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Dem Autor fällt jedoch kein einziger Grund für die Ungleichbehandlung ein, insbesondere nicht wegen der genannten Erkenntnisse der Ersten Nationalen Risikoanalyse. Allein die Tatsache, dass der Immobiliensektor einen Hochrisikobereich darstellt, genügt jedenfalls nicht, schließlich gilt das auch für einige weitere Branchen, etwa den Glücksspielsektor oder den Kfz-Handel. Ebenfalls lässt sich nicht argumentieren, dass mit Immobilien besonders viel (Bar-)Geld gewaschen werden kann, denn auch das gilt für viele andere (Luxus-)Güter.
Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz kommen Zweifel an der Angemessenheit des Verbots hinzu. Schließlich können zukünftig selbst Kleinstbeträge beim Immobilienerwerb nicht mehr in bar bezahlt werden. Solche kommen in der Praxis durchaus vor, etwa beim Erwerb eines Grundstücks durch die Gemeinde zur Abrundung eines Bürgersteigs, beim Ackerkauf oder bei Grundstücken mit Altlasten. Auch (geringfügige) Teilzahlungen auf den Kaufpreis sind nicht mehr in bar möglich. Man würde zumindest eine Begründung dafür erwarten, warum eine Bargeldobergrenze nicht ausreicht, um den Geldwäscherisiken angemessen zu begegnen. Eine solche Begründung sucht man jedoch vergeblich.
Wie reagieren die Gerichte und die EU?
Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte die hier geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel teilen werden. Eher fraglich ist, ob das aktuell ziemlich staatstragende Bundesverfassungsgericht angesichts der politischen Brisanz der Geldwäschebekämpfung das Barzahlungsverbot kippen wird. Zumindest darf man auf die Begründung gespannt sein, denn diese wird den Richtern eine gewisse Kreativität abverlangen. Die in letzter Zeit häufiger bemühte Figur des schlüssigen Gesamtkonzepts würde jedenfalls weiter strapaziert, wollte man sie auf den Bereich der Geldwäschebekämpfung erstrecken.
Ebenfalls abzuwarten bleibt, ob Deutschland eine allgemeine Bargeldobergrenze aus Brüssel verordnet bekommt. Eine entsprechende Regelung ist derzeit in dem Entwurf einer neuen EU-Verordnung zur besseren Geldwäschebekämpfung vorgesehen. Sie sieht eine Obergrenze für Barzahlungen bei 10.000 Euro vor, die Mitgliedstaaten können aber niedrigere Grenzen vorsehen.
Das deutsche Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften bleibt damit auch zukünftig relevant, nicht nur, weil es jegliche Barzahlung verbietet, sondern das Verbot auch unter Verbrauchern gilt. Die EU-Bargeldobergrenze erfasst hingegen nur Zahlungen an Gewerbetreibende. Wer sich also zu einer Klage gegen das Barzahlungsverbot berufen fühlt, würde nicht durch die EU-Geldwäscheverordnung überholt.
Martin Thelen ist Notar in Köln. Er publiziert und referiert regelmäßig zum Geldwäscherecht. Von 2019 bis 2023 betreute er als Mitglied der Geschäftsführung der Bundesnotarkammer das dortige Referat für Geldwäscherecht. Er war zudem Pressesprecher der Bundesnotarkammer.
Barzahlungsverbot bei Immobilienkäufen: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51407 (abgerufen am: 19.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag